Niederlagen sind gesund
Jogi Löw gehört nun zu den ganz großen Gestalten der deutschen Geschichte. Denn mit seinem frühen Abschied von der FußballWM hat er unser Volk vor einer schrecklichen Krankheitswelle bewahrt.
Hätte sich die deutsche Mannschaft mit passender Strategie bis ins Finale durchgeschlagen, dann wären wir von den Fernsehbildschirmen und Handydisplays nicht mehr weggekommen. Wir hätten die Spiele der eigenen Mannschaft und die Auftritte der Rivalen von Anfang bis Ende angestarrt.
Soeben hat Vladimir Poznyak von der Weltgesundheitsorganisation nachgewiesen, dass die ständige Beschäftigung mit Online-Spielen als echte neue Suchtkrankheit anzusehen ist. Das hätte gewiss auch für die WM-Spiele gegolten. Wir hätten das Krankheitsbild bestätigt, weil wir alle anderen Aspekte des Lebens den Spielen untergeordnet hätten. Wir hätten den Verlust aller Vernunft in Kauf genommen und nur dem nächsten Spiel entgegengefiebert.
Nachdem unsere Fußballstars die Spielfelder ruhmlos geräumt haben, konnten wir zur gewohnten Lebensweise zurückkehren. Ohne besondere Erregung nehmen wir jetzt die WM-Resultate zur Kenntnis, sind gelangweilt, aber gesund. Allerdings wird der Fußball einige Anhänger verlieren. Die Frustrierten unter uns werden verstehen, was Nietzsche in einem Brief an Richard Wagner sagte: „Nun habe ich es satt, und ich will gesund leben.“