Deal ohne Drogen
Ein 21-Jähriger bot einem Mann Rauschgift an, das er gar nicht besaß. Jetzt stand er dennoch vor Gericht
Nördlingen Es war ihm nicht bewusst, dass Dealer spielen allein schon strafbar ist: Am Weihnachtsmorgen 2016 saß der heute 21-jährige Nördlinger mit seinen JunkieFreunden auf dem Trockenen. Sprich, sie hatten weder Geld noch Drogen. Da mailte der junge Mann einem alten Bekannten aus der Drogenszene, bot ihm Marihuana, Heroin und Extasy zu Sonderpreisen an; jeden Moment sollte seine Lieferung aus Holland ankommen.
Irgendwie hoffte er, gleich einen Vorschuss zu bekommen oder seinem Kunden irgendetwas Minderwertiges andrehen zu können. Haken eins: Wie gesagt, er hatte keine Ware und es war auch keine unterwegs. Haken zwei: Der Angemailte merkte, dass etwas nicht stimmte, wurde unfreundlich und brach das Gespräch ab. Haken drei: Er wurde später verhaftet, sein Handy von der Polizei ausgewertet und der 21-jäh- rige Nördlinger als Drogen-Dealer identifiziert und angeklagt. In der Verhandlung vor dem Schöffengericht am Nördlinger Amtsgericht unter dem Vorsitz von Richter Gerhard Schamann räumte der junge Mann ein, er habe ja gar nichts besessen, was er hätte verkaufen können. Da musste er erfahren, dass schon allein der „verbale Handel“mit Drogen strafbar ist, also bereits die Abgabe eines Angebots.
Nun hatte es sich so gefügt, dass der Hauptbelastungszeuge, dem das Angebot unterbreitet worden war, kurz vor der Verhandlung in Berlin erneut verhaftet worden und eine Überstellung kurzfristig nicht möglich war. Richter Schamann machte deutlich, dass sich der Angeklagte in dieser Situation mit einem Geständnis richtig große Pluspunkte holen konnte, wenn er dadurch dem Gericht einen zweiten Verhandlungstag ersparen würde – natürlich unter der Voraussetzung, dass die Anklage zutraf.
Ohne Strafe könne es aber keinesfalls abgehen, da er allein 2016 im Mai, August und Dezember drei Mal verurteilt worden war, nachdem er in den Jahren zuvor schon mehrfach straffällig geworden war. Die Staatsanwältin sprach von einer „enorm hohen Rückfallgeschwindigkeit“, die auch nach einer ganzen Reihe von Maßnahmen wie Sozialstunden, Anti-Aggressionstraining oder Drogentherapie von Unbelehrbarkeit zeuge und eine deutlich spürbare Strafe erfordere.
Der Bericht des Jugendgerichtshelfers ergab ein gänzlich anderes Bild als das, welches man von Drogenkarrieren gewohnt ist: Der Angeklagte wuchs als einziges Kind in einem gut situierten Elternhaus auf, war dort zufrieden und geborgen. Aber er litt unter einer Aufmerksamkeitsdefizitund Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), die sein Leben schon vor dem Schulalter massiv beeinträchtigte. Trotz Medikamenten und Schulvorbereitender Einrichtung nach dem Kindergarten wiederholte er freiwillig die dritte Klasse, flog aus der achten und musste den Hauptschulabschluss nachholen.
Gerade, als er eine Lehrstelle erhielt, fing er an, Kräutermischungen zu rauchen und rutschte schnell weiter in die Drogen ab. Nach dem Tiefpunkt 2016 fing er sich jedoch, fand Anstellung bei einer Zeitarbeitsfirma, wird nun erneut eine Lehre antreten und will eine Familie gründen.
Da er den Versuch des Drogenhandels einräumte, kam er noch einmal mit einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung davon, muss 1000 Euro an die Suchtambulanz der Diakonie zahlen und zur Auflage eine Drogentherapie absolvieren. „Im Gegensatz zu früher hat er heute in der Verhandlung Einsicht gezeigt“, machte Richter Schamann klar, dass der Angeklagte aus eigener Kraft noch einmal die Kurve gekriegt hatte.