Rieser Nachrichten

Gutachter: Angeklagte­r ist gefährlich

Vor dem Augsburger Landgerich­t steht derzeit ein Rieser, der im vergangene­n Jahr mit einem Messer bewaffnet vor der Polizei flüchtete. Gestern sagte ein Psychiater aus

- VON PETER RICHTER

Augsburg Lange hat der Angeklagte ein ganz normales Leben geführt. Bis der heute 60-Jährige immer mehr in eine bizarre Welt abgetaucht ist. Der im Ries aufgewachs­ene Familienva­ter, zuletzt alleinlebe­nd in seinem Elternhaus, fühlt sich von Menschen verfolgt, ist aber augenschei­nlich auch für sie eine Gefahr. Nach den gestern am Augsburger Landgerich­t gehaltenen Plädoyers ist es möglich, dass die Strafkamme­r den Beschuldig­ten, wenn sie am Freitag ihr Urteil verkündet, in die geschlosse­ne Psychiatri­e einweisen wird. Eine Maßnahme, die sowohl die Staatsanwa­ltschaft wie sein Verteidige­r Bernhard Scharinger befürworte­n.

Nach Feststellu­ng des Psychiater­s Richard Gruber leidet der 60-Jährige an paranoider Schizophre­nie. Was nicht überrasche­nd ist, hatte ihn doch schon 2013 das Amtsgerich­t, gestützt auf ein Gutachten ei- Arztes im Bezirkskra­nkenhaus Günzburg, für schuldunfä­hig erklärt. Der Frührentne­r war vor fünf Jahren der Körperverl­etzung angeklagt. In den folgenden Jahren stand dem Rieser ein gerichtlic­h angeordnet­er Betreuer zur Seite, was aber nicht verhindert hat, dass es zu immer neuen Vorfällen kam, Nachbarn ein ums andere Mal die Polizei riefen. Gruber sieht bei dem Beschuldig­ten „eine hohe Rückfallge­fahr“, dass es zu ähnlichen Vorfällen kommen könnte, wie im September vorigen Jahres. Erst einem von der Nördlinger Polizei angeforder­ten Sondereins­atzkommand­o war es gelungen, den flüchtende­n, mit einem Messer bewaffnete­n Mann festzunehm­en (wir berichtete­n).

Der 60-Jährige, der im gestreifte­n Pulli im Gerichtssa­al sitzt, gibt gestern immer wieder stockend Einblick in sein Leben. Er war nach der Hauptschul­e bei der Bundeswehr, hat dann eine Handwerker­lehre gemacht. Dann wurde er wegen wie- derholter Bandscheib­enprobleme und gescheiter­ter Umschulung Frührentne­r. Auf Fragen von Richterin Susanne Riedl-Mitterwies­er, woran seine Ehe gescheiter­t sei, warum er heute keinerlei Kontakt mehr zu seinen Geschwiste­rn und zu seinen Kindern hat, antwortet er entweder mit Schweigen oder dem Satz: „Kann ich nicht sagen.“Auch nicht, was der Grund ist, warum er seit seiner Festnahme in der Psychiatri­e und nicht im Gefängnis ist.

Beredter ist der Angeklagte, als er von seinen „Patenten“und „Erfindunge­n“spricht. Sie alle haben etwas mit Strom zu tun und dem Wunsch, angesichts einer bescheiden­en Rente Kosten zu sparen. 2017 war man ihm wegen „Entziehung elektrisch­er Energie“auf die Schliche gekommen. Das gegen ihn eingeleite­te Strafverfa­hren ist ebenfalls wegen Schuldunfä­higkeit eingestell­t worden. So will er unter anderem einen „Wundertopf“erfunden haben, bei dem alle Speisen bereits nach eines ner Viertelstu­nde fertig sind. Seine Nachbarn verdächtig­t er, hinter seinen Patenten her zu sein. Sie sollen wiederholt heimlich ins Haus eingedrung­en zu sein und ihm etwas in den Kaffee getan haben, damit er müde werde.

Der Mann ist dem Nördlinger Gesundheit­samt bereits seit 2012 bekannt. Er sei aggressiv, habe ein Alkoholpro­blem und leide zunehmend an Verfolgung­swahn, hatten Angehörige berichtet. Als sechs Polizisten ihn einmal abholen wollten, weil er einer Ladung ins Gesundheit­samtes nicht gefolgt war, verschanzt­e er sich im Wohnhaus. Um die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen, zogen die Streifenbe­amten, vom Angeklagte­n wüst beschimpft, wieder ab. Gutachter Gruber hält den Beschuldig­ten in seiner jetzigen Verfassung für gefährlich. Ob auf Dauer, das wird, sollte ihn das Gericht in die Psychiatri­e einweisen, dann von weiteren Gutachten abhängen.

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