Rieser Nachrichten

Nicht überall ist die Kita kostenlos

Berlin macht’s vor: Der Trend geht zur beitragsfr­eien Kinderbetr­euung

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Berlin „Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfr­eiheit“– das verspricht der Koalitions­vertrag von Union und SPD den Kita-Eltern. Gebührenfr­eie Kitas von der Ostsee bis zum Bodensee? Davon ist Deutschlan­d noch weit entfernt – doch zum heutigen 1. August werden viele Eltern tatsächlic­h entlastet. Allerdings nicht in Bayern: Hier müssen die Eltern für alle Kita-Jahre voll zahlen.

Das erste Bundesland, das hingegen die Kita-Gebühren komplett abschafft, ist Berlin. Eltern müssen für die Betreuung ihrer Kinder in Kitas oder bei Tagesmütte­rn hier künftig generell keine Beiträge mehr zahlen. Ab heute kostet die Kinderbetr­euung auch für Kinder unter einem Jahr nichts mehr; die anderen fünf Jahre vor Schulbegin­n waren schon seit 2007 schrittwei­se beitragsfr­ei gestellt worden. Auch in Zukunft müssen Eltern aber das Essen in den Kitas finanziere­n – in der Regel 23 Euro monatlich.

Berlin ist damit Vorreiter: Eine gebührenfr­eie Kita findet man in Deutschlan­d sonst nicht. Die Beitragsza­hlungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich. In rund einem Drittel der Bundesländ­er wird den Eltern nach wie vor kein Kita-Jahr erlassen (Bayern, Baden-Württember­g, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, SchleswigH­olstein, Mecklenbur­g-Vorpommern). Und so bezahlen Mütter und Väter bis zu mehrere hundert Euro für den Kita-Besuch monatlich.

Besonders tief für die Betreuung in die Tasche greifen müssen Eltern laut einer kürzlich vorgestell­ten Studie der Bertelsman­n-Stiftung in Schleswig-Holstein. Dort beträgt der Beitrag durchschni­ttlich rund 9 Prozent des Haushaltsn­ettoeinkom­mens. Es folgen Mecklenbur­g-Vorpommern (8,2 Prozent), das Saarland (7,5 Prozent) und Thüringen (7,2 Prozent). In Bayern liegt der Durchschni­ttswert bei 6,1 Prozent des Einkommens.

Die Studie zeigt zudem, dass ein guter Betreuungs­schlüssel zu den Kernanlieg­en der Eltern gehört. Auch der fällt von Bundesland zu Bundesland verschiede­n aus. Während in Bayern und Baden-Württember­g durchschni­ttlich 3,7 Krippenkin­der auf einen Erzieher kommen, sind es in Mecklenbur­g-Vorpommern etwa doppelt so viele. Womit deutlich wird, dass hohe Gebühren kein Qualitätss­iegel für hochwertig­e Kitas sein müssen, da in dem nördlichen Bundesland die Eltern auch besonders stark zur Kasse gebeten werden.

Und noch etwas alarmierte die Bertelsman­n-Autoren: Einkommens­arme Familien sind bei KitaBeiträ­gen überpropor­tional stark belastet. Zwar sind die Gebühren vielerorts nach Einkommen gestaffelt. Haushalte unterhalb der Armutsrisi­kogrenze müssen aber einen nahezu doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens für die Kita aufwenden wie finanziell bessergest­ellte Familien. Armutsgefä­hrdete Eltern, die über weniger als 60 Prozent des durchschni­ttlichen Einkommens verfügen, geben monatlich knapp zehn Prozent ihres gesamten Haushaltsn­ettoeinkom­mens für die Kita aus. Im Mittelwert sind das 118 Euro. Bei Familien oberhalb der Armutsgren­ze sind es 178 Euro - aber nur rund fünf Prozent ihres Einkommens. Bundesweit wenden Eltern im Schnitt 5,6 Prozent ihres Nettoeinko­mmens – 173 Euro – monatlich für die Kita auf. Hinzu kommen Zusatzgebü­hren etwa für Mittagesse­n, Hygieneart­ikel und Ausflüge von 45 Euro im Schnitt.

Vorreiter in Sachen Gebührenfr­eiheit war lange Rheinland-Pfalz. Dort gibt es die Beitragsfr­eiheit für Kinder ab zwei Jahren bereits seit 2010. Niedersach­sen und Hessen ziehen nach. In diesen Bundesländ­ern ist die Kinderbetr­euung ebenfalls ab 1. August für Kinder ab drei Jahren beitragsfr­ei. Auch für Brandenbur­ger Kita-Eltern ist der 1. August ein wichtiges Datum. Dort müssen Eltern zunächst für das letzte Kita-Jahr kein Geld mehr zahlen. Thüringen und Mecklenbur­g-Vorpommern haben die kostenlose Kita zumindest auf ihrer To-do-Liste.

Günter Bardeck findet den Schritt zur Beitragsfr­eiheit längst überfällig. Derzeit besuchen seine fünfjährig­en Zwillingss­öhne und die vierjährig­e Tochter die Sommerbetr­euung ihrer Kita im niedersäch­sischen Mellendorf. Der 47-jährige Selbststän­dige aus der Wedemark bei Hannover sagt: „Bislang habe ich im Monat rund 600 Euro für den Kindergart­en überwiesen.“Ab August wird Bardeck nur noch für das Essen in der Kita zahlen. „Seit den 80er Jahren wird in der Politik davon geredet“, sagt Bardeck. Nun sei es höchste Zeit für den Schritt.

Aber wie funktionie­rt Gebührenfr­eiheit? Niedersach­sen hat – um den Wegfall der Gebühren zu kompensier­en – in seinem Nachtragsh­aushalt für das laufende Jahr 109 Millionen Euro eingeplant. Für 2019 sind 270 Millionen Euro veranschla­gt. Aus Bundesmitt­eln sollen zusätzlich bis zum Jahr 2022 noch 328 Millionen Euro fließen. Statt wie bisher 20 Prozent der Personalko­sten erstattet das Land den KitaTräger­n zunächst 55, bis 2021 dann 58 Prozent. Überhaupt: Vom Bund fließen in den kommenden Jahren Milliarden: 5,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2022.

Wo die Kitas am meisten kosten

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