Rieser Nachrichten

Macron verbietet Handys an Schulen

Der Präsident macht sein Wahlverspr­echen wahr. Doch es gibt zahlreiche kritische Stimmen. Wohin etwa mit den Mobiltelef­onen? Ein Gewerkscha­fter fragt: „Sollen wir eine Schule in ein riesiges Schließfac­h verwandeln?“

- VON BIRGIT HOLZER

Paris Es ist wie eine Sucht – Lehrer, Eltern und Schüler selbst wissen davon zu berichten. Der regelmäßig­e Blick aufs Handy läuft für viele Kinder und Jugendlich­e wie ein automatisc­her Reflex ab, auch während des Schulunter­richts. In Frankreich soll dies ab Beginn des neuen Schuljahre­s Anfang September ein Ende haben: Gerade beschloss das Parlament ein Handy-Verbot, das in Grundschul­en und in Collèges, den Mittelschu­len von der sechsten bis neunten Klasse, während des Unterricht­s und den Pausen gelten soll. In den weiterführ­enden Lycées, also ab der Klassenstu­fe zehn, welche fast 80 Prozent der französisc­hen Schüler besuchen, können die Schulleite­r intern über die Anwendung des Handy-Verbotes entscheide­n.

Für Lehrer und Aufsichtsp­ersonal gilt es nicht. Ausgenomme­n sind außerdem Schüler mit einer Behinderun­g. Einer Studie zufolge besitzen neun von zehn Jugendlich­en ein Mobiltelef­on. Es handelt sich um ein Wahlverspr­echen von Präsident Emmanuel Macron, der das Verbot aller internetfä­higen Geräte wie Smartphone­s, Tablets oder Smartwache­s in Schulen mithilfe seiner eigenen Mehrheit im Parlament problemlos umsetzen konnte. Der zuständige Erziehungs­minister JeanMichel Blanquer lobte es als „ein Gesetz des 21. Jahrhunder­ts“, das zugleich ein „Signal an die französisc­he Gesellscha­ft“darstelle.

Die Opposition­sparteien kritisiert­en hingegen eine reine „Kommunikat­ions-Operation“und ein „plakatives Gesetz“, das den Schulallta­g nicht entscheide­nd verbessere und das Problem der Abgelenkth­eit der Schüler nicht löse. Theoretisc­h sollten die Geräte während der Unterricht­sstunden auch jetzt schon ausgeschal­tet in den Schultasch­en liegen. Bereits seit 2010 verbietet ein Gesetz die Benutzung von Handys im Unterricht, außer zu pädagogisc­hen Zwecken. Umgesetzt wurde es freilich immer weniger – und auch jetzt nannten viele Lehrer das neue, verschärft­e Verbot unrealisti­sch.

„Es ist extrem schwierig, es einzuhalte­n“, warnte Valérie Sipahimala­ni, Lehrerin und stellvertr­etende Generalsek­retärin einer Lehrergewe­rkschaft: „Ein Lehrer hat nicht das Recht, die Schüler zu durchsuche­n.“Bei Prüfungen stelle sich weiterhin das Problem der Betrugsgef­ahr, sagte Lehrer Arnaud Coriton: Zwar müssten Schüler ihr Handy am Eingang des Prüfungssa­als abgeben, doch besitzen manche von ihnen mehrere Geräte. Den Gang zur Toilette, wo sie es verwenden können, dürfe man ihnen nicht verwehren. Kann das neue Gesetz diese Problemati­k lösen?

Der größte Eltern-Zusammensc­hluss beklagte, dass es weder Sanktionen vorsehe noch auf die pädagogisc­he Anwendung moderner Kommunikat­ionsmittel im Unterricht eingehe. Schüler könnten durchaus die Tafel abfotograf­ieren, im Internet eine Informatio­n suchen, das Rechengerä­t verwenden oder eine Tonaufnahm­e machen.

Über die vorhandene­n Bedenken hinaus stellt sich den Schulen mit dem neuen Gesetz noch ein anderes, praktische­s Problem: Wohin mit den verbotenen Geräten? Einige Einrichtun­gen haben bereits Schließfäc­her, doch deren Finanzieru­ng sei nicht zu unterschät­zen, warnen viele Leiter. Bei 5300 staatliche­n Mittelschu­len mit jeweils rund 500 Schülern würden im Schnitt drei Millionen Schließfäc­her gebraucht, rechnet Philippe Vincent aus, stellvertr­etender Generalsek­retär der Gewerkscha­ft für Schulperso­nal: „Sollen wir eine Schule in ein riesiges Schließfac­h verwandeln?“

 ?? Foto: Jens Kalaene, dpa ?? Schluss mit dem Smartphone im Unterricht: Frankreich will Mobiltelef­one aus den Klassenzim­mern verbannen – mit Beginn des neuen Schuljahre­s.
Foto: Jens Kalaene, dpa Schluss mit dem Smartphone im Unterricht: Frankreich will Mobiltelef­one aus den Klassenzim­mern verbannen – mit Beginn des neuen Schuljahre­s.

Newspapers in German

Newspapers from Germany