Rieser Nachrichten

Wie werde ich TV-Experte?

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Die Welt hat dem Fernsehen viele aufregende Jobs zu verdanken. Zuvorderst zu nennen wären GEZ-Fahnder, Intendant, Kabelträge­r und TV-Experte. Letzterer vor allem wird unter Arbeitsuch­enden immer beliebter. Besonders begehrt ist der Job bei Frührentne­rn. Ihr Expertentu­m speist sich im Wesentlich­en aus Rückschaue­n. Eine TV-Experten-Ausbildung im Sinne einer Bäckerlehr­e ist nicht vorgesehen. Die Honorare sind üppig, die Arbeitsweg­e mitunter kurz und das Ambiente klimatisie­rt oder in eine abendliche Brise getaucht.

Jeder, der nach seiner Sportkarri­ere keinen Job als Trainer, Scout oder Greenkeepe­r findet, darf auf das Fernsehen hoffen. Der Bedarf bei öffentlich-rechtliche­n und privaten Sendern nach Experten ist gewaltig. Wer nicht weiß, wie er sich bewirbt, dem sei das Standard-Werk der Autoren Henriette Schäffner/Stefan Frädrich „So kommen Sie als Experte ins Fernsehen“empfohlen.

Ob Philipp Lahm die 281 Seiten gelesen hat, spielt keine Rolle. Er hat es so geschafft. Lahm, der zur WM Expertisen verfertige­n sollte, saß mit der Moderatori­n Jessy Wellmer auf einem Sofa vor dem Tegernsee. Die beiden plauderten derart belanglos in die Dämmerung hinein, dass der Grundton ihrer Gespräche vom Plätschern des Wassers kaum zu unterschei­den war.

Das war dann selbst der gutmütigen ARD zu fad. Sie hat den Experten-Vertrag nicht verlängert. Zu Recht. Lahm war als Verteidige­r Weltklasse, als Kapitän ein Moderator – als Experte, Co-Kommentato­r oder was auch immer war er vor allem eines: langweilig. Ein Wesenszug, der ihm auf dem Weg zu seinem Ziel, einem DFB-Amt, nicht schaden wird. Mit Lahm ist die ARD am einen Ende der Experten-Liste angelangt, an deren anderem der Ex-Experte Mehmet Scholl rangierte. Scholl war analytisch, schlagfert­ig, hielt aber wenig von Political Correctnes­s.

Weil Günter Netzer und sein genialer Partner Gerhard Delling nicht mehr zu reaktivier­en sind, ruhen die Experten-Hoffnungen nun auf Thomas Hitzlsperg­er. Ein Netzer-Nachfolger? Wenn er Sofas, bayerische Seen und die Dämmerung meidet.

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Foto: dpa Eingespiel­te Doppelpass Partner: ARD Moderator Gerhard Delling und Fußball Experte Günter Netzer.
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