Die Zeit der sauren Gurken
Selten ist der Mensch so einsam wie in der Saure-Gurken-Zeit. Alle Gesprächspartner, mit denen man ein paar Stunden totschlagen könnte, sind im Urlaub oder liegen irgendwo im Schatten. Die Fernsehprogramme ermüden mit Wiederholungen. Und selbst die Volkshochschulen machen jetzt Pause.
Aber sogar in diesen aktionsfreien Wochen gibt es Bündnispartner gegen aufkommende Langeweile. Sehr wirksam ist beispielsweise ein Anruf bei der Telekom. Dort erfährt man im Zehn-SekundenTakt, dass zurzeit alle Berater im Gespräch sind und dass man sich gedulden müsse. So vergeht eine halbe Stunde, in der gar nichts, aber auch nichts Böses geschieht.
Unangekündigt steht uns Microsoft als Freund und Helfer zur Seite. Mit einem Update für Windows 10 wird das Geschehen auf dem Computerbildschirm plötzlich spannender als ein „Tatort“, weil nicht sicher ist, ob das System nach mehreren Neustarts noch funktionieren wird. Aber schließlich ist alles gut überstanden. Und die Unterstützung beim Zeitverbrauch war kostenlos.
So verschafft uns die Saure-Gurken-Zeit die Chance, Ungeduld und Hektik abzuschütteln und in die Nähe jener Figuren zu kommen, die auf Kirchenbildern Gelassenheit und Ruhe ausstrahlen.
Schon der Dichter Alexander von Ungern-Sternberg hat in seinem Werk „Braune Märchen“festgestellt: „Die Heiligen, die alles überwinden und ertragen, überwinden und ertragen auch die Langeweile.“