Bürgerliches Engagement unter Druck
In Nördlingen sprechen Mitarbeiter der Zivilgesellschaft „Brot für die Welt“über die Schwierigkeiten der Helfer im Einsatz
Nördlingen Unter dem Oberthema „Glaube und Weltverantwortung“organisiert Dekan i. R. Hans Issler als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Evangelischen. Bildungswerks Donau-Ries eine Vortragsreihe, die nach der politischen und öffentlichen Dimension des Glaubens fragt, der im Sinne Martin Luthers in der Liebe tätig wird und Verantwortung für den Nächsten und die Gesellschaft übernimmt.
Nach der UN-Mitarbeiterin Dr. Simone Schiele konnte der Organisator nun die Diplom-Politologin Christine Meissler begrüßen, die seit 2013 als Referentin für den Schutz der Zivilgesellschaft bei Brot für die Welt in Berlin arbeitet. Unter dem Titel „Menschenrechte und bürgerliches Engagement weltweit unter Druck“stellte sie den „Atlas der Zivilgesellschaft“vor, einen Report zur weltweiten Lage der menschenund bürgerrechtlichen Freiheiten und ihrer Einschränkung. Christine Meissler gehört zu den Autoren dieses 67 Seiten starken Werks, das gestützt auf die Recherchen von Civicus, der Weltallianz zur Bürgerbeteiligung (einer sogenannten Nichtregierungsorganisation mit dem Sitz in Johannesburg), die Unterdrückung von Kritik oder Rede- und Vereinigungsfreiheit dokumentiert. Im Fall von Brot für die Welt gehe es vor allem um den Handlungsspielraum der jeweils vor Ort aktiven Partnerorganisationen. Brot für die Welt als humanitäre NGO mit langfristigem Handlungsansatz ist von dieser Tatsache sowohl grundsätzlich als auch in konkreten Einzelfällen betroffen; denn, so Christine Meissler: „Gesellschaftliche Freiheit und Entwicklung gehören zusammen.“
Im Atlas der Zivilgesellschaft sind die Staaten der Erde nach ihrer menschen- und bürgerrechtlichen Situation eingestuft als offen, eingeengt, beschränkt, unterdrückt oder geschlossen. Nur 22 hauptsächlich europäische Staaten mit zusammen ganzen zwei Prozent der Weltbevölkerung gelten demnach als offen, 64 Staaten als eingeengt, 53 Staaten als beschränkt, 34 Staaten als unterdrückt und 21 Staaten mit immerhin 27 Prozent der Weltbevölkerung als unterdrückt. Insgesamt würden also in acht von neun Staaten Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, NGOs und politische Aktivisten behindert oder verfolgt, und nur zwei Prozent der Weltbevölkerung können uneingeschränkt in gesellschaftlicher Freiheit leben. Die Beanstandungen gegenüber europäischen Demokratien richten sich vorwiegend gegen Notstandsregelungen, die mit Terrorgefahr oder -abwehr begründet werden. Im Übrigen stellten sich die Verstöße der jeweiligen Regierungen gegen Grundund Menschenrechte in verschiedenen Formen dar, etwa durch willkürliche Inhaftierung oder durch Unterdrückung der Versammlungsund Meinungsfreiheit. Im Atlas der Zivilgesellschaft werden anhand von Länderbeispielen die vielfältigen Methoden erläutert. Akut belastet werde die Arbeit von Brot für die Welt durch verschiedene gesetzgeberische Tricks, die sich gegen Finanzierungshilfen aus dem jeweiligen Ausland richten und die Partnerorganisationen vor Ort zu „ausländischen Agenten“stempeln. Dadurch würden humanitäre Einsätze erschwert oder verhindert. Dass die humanitäre Projektarbeit unter der politisch-publizistischen Menschenrechtsarbeit ihrer Dienststelle leiden würde oder dass gar Spendengelder zweckentfremdet würden, widerlegte die Referentin durch den Hinweis, dass höchstens 15 Prozent der Spenden außerhalb konkreter Projekte eingesetzt werden dürfen.
Eine freie Zivilgesellschaft ist, so das Fazit der Autoren, die Basis für nachhaltige Entwicklung. Sie werben deshalb für eine weltweit vernetzte freie Zivilgesellschaft, jenseits nationaler Egoismen für ein globales Gemeinwohl einsetzt. Für Menschenrechte und bürgerliches Engagement zu arbeiten ist Ausdruck christlicher Weltverantwortung.