Rieser Nachrichten

Das Aquarium glich einem stürmische­n Meer

Der auf Java lebende Nördlinger Martin Eigenrauch schildert die Erlebnisse rund um das heftige Erdbeben

- Martin Eigenrauch

Banyuwangi/Nördlingen Sonntagabe­nd in Banyuwangi, Ostjava: Kurz vor 19 Uhr wird die sonntäglic­he Ruhe jäh unterbroch­en. Die Erde bebt. Erdbeben sind hier ja nichts Neues und sind mehrmals im Jahr zu spüren, aber diesmal wird es richtig heftig. Es fühlt sich an, als befinde sich das Haus in einer Schlingerb­ewegung, das Wasser im Aquarium gleicht einem stürmische­n Meer und ein wenig schwappt über. Der Ruf „Lindu“, javanisch für Erdbeben, ertönt und jetzt heißt es, so schnell wie möglich raus.

Mir scheint, dass es diesmal nicht aufhören will, denn es dauert lange bis das „Schütteln“aufhört. Dazu die Geräusche, die das Mauerwerk von sich gibt. Kaum hat es aufgehört, fängt es wieder leicht an zu beben, und das hält fast eine Stunde lang so an. Wir können nicht alle Nachbeben fühlen, aber zurück im Haus kann man sie an den Wasserbewe­gungen im Aquarium sehen. Dann die Nachricht, dass eine Tsunamiwar­nung herausgege­ben wurde. Inzwischen wissen wir, dass es in Lombok, also zwei Inseln weiter, und mehr als 200 Kilometer entfernt ein schweres Erdbeben gegeben hat. Schon längere Zeit waren im Sundabogen, so wird der Inselbogen, der durch Subduktion (eine ozeanische Platte schiebt sich unter eine kontinenta­le Platte) entstanden ist, verstärkte seismische Aktivitäte­n zu verzeichne­n.

Mehrere Beben hatten sich bereits in der Vergangenh­eit ereignet, und dann eine Woche zuvor hatte es die Insel Lombok zum ersten Mal getroffen. Diesmal dann mit einem Beben der Stärke 7,0. Schnell wird klar, dass es auch die Insel Bali hart getroffen hat. Auch hier sind Häuser eingestürz­t oder beschädigt worden, die Krankenhäu­ser melden eine große Anzahl Verletzter. Der vorsorglic­h ausgelöste Tsunamiala­rm wird zurückgeno­mmen. Uns wird klar, unsere Befürchtun­gen, dass es in Lombok wieder Tote, Verletzte und hohe Schäden gegeben hat, sind Realität geworden. Im Fernsehen sind schrecklic­he Bilder zu sehen. Erleichter­t sind wir erst, als sich alle Angehörige­n, Freunde und Bekannten aus Lombok und Bali gemeldet haben. Hier bei uns in Java ist glückliche­rweise nichts passiert und es sind keine Schäden entstanden.

Inzwischen ist der Alltag in Java und Bali wieder eingekehrt. In Lombok allerdings sind noch immer Rettungste­ams aktiv, die Aufräumarb­eiten haben begonnen. Leider muss nach wie vor mit steigenden Opferzahle­n gerechnet werden, und die Gefahr ist noch nicht vorbei: Geologen sehen durchaus die Möglichkei­t einer Serie von Beben. Dafür spricht auch die momentan hohe Anzahl an Vulkanen mit Warnstatus.

Die Bevölkerun­g Indonesien­s ist sich dessen bewusst, man hat Erfahrunge­n mit diesen Katastroph­en, und hofft natürlich, dass es nicht noch schlimmer kommt, obwohl man hier am pazifische­n Feuerring ständig mit Erdstößen, Tsunamis und Vulkanausb­rüchen rechnen muss. Wir selbst und unsere Nachbarn haben uns schon seit Langem vorbereite­t: Ein Rucksack ist ständig griffberei­t und gepackt mit allen Dingen, die man braucht, wenn man mal wieder aus dem Haus rennen muss.

Indonesien rechnet damit, dass die beiden Erdbeben das sich gerade vom Ausbruch des Vulkans Gunung Agung erholende Tourismusg­ewerbe in Bali und Lombok beeinträch­tigen wird. An den Flughäfen in der Region warten zahlreiche Urlaubsabb­recher darauf, nach Hause fliegen zu können. In den nächsten Tagen wird dann auch die sicherlich beträchtli­che Schadenshö­he feststehen.

Owar früher viele Jahre Heimatverl­eger der Rieser Nach richten. Der 63 Jährige lebt seit sieben Jahren in Indonesien.

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Foto: Syuflana, dpa Ein Erdbeben hat die Häuser vieler An wohner auf Lombok zerstört. Unweit der Insel lebt der Nördlinger Martin Eigen rauch auf Java.

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