Rieser Nachrichten

Wenn der Toiletteng­ang verwehrt wird

Ein 79-Jähriger bittet in einem Supermarkt darum, das Personal-WC benutzen zu dürfen. Er darf nicht – mit unangenehm­en Folgen. Im Internet kocht der Ärger hoch

- VON ULRICH WEIGEL

Sonthofen Hohe Wellen schlägt der Fall eines 79-Jährigen, der wegen plötzliche­r Magen-Darm-Probleme auf die Personalto­ilette eines Discounter­s gehen wollte – aber nicht durfte. Der Senior machte sich auf dem Heimweg in die Hose. Er habe sich mehr oder minder auf allen Vieren heimgeschl­eppt, schildert der Mann aus Sonthofen (Oberallgäu) seine Pein.

Seither diskutiere­n viele Menschen auch im Internet den Fall. Etliche zeigen sich entsetzt über das kundenunfr­eundliche Verhalten. Von „Frechheit“, „Service-Wüste Deutschlan­d“ist die Rede, andere halten das Verhalten der MarktMitar­beiter für „unverschäm­t und respektlos“. Immer wieder fällt die Forderung, mehr Geschäfte sollten eine Toilette anbieten. Andere verweisen darauf, dass es kein Spaß sei, solche Toiletten sauber zu halten. Der Discounter selbst äußerte sich auf Anfrage unserer Redaktion bislang nicht zu dem Vorfall.

Ob Geschäfte und Betriebe Kunden aufs Personalkl­o lassen, sei Entscheidu­ng des Inhabers, sagt dazu Birgit Linke von der Regierung von Schwaben. Das Arbeitsstä­tten-/Arbeitssch­utzrecht verbiete nicht generell, Kunden auf Personalto­iletten zu lassen. Anders kann es sein, wenn ein Betrieb Lebensmitt­el behandelt. Im Lebensmitt­elbereich sind Kundentoil­etten getrennt von denen fürs Personal zu halten, verweist Brigitte Klöpf vom Landratsam­t Oberallgäu auf die EU-Hygienever­ordnung.

In Berlin hat der Senat beschlosse­n, dass Läden mit über 400 Quadratmet­ern Verkaufsfl­äche eine Kundentoil­ette bieten müssen. Sonst werden Baupläne nicht mehr genehmigt. In Einkaufsze­ntren sind auch zentrale WC-Anlagen möglich.

Ist das was für Bayern? Im Bauministe­rium in München erntet die Nachfrage spontan Gelächter: Man sei auf Platz eins der Sommerloch­Themen, sagt eine Sprecherin, bis sie den Ernst der Anfrage erkennt. Bei der später folgenden schriftlic­hen Antwort heißt es, dass sich Bayerns Bauordnung auf Mindestanf­orderungen beschränkt und die Toilettenp­flicht in Verkaufsst­ätten dazu nicht zählt. Die Staatsregi­erung baue lieber Vorschrift­en ab.

In der Gastronomi­e verlieren Toiletten sogar an Bedeutung: Für Lokale und Kioske regelte früher die Gaststätte­nbau-Verordnung die Anzahl nötiger WCs. Doch die Verordnung ist seit Ende 2005 außer Kraft. Vorgaben gibt es noch für „Versammlun­gsstätten“ab 200 Personen. Zumindest bei Gaststätte­n mit über 40 Gastplätze­n können die Bauaufsich­tsbehörden aber einzelfall­bezogen Anforderun­gen stellen – auch zur Ausstattun­g mit Toiletten.

Und an der privaten Haustür? Muss man jemanden auf die eigene Toilette lassen, wenn der an der Haustür klingelt. Nein, erklärt ein Richter. Aber man dürfe.

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Foto: Weigel Manche Geschäfte bieten sogar barriere freie Kundentoil­etten an.

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