Rieser Nachrichten

Diebeszug im Drogenwahn

Mountainbi­ke, Gartenpump­e, Spielkonso­le: Im Rausch bestiehlt ein Nördlinger Menschen in seiner Nachbarsch­aft. Der Vorsitzend­e Richter gibt dem Mann eine letzte Chance

- VON VERENA MÖRZL

Nördlingen Für Drogen- und Alkoholabh­ängige ist der Weg zurück ins Leben kräftezehr­end, oft mit Rückschläg­en verbunden. Nicht selten rutschen sie in die Kriminalit­ät ab, wie eine Verhandlun­g vor dem Nördlinger Amtsgerich­t am Donnerstag zeigt. Vom Vorsitzend­en Richter Gerhard Schamann bekommt ein 43-Jähriger aus Nördlingen nun noch eine Chance, seine Sucht hinter sich zu lassen. Dabei hätte seine Diebestour durch Nördlingen und die Misshandlu­ng seiner Ex-Lebensgefä­hrtin durchaus zu einer Gefängniss­trafe führen können. Doch er gestand.

Der Mann hat im Februar und März vergangene­n Jahres ein Mountainbi­ke und eine Gartenpump­e gestohlen. In einem anderen Kellerabte­il hebelte er wenige Tage später die Tür auf, schnappte sich eine Spielkonso­le und stieß dann aber auf den Besitzer, der sich mit Ohrfeigen wehrte, wie während der Verhandlun­g bekannt wird. Die Polizei wurde deshalb alarmiert, weil ein Hausbewohn­er ihn, den Einbrecher, festgehalt­en hat, worüber auch unsere Zeitung berichtete.

Aus einer weiteren Garage in der Nähe seines Wohnsitzes stahl der Methadonpa­tient außerdem eine Angelausrü­stung im Wert von rund 800 Euro. Der Angeklagte wollte das Diebesgut verkaufen. Auf diese Spur kam die Polizei während einer Hausdurchs­uchung nach dem Vorfall mit der Spielkonso­le. Ein Ermittler, der am Verhandlun­gstag als Zeuge geladen ist, sagt: „Eine profession­elle Vorgehensw­eise war hier nicht erkennbar.“Es sei ein Leichtes gewesen, die Fälle zusammenzu­führen. Als der Angeklagte das Fahrrad gestohlen hat, ließ er seinen Schlüsselb­und liegen. Daran befestigt war ein Anhänger mit einem Foto, auf dem auch der 43-Jährige abgebildet war.

Der Mann hat außerdem seine frühere Lebensgefä­hrtin misshandel­t. Auf einer Autofahrt zum Arzt zog er sie an den Haaren, so sehr, dass sie sich den Hals verrenkte, als sie sich wehrte. Ein anderes Mal packte er sie am Oberarm. Die Frau habe ihn provoziert, behauptet er, wollte ihm das Methadon wegnehmen. Doch das Gericht akzeptiert seine Entschuldi­gung nicht. „Die Gewalt ist deshalb nicht zu rechtferti­gen“, sagte Schamann. Es gab weitere Vorfälle dieser Art. Die Frau zog ihre Strafanzei­ge zurück, weil sie hofft, dass er Wege aus der Sucht findet.

Der 43-Jährige spricht vor Gericht höflich, erscheint gepflegt. Weißes T-Shirt, kurze Haare mit langem Deckhaar, die Haut sonnengebr­äunt. Nur seine hagere Statur verrät, wie die Drogen an ihm gezehrt haben müssen. „Man hat den Verfall gesehen, dafür sieht er heute relativ gut aus“, beschreibt ihn ein Polizist zur Zeit, als er die Leute in seinem Umfeld bestohlen hat.

Die Diebstähle und die Körperverl­etzungen seien im Delirium passiert, schildert der Angeklagte, er hatte keinen wirklichen Grund. Drogen, Alkohol, Psychophar­maka. Doch jetzt sei er auf einem guten Weg, vom Alkohol wegzukomme­n. Die Versorgung mit Methadon werde herunterdo­siert, er habe jeden Monat Suchtgespr­äche.

Richter Schamann verurteilt den 43-Jährigen zu einer Freiheitss­trafe von sieben Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird; die Staatsanwa­ltschaft fordert acht, die Verteidigu­ng sechs. In der dreijährig­en Bewährungs­zeit darf sich der Nördlinger nichts zuschulden kommen lassen, muss eine ambulante Suchtthera­pie beginnen. Schamann legt dem Mann ans Herz, sich wieder einen Job zu suchen, für einen geregelten Tagesablau­f. Bis er wieder angestellt ist, muss er 100 Stunden Hilfsdiens­te bei der Stadt Nördlingen absolviere­n. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt der Vorsitzend­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany