Rieser Nachrichten

Eine Kreuzfahrt, die ist schmutzig

Deutsche Reedereien nehmen den Naturschut­z ernster. Die meisten Riesenschi­ffe bleiben aber Umweltvers­chmutzer

- VON DORINA PASCHER

Augsburg Man stelle sich vor: Eine Million Dieselauto­s fahren durch Venedig. In einer Stadt ohne Autoverkeh­r ist das zwar nicht möglich. Die Abgase der einen Million Pkw bekommen die Bewohner dennoch ab. Das ist der Fall, wenn ein mittelgroß­es Kreuzfahrt­schiff einen Tag im Hafen der Inselstadt liegt, sagt Dietmar Oeliger, Leiter der Verkehrspo­litik im Naturschut­zbund (Nabu). Die Riesendamp­fer stoßen eine Unmenge an Schadstoff­en aus. Aus der frischen Meeresbris­e wird eine stickige Abgaswolke.

Das müsste nicht sein, ist Oeliger der Ansicht. Mittlerwei­le ermögliche die Technik eine umweltfreu­ndlichere Schifffahr­t. In einer aktuellen Studie untersucht­e die Organisati­on, wie umweltschä­dlich die Kreuzfahrt­schiffe der verschiede­nen Reedereien in Deutschlan­d sind. Die beste Bewertung konnte nur ein Schiff erreichen. Die „Aida Nova“ist das erste Urlaubssch­iff, das mit Flüssiggas betrieben wird. Die Reederei belegt den ersten Platz im Umwelt-Ranking.

Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass von den 76 Kreuzfahrt­riesen, die der Nabu untersucht­e, der Großteil Schweröl einsetzt und keine Abgastechn­ik nutzt. „Wie bei Dieselauto­s gibt es für Schiffe auch Partikelfi­lter“, sagt Oeliger. „Da sie aber nicht gesetzlich verpflicht­end sind, setzt sie kaum einer ein.“Lediglich Dampfer von Hapag Lloyd und Tui verwenden Rußpartike­lfilter.

Das drängendst­e Umweltprob­lem im Bereich der Schifffahr­t ist sein Treibstoff: Schweröl. Der darin enthaltene Schwefel verschmutz­t als Schwefeldi­oxid die Luft. Das umweltscho­nendere Flüssiggas erzeuge im Vergleich dazu um 70 Prozent weniger Stickoxide und sei damit wesentlich emissionsä­rmer, sagt der Leiter der Verkehrspo­litik im Naturschut­zbund. Ein weiterer Vorteil sei, dass bei einer Havarie kein giftiges Schweröl ins Meer gerate, das Tiere schädige und Strände verunreini­ge. „Das Flüssiggas verdunstet“, sagt Oeliger.

Das Flüssiggas, LNG genannt, ist dennoch ein fossiler Kraftstoff. Der verkehrspo­litische Leiter des Nabu fordert: „Man könnte das Gas auf Basis erneuerbar­er Energien herstellen.“Doch das sei kein günstiges Verfahren. Bislang scheute der Großteil der Reedereien davor zurück, auf eine umweltfreu­ndlichere Kreuzschif­ffahrt umzustelle­n.

Ein weiteres Problem ist laut Oeliger, dass die Dampfer selbst im Stillstand Umweltvers­chmutzer sind. Um die Stromverso­rgung der Kreuzfahrt-Gäste zu garantiere­n, lässt die Besatzung die Motoren laufen. „Tag und Nacht“, wie Oeliger sagt. Der Energiebed­arf eines Kreuzfahrt­riesen sei mit einer Kleinstadt vergleichb­ar. Nur wenige Schiffe sind für eine Versorgung mit Landstrom gerüstet. Dazu kommt, dass Hamburg als einziger deutsche Hafen eine Landstroma­nlage besitzt.

Für den Leiter der Verkehrspo­litik im Nabu-Bundesverb­and steckt darin ein Widerspruc­h: „Es ist absurd, wenn Diesel-Pkw in Städten verboten werden, aber nebenan tuckern Schiffe vorbei, die genauso viel Dreck verursache­n.“Der Bund Naturschut­z fordert, dass Dampfer ohne Abgasreini­gung ab 2020 deutsche Häfen nicht mehr anfahren dürfen. So sollen die Anwohner vor den gesundheit­sschädlich­en Abgasen geschützt werden.

In Italien ist derweil eine Diskussion entbrannt. Ab 2019 soll den Touristen-Frachtern die Einfahrt über Venedigs San-Marco-Becken verwehrt bleiben. Umweltschü­tzer befürchten, dass die Riesendamp­fer das ökologisch­e Gleichgewi­cht in der Lagune stören.

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Foto: Carmen Jaspersen, dpa Kreuzfahrt­schiffe fahren mit Dieselmoto ren.

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