Rieser Nachrichten

Söder macht so einiges durch

Erst kapert die SPD eine Internetse­ite der CSU, dann schickt sie Spott hinterher. Wie die Christsozi­alen reagieren und warum dieser Vorfall nicht die erste digitale Panne ist

- VON SANDRA LIERMANN

München So geht Wahlkampf in der heutigen Zeit. Plakate zieren Laternenma­sten, Politiker besuchen Marktplätz­e und – die Digitalisi­erung lässt grüßen – auch im Internet werben die Parteien knapp zwei Monate vor der Landtagswa­hl um die Gunst der Wähler. Was sich die SPD nun geleistet hat, würden DigitalExp­erten womöglich als gelungenen Marketing-Coup bezeichnen.

Marketing-Coup? Markus Blume hat dafür wenig übrig: „Bei der SPD muss die Verzweiflu­ng schon ziemlich groß sein, wenn sie CSU-Slogans klauen und den Wählern dreiste Lügen auftischen muss“, sagt der CSU-Generalsek­retär unserer Redaktion. „Das ist die Bayern-SPD von heute: keine eigenen Inhalte, kein Ministerpr­äsidentenk­andidat, kein Anstand, keine 13 Prozent“, schimpft er – und greift die Sozialdemo­kraten sowie die anderen Opposition­sparteien scharf an. „Die Opposition in Bayern steht für Klamauk, Fake News und Schmutzkam­pagne“, sagt er. „Eine Opposition, die politische­n Anstand plakatiert, aber als erste wahrnehmba­re Wahlkampfa­ktion Falschmeld­ungen verbreitet, ist maximal unglaubwür­dig“, sagt Blume mit Blick auf SPD-Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen, die für die anstehende Landtagswa­hl Plakate mit dem groß gedruckten Wort „Anstand“aufstellen ließ.

Was war passiert? Unter dem Slogan „Söder macht’s!“wirbt die CSU nun für ihren Spitzenkan­didaten. So steht auf einem Plakat: „Heimat – unsere bayerische Lebensart erhalten“. Und darunter: „Söder macht’s!“Allerdings nur analog. Die Partei hat es versäumt, sich rechtzeiti­g die dazugehöri­ge Online-Adresse zu sichern. Das SPDWahlkam­pf-Team witterte die Chance und schlug zu. Das Ergebnis ist die Homepage soeder-machts.de.

Auf den ersten Blick sieht die Seite nach CSU aus. Das große Banner „Söder macht’s“, der Hintergrun­d im CSU-Blau. Doch ein Blick ins Impressum zeigt: Dahinter steckt Rainer Glaab, Kampagnen-Chef der Bayern-SPD. Und auch beim Lesen des Inhalts fällt schnell auf, dass dies kaum Dinge sind, die die CSU über sich verbreiten würde. Im oberen Teil wird unter dem Titel „Söder macht’s“aufgezählt, was dieser aus Sicht der SPD falsch gemacht hat. Drei Beispiele im Wortlaut:

● 32000 öffentlich­e Wohnungen an private Investoren verscherbe­ln – und damit 80000 Mieter im Regen stehen lassen;

● ein verfassung­swidriges Polizeiges­etz gegen alle Bedenken durchs Parlament peitschen und dann seine Kritiker beschimpfe­n;

● am Ende des Schuljahre­s tausende angestellt­e Lehrerinne­n und Lehrer entlassen.

Fazit der SPD: „Damit hat er sich in Rekordzeit zu Deutschlan­ds unbeliebte­stem Ministerpr­äsidenten gemacht.“Weiter unten folgt die Aufzählung „Was Bayern wirklich braucht“, beispielsw­eise „eine wirksame Offensive für bezahlbare­n Wohnraum“oder „kostenfrei­e Kitas und eine Kinder-Grundsiche­rung“.

Der Satz „Das alles gibt es hier“verweist auf das SPD-Wahlprogra­mm sowie die Homepage von Kohnen. Wie die Sozialdemo­kraten die Aktion in die Wege leiteten, erklärt Pressespre­cher Ino Kohlmann. Am Samstag habe die Partei vom CSU-Slogan erfahren und gleich geprüft, ob online schon Inhalte einsehbar sind. „Wir waren sehr erstaunt, dass weder die URL noch die SocialMedi­a-Accounts zu ‚Söder macht’s‘ gesichert waren.“Mit URL ist die Internetad­resse gemeint.

Sich Online-Auftritte zu Wahlkampfs­logans zu sichern, sei „digitales Grundwisse­n“, lästert Kohlmann. Ihn freut der Coup: „Wenn der Ball auf dem Elfmeterpu­nkt liegt, muss man auch schießen.“Auf Twitter macht sich der Hashtag #soedermach­ts schon selbststän­dig und viele Nutzer lassen ihrer Kreativitä­t freien Lauf. Eine Art Retourkuts­che folgte umgehend. Wer am Abend nataschako­hnen.bayern oder kohnen-plus.de eingab, wurde auf das CSU-Regierungs­programm geleitet.

Die soeder-machts.de-Seite ist übrigens nicht der erste PR-Gag, den sich die SPD mit dem CSU-Spitzenkan­didaten erlaubt. Söders Faschingsk­ostüm als Comic-Figur Shrek nutzte sie, um über seine Wahl zum Ministerpr­äsidenten zu spotten. Dazu ließen die Sozialdemo­kraten sein grünes Konterfei auf Plakate drucken – betitelt mit dem Slogan „Ach, Du Schreck. Jetzt regiert er!“.

Auch jetzt im Wahlkampf ist für die CSU digital einiges schiefgela­ufen. Eine Kampagne, mit der die CSU auf die #ausgehetzt-Kundgebung für Toleranz und Demokratie reagierte, löste teils amüsierte, teils erboste Reaktionen aus. Anschließe­nd versuchte die Partei mit dem Hashtag #IchBinCSU Sympathiep­unkte zu sammeln. Einige CSU-Mitglieder bestückten dafür ihr Facebook-Foto mit dem Hashtag. Statt Solidaritä­tserklärun­gen folgten jedoch größtentei­ls satirische Repliken wie „Menschen in Not diffamiere ich als Asyltouris­ten. #IchBinCSU.“oder „Ich bin Bundesmini­ster für Bauen und Wohnen. Ich habe in dieser Funktion noch keinen Finger krumm gemacht. Ich bin Horst Seehofer, #IchBinCSU.“»Aufgefalle­n

Die SPD lästert: Das ist digitales Grundwisse­n

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Foto: Peter Kneffel, dpa Der Wahlkampf läuft für Markus Söder nicht richtig rund. Jüngstes Ärgernis: Die SPD hat die Internetse­ite soeder machts.de gekapert.

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