Faustschlag führt vor Gericht
Fasching 2018: Ein 22-jähriger Nördlinger soll während einer Feier Schläge auf der Toilette verteilt haben. Warum Staatsanwältin und Verteidiger auf Freispruch plädieren
Nördlingen Es war wieder einmal der Alkohol, der eine Situation am Rande einer Faschingsveranstaltung im Februar dieses Jahres eskalieren ließ. Die Beteiligten trafen sich jetzt vor dem Nördlinger Amtsgericht. Ein 22-jähriger Nördlinger war wegen Körperverletzung angeklagt. Er soll einen ein Jahr Älteren auf der Toilette der Ederheimer Turnhalle unter Alkoholeinfluss unvermittelt mit zwei Faustschlägen im Gesicht verletzt haben. Der Geschädigte, nach eigenem Bekunden ebenfalls stark angetrunken, erlitt dabei eine Nasenbeinprellung und blutete aus der Nase. Der Angeklagte räumte einen Faustschlag ein, erklärte aber, aus Notwehr gehandelt zu haben, um sich aus einem Würgegriff zu befreien. Letztlich wurde er von Richterin Kathrin Wegele freigesprochen. In der Gesamtbewertung sei eine Körperverletzung nicht explizit nachzuweisen, hieß es in der Urteilsbegründung. Deshalb: in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten.
Die besagte Nacht hat nach Darstellung der Beteiligten recht friedlich begonnen. Vor der Fahrt mit einem Großraumtaxi nach Ederheim hätten sie sich in der Wohnung des Geschädigten zum „Vorglühen“getroffen – ohne besondere Vorkommnisse. Im Taxi ist offensichtlich die Stimmung plötzlich aggressiv geworden. Der Alkohol zeigte seine Wirkung. In den frühen Morgenstunden kam es zur Auseinandersetzung.
Angeklagter wollte den Geschädigten zur Rede stellen
Der Verteidigter des Angeklagten, Rechtsanwalt Bernd Hegendörfer, schildert den Vorfall so: Sein Mandant sei dem Geschädigten auf die Toilette gefolgt, um ihn wegen dessen Verhaltens im Taxi zur Rede zu stellen. Dieser habe den Angeklagten daraufhin völlig unvermittelt an die Wand gedrückt und ihn am Hals gepackt. Um sich aus der misslichen Lage zu befreien, habe sein Mandant dem Angreifer einen Schlag ins Gesicht versetzt – eine Notwehrreaktion also.
Das Opfer räumte ein, sich im Taxi durchaus etwas großspurig verhalten und als „Kampfsportler“ausgegeben zu haben, obwohl dies nicht zutreffe. Aggressiv? Nein, das sei er nicht gewesen. Seine Äußerung habe er vielmehr als „Spaß“verstanden, um bei den Mitfahrern Eindruck zu schinden – mehr nicht. Auf der Toilette in Ederheim habe er „beim Geschäft verrichten“plötzlich einen Schlag von hinten gespürt, sich umgedreht und vom Angeklagten einen weiteren „voll auf die Nase“erhalten.
Staatsanwältin Eremia Palczynska plädierte für Freispruch. Selten habe sie so viel widersprüchliche Aussagen in einem Verfahren erlebt. Kein Zeuge, außer dem Geschädigten, habe den Vorfall selbst beobachtet. Die Hauptverhandlung hinterlasse viele Unklarheiten und Rätsel. Weil der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden könne, sollte der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“gelten.
Nach Ansicht des Nebenklageanwalts Alexander Knief würden hingegen „gewichtige Umstände“für die Täterschaft des Angeklagten sprechen. Unter anderem sei sein Mandant wegen seines stark alkoholisierten Zustandes gar nicht mehr in der Lage gewesen, sich gegen den Angeklagten mit Schlägen zur Wehr zu setzen.
Zudem habe dieser seinen Mandanten tags darauf in einem Telefonat gebeten, den Vorfall nicht der Polizei zu melden, aus Angst, für sein Fehlverhalten belangt zu werden. Knief zeigte sich von der Schuld des Angeklagten überzeugt und forderte eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit eventueller Geldauflage.
Verteidiger Bernd Hegendörfer plädierte analog zur Staatsanwältin auf Freispruch. Er hob nochmals auf die Notwehrsituation des Angeklagten hervor. Nicht nachvollziehbar sei zudem, warum er unvermittelt jemanden angegriffen haben soll, mit dem er noch wenige Stunden vorher freundschaftlich zusammen gewesen sei. Wegen nicht glaubwürdig erwiesener Schuld müsse sein Mandant deshalb freigesprochen werden.