Ein 16-Jähriger will zu den jungen Meistern gehören
Johann Stötzer ist einer von 18 Studenten, die beim internationalen Violinfestival in Oettingen von den Dozenten lernen. Wie er sich auf die Konzerte der jungen Meister vorbereitet
Oettingen Johann Stötzer ist in einer anderen Welt. Er konzentriert sich auf das Heft vor ihm, das auf einem Notenständer liegt. Seine Augen wandern langsam von links nach rechts und wieder zurück. Die Morgensonne steht tief. Sie scheint durch die Fenster des Klassenzimmers des Albrecht-Ernst-Gymnasiums in Oettingen und spiegelt sich auf den Notenblättern wider, das stört Johann Stötzer nicht. Er ist abgetaucht. Der Musiker atmet tief durch, bläst die gesamte Luft aus seinen Lungen und setzt die Violine an sein Kinn. Mit dem Bogen in der rechten Hand streicht Stötzer über die Saiten der Geige. Leise Klänge hallen von den Wänden des Raumes wider. Der 16-Jährige spielt ein Stück von dem französischen Komponisten Camille Saint-Saëns: Introduction et Rondo capriccioso, ein beliebtes Musikstück für Violinisten.
Dann schwingt er den Bogen heftiger. Gehört wird der 16-Jährige noch nicht. Er übt für den Auftritt am Wochenende im Residenzschloss in Oettingen. Er könnte beim Kon- zert der jungen Meister des internationalen Violinfestivals auftreten. Eine große Chance.
Johann Stötzer wohnt in Tübingen und besucht dort nebenbei die zwölfte Klasse eines Gymnasiums. Der 16-Jährige – groß, blondes Haar – ist Jungstudent, also ein Jugendlicher der ein Studium an der Fachhochschule für Musik in München anstrebt. Er trägt Sneakers, eine kurze Jeans und ein dunkelblaues T-Shirt mit einem Logo auf der Brust. Nichts Außergewöhnliches für sein Alter. Seine Leidenschaft allerdings hebt sich ab. An Schultagen übt er bis zu vier Stunden auf seiner Geige, in den Ferien länger. Andere Kinder seines Alters nehmen gerne den Controller der Playstation in die Hände oder feiern an den Wochenenden. Er spielt lieber – diese Woche in Oettingen.
Dort gehört Johann Stötzer zu einer Gruppe von 18 Studenten aus acht Nationen. Sie lernen in der Woche des siebten internationalen Violinfestivals in der Stadt von Hochschulprofessoren und Dozenten. Die exekutive Leiterin der Veranstaltung Lena Dantonello kümmert sich um die Studenten. Sie erhofft sich für die jungen Musiker eine Intensivierung ihrer Fähigkeiten. Im Vorfeld der Veranstaltung hätten die Musiker bereits ein Stück üben sollen, in der Woche können sie dann zusammen mit den Dozenten den Feinschliff vornehmen. „Das nennt man Meisterkurse“, sagt Dantonello. Am Wochenende dürfen manche Teilnehmer ihre Kursfortschritte dann sogar präsentieren.
Daran arbeitet Johann Stötzer mit seiner Violine. Mit fünf Jahren bekam er seine erste Geige geschenkt. „Damals gab es eigentlich noch viel im Haus zu tun. Ich bin dennoch ins Zimmer und habe gespielt“, sagt Stötzer. Musik sei in seiner Familie ohnehin omnipräsent. Seine Mutter spielt Gitarre, einer seiner Brüder studierte Musikwissenschaften, ein anderer Cello. An der Geige faszinieren ihn die verschiedenen Klänge, die er auf dem Instrument erzeugen könne. Damit versetze er sein Publikum gerne in verschiedene Stimmungen, schenke den Zuhörern Erwartungen, um sie im entscheidenden Moment wieder fallen zu lassen. Der Jugendliche stand bereits als Solist vor rund 1000 Menschen auf der Bühne. Ansonsten spielt er oft im Hintergrund bei Veranstaltungen. Organisatoren kämen in vielen Fällen auf ihn zu. „Für eine Gage unter hundert Euro muss ich nicht mehr spielen“, sagt Stötzer. Doch er kennt es anders: Er selbst stand in Fußgängerzonen und unterhielt die Passanten für ein bisschen Kleingeld.
Es ist ein langer Weg bis zur professionellen Karriere. Am Rande des Oettinger Klassenzimmers steht der Laptop des 16-Jährigen. Er filmt sich damit selbst bei den Proben. „Das ist ein guter Weg, um mich zu verbessern“, sagt er. Sich zu Höchstleistungen zu treiben sei wichtig für seinen weiteren Weg nach dem Abitur: Geige studieren – ob in München, im Anschluss an sein Jungstudium, oder in einer anderen Stadt, kann er noch nicht sagen. Dann spielt er wieder auf den Saiten. Denn das ist seine Welt. Termine Die Konzerte der jungen Meister im Rahmen des internationalen Violinfestivals in Oettingen finden am Samstag, 1. September und Sonntag, 2. September, jeweils um 19 Uhr statt. Die Musiker musizieren dann im Residenz schloss in Oettingen.