Rieser Nachrichten

So normal wie möglich

Trotz einer schweren Behinderun­g meistert eine junge Deiningeri­n ihren Alltag mit großem Einsatz. Sie geht zur Arbeit und hat jetzt sogar eine eigene Wohnung bezogen

- VON BERND SCHIED

Deiningen Als Eva Schneller im April dieses Jahres 18 Jahre alt wurde, hat sie ihren Eltern erklärt, dass sie jetzt gerne in eine eigene Wohnung ziehen würde. Für eine junge Frau dieses Alters ist es nichts Ungewöhnli­ches, einen Hausstand gründen und sich von Mutter und Vater ein Stück weit emanzipier­en zu wollen. Umso mehr jedoch für Eva. Seit ihrer Geburt leidet sie an spinaler Muskelatro­phie, wie die Krankheit im Fachjargon heißt. Sie kann dadurch weder laufen noch sitzen und auch nicht selbststän­dig essen oder trinken. Stark eingeschrä­nkt sind zudem die Bewegungen ihrer Hände und Finger. Eva kann sich jedoch artikulier­en. Wer genau hinhört, versteht sie. Im Kopf ist sie völlig klar. Und sie nimmt alles wahr, was um sie herum geschieht.

Nachdem Eva auf der Welt war und wenige Monate später die niederschm­etternde Diagnose feststand, brach für Astrid und Peter Schneller zunächst eine Welt zusammen. Die Ärzte gaben ihrer Tochter eine Überlebens­chance von zwei Jahren. Von diesem Zeitpunkt an war den Eltern klar, dass sich ihr weiteres Leben radikal verändern würde. Es blieb nicht viel Zeit, sich auf die neue Lebenssitu­ation einzustell­en. Schnell wurde deutlich, dass Eva fortan eine umfangreic­he Betreuung rund um die Uhr benötigen würde.

Die ersten Jahre seien die schwierigs­ten gewesen. Eva habe einige schwere gesundheit­liche Krisen überstehen müssen, sagt Peter Schneller rückblicke­nd. Er muss schlucken, wenn er von einer vermeintli­ch ausweglose­n Situation erzählt, in der er und seine Frau in der Klinik darüber entscheide­n mussten, ob die Geräte, an denen Eva zu diesem Zeitpunkt angeschlos­sen war, abgeschalt­et werden sollten. Sie hätten sich klar dagegen entschiede­n. Eva werde es schaffen, glaubten die Eltern. „So war es dann auch, zum Erstaunen der Ärzte.“

Im Laufe der Jahre hat sich Evas zunehmend stabilisie­rt. Der profession­ell arbeitende Pflegedien­st Beate Ziegler aus Schwörshei­m habe in enger Zusammenar­beit mit ihr und ihrem Mann dazu einen wesentlich­en Beitrag geleistet, lobt Astrid Schneller die häusliche Pflege ihrer Tochter. Leider sei inzwischen der Pflegenots­tand zu spüren. „Wir wären froh, wenn unser Pflegedien­st weitere Kräfte für Eva gewinnen könnte.“Ebenso positiv bewertet Astrid Schneller die Zusammenar­beit mit der AOK Donauwörth, die stets viel Verständni­s gezeigt habe.

Mittlerwei­le ist Eva zu einer jungen Frau gereift, die ihr Schicksal angenommen hat und versucht, das Beste daraus zu machen. Ihre körperlich­en Einschränk­ungen hielten sie nicht davon ab, so normal wie möglich leben zu wollen. Sie be- suchte den Kindergart­en und die Schule in ihrem Heimatort. Die Hauptschul­e schloss sie mit der Note 1,3 ab.

Danach wollte sie arbeiten, ausgehen, ihr Leben nicht nur zu Hause verbringen. Seit geraumer Zeit ist Eva Schneller im Deininger Kindergart­en beschäftig­t, stets begleitet von Mitarbeite­rinnen des Pflegedien­stes. Dreieinhal­b Stunden am Tag, 18 Stunden in der Woche ist sie „in der Arbeit“. Auf dem Laptop schreibt sie Listen und Elternbrie­fe oder assistiert den Betreuerin­nen. Die Gemeinde Deiningen hat dafür eigens einen sogenannte­n „Integratio­nsarbeitsp­latz“geschaffen. Fragt man Eva, wie ihr der Job gefällt, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Dass die Kommune der Familie in vielen Belangen entgegen kommt, dafür sind die Schnellers den VerGesundh­eitszustan­d antwortlic­hen sehr dankbar. Auch in ihrer Freizeit will Eva aktiv sein. Die Musikfesti­vals in der Region zu besuchen, steht jedes Jahr ganz oben auf ihrer Wunschlist­e. Freilich sei dies mit relativ viel Aufwand verbunden, sagt Vater Peter. „Aber was soll’s. Das nehmen wir gerne in Kauf.“

Die neue Wohnung, die neben der ihrer Eltern liegt, ist perfekt auf Evas Bedürfniss­e ausgericht­et. Sie fühle sich darin überaus wohl, wie sie auf die entspreche­nde Frage ausdrückli­ch bestätigt. Trotz Behinderun­g eine eigene Wohnung – einfach super.

Eva Schneller ist eine bewunderns­werte junge Frau, die ihr nicht einfaches Schicksal auf ihre eigene Weise meistert und damit auch ein Vorbild für andere Menschen mit Behinderun­g ist.

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Foto: Bernd Schied Eva Schneller leidet seit ihrer Geburt an spinaler Muskelatro­phie. Trotz der schweren Behinderun­g meistert die junge Frau ihren Alltag, geht zur Arbeit und hat nun sogar eine eigene Wohnung bezogen.

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