Zwei Friedhöfe der Gegensätze
In Nördlingen und Wallerstein stellen Heimatforscher die Geschichte von jüdischen Familien aus dem Ries vor
Nördlingen/Wallerstein Unterschiedlicher könnten sie eigentlich nicht sein, die beiden jüdischen Begräbnisstätten. Hier im Stadtgebiet in Nördlingen – relative Ordnung, beinahe schon exakt aufgereihte Grabmäler, dort, weit draußen – vor Wallerstein – teils eine weitgehend freie Fläche, teils ein großes Durcheinander an Grabsteinen.
Hier (in Nördlingen) leider sehr geringes Publikumsinteresse, in Wallerstein bestimmt mehr als 30 Interessierte, die dem schlechten Wetter trotzten. Hier streng nach Osten ausgerichtete Grabstätten, wie überall in der Welt, dort aus unerfindlichen Gründen die Ausrichtung nach Westen. Hier (Nördlingen) eine Mauer drum herum, dort lediglich ein Zaun und eine dichte Hecke. Auch die Führungen selbst unterschieden sich, allerdings nicht in der Qualität: hier Heimatforscher Siegfried Thum, zusammen mit Susanne Faul vom Stadtarchiv, dort Hartmut Steger, der – wie er sagte – „seine bescheidenen Kennnisse zum Thema weitergeben wolle“. Beide „fütterten“ihre Zuhörer mit profundem Detailwissen und referierten derart spannend, dass die veranschlagte Zeit im Prinzip viel zu kurz war. Siegfried Thum konnte viele persönliche, teils ergreifende Familiengeschichten schildern, so zum Beispiel die der Thekla Stoll, die Ende der Zwanzigerjahre nach Amerika ausgewandert war und nur in ihre Heimatstadt Nördlingen zurückkehrte, um ihre Mutter zu pflegen, nachdem diese einen Schlaganfall erlitten hatte. Sowohl die Mutter (deportiert 1943 nach Auschwitz) als auch die Tochter („verschollen im Osten“) überlebten in der Folge den Holocaust nicht. Viele bekannte Namen und vor allem Nördlinger Häusergeschichten schilderte Siegfried Thum, die er mit Abbildungen vor den jeweiligen Grabsteinen illustrierte. Ein überaus interessanter Beitrag zur jüdischen Kultur in Nördlingen, die mehr Besucher verdient hätte.
An Besuchern und an Fakten fehlte es Hartmut Steger in Wallerstein nicht: Der dortige Friedhof ist schon seit 1507 beurkundet und wurde ursprünglich in einem Sumpfgebiet errichtet, was zur Folge hatte, dass in dem weichen Boden sowohl Umfassungsmauer als auch viele Grabsteine selbst im Laufe der Jahrhunderte schlichtweg versanken. Freilich waren auch Verwüstungen (erstmals sogar schon 1927) daran schuld, dass nicht mehr allzu viel erhalten ist von den Grabsteinen selbst. Auch die Nazis leisteten ganze Arbeit, raubten im Dritten Reich viele Grabsteine und pflasterten ihre Höfe damit. Das, was erhalten ist, kann man allerdings nur als eindrucksvoll betrachten, so die fünf zentralen Grabstätten der Rabbiner Weißkopf und Kohn samt Gattinnen und auch die sehr imposante des 1825 in Hainsfarth geborenen Michael Ries (Reese), der nach Amerika ausgewandert war und dort ein Millionenvermögen gemacht hatte.
Die Heimatforscher über zeugten mit Detailwissen
Viele Grabsteine versanken im Sumpf
Bei einem Besuch seiner Mutter in der Wallersteiner Felsengasse starb er an einem Hirnschlag. Sein Grabmal und das seiner Mutter stehen auf dem Friedhof unmittelbar nebeneinander.