Seehofer zögert mit Entscheidung über Maaßen
Bericht zu Hetzjagd-Debatte liegt vor. Neue Vorwürfe gegen Verfassungsschutz
Berlin/München Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, hat geliefert, eine politische Einschätzung seines Berichts über die Vorgänge von Chemnitz steht allerdings noch aus. Damit verzögert sich die Entscheidung, ob der Chef der Bundesbehörde im Amt bleiben kann oder abgelöst wird. Medienberichten zufolge soll Maaßen seine Aussagen zur Echtheit eines Videos zu den Ereignissen in Chemnitz relativiert haben. So erklärte er nach Informationen der Süddeutschen Zeitung im Schreiben an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), das Video sei nicht gefälscht, er sei falsch verstanden worden. Zweifel, so Maaßen dem Bericht zufolge, seien angebracht, ob das Video „authentisch“eine Menschenjagd zeige. Dies habe er mit seiner Kritik gemeint.
Das Bundesinnenministerium bestätigte am Montag, dass der oberste Verfassungsschützer die verlangte Erklärung abgegeben habe. Sie sei auch an das Bundeskanzleramt gegangen. Am Mittwoch sollen auch der Innenausschuss des Bundestages und das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) informiert werden. Seehofer kündigte an, den Bericht in Ruhe bewerten zu wollen. Er werde kein übereiltes Urteil abgeben. „Solche Dinge muss man sorgfältig machen“, sagte der CSUVorsitzende nach einer Parteivorstandssitzung in München.
Nach Maaßens umstrittenen Äußerungen zur Dimension der fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz, die auch im klaren Widerspruch zu Einschätzungen des Kanzleramtes standen, hatte Seehofer Aufklärung verlangt und eine Begründung, auf welche Indizien Maaßen seine am Freitag via BildZeitung publik gemachten Thesen stütze. Maaßen hatte unter anderem gesagt, es lägen seinem Amt keine belastbaren Informationen darüber vor, dass in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten. Es lägen auch keine Belege dafür vor, dass ein im Internet kursierendes Video zu einer angeblichen Hetzjagd authentisch sei. Maaßen sprach sogar von eventuell gezielten Falschinformationen, „um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord abzulenken“.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer bekräftigte ihre Forderung, Maaßen müsse seine Haltung belegen. Mit seiner Aussage, es könne sich um eine gezielte Aktion zur Ablenkung von dem Tötungsdelikt handeln, habe er eine „relativ konkrete Deutung“vorgenommen. „Da kann man erwarten, dass er sie anhand von Fakten belegen kann.“
Vertreter von SPD und FDP verlangten Aufklärung über Vorwürfe, der Verfassungsschutz könnte Informationen an die AfD weitergeben. Der Fragenkatalog an Maaßen vor den Sitzungen von Innenausschuss und PKGr werde „auf jeden Fall nicht kürzer“, sagte SPD-Innenexperte Burkhard Lischka dem Handelsblatt. FDP-Innenexperte Benjamin Strasser sagte, sollte sich bestätigen, dass Geheimdienst-Informationen an die AfD weitergegeben wurden, müsse Maaßen sein Amt zur Verfügung zu stellen.
Nach Angaben der Zeitung besteht der Verdacht, dass es mit Blick auf die AfD „undichte Stellen“in den Sicherheitsbehörden, insbesondere dem Bundesamt für Verfassungsschutz, gebe. In einigen Landesverfassungsschutzämtern sorge man sich, dass dort gesammelte Informationen und etwaige Einschätzungen über die AfD „ihren Weg in die Öffentlichkeit oder direkt in die Hände der AfD finden“. Dazu der Kommentar.
„Solche Dinge muss man sorgfältig machen.“Bundesinnenminister Horst Seehofer