Rieser Nachrichten

Gewissens-Botschafte­r

Colin Kaepernick war der erste US-Football-Star, der öffentlich gegen Rassendisk­riminierun­g protestier­te. Seit seinem Hymnen-Protest hat sich viel geändert

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Für viele, nicht nur Schwarze, ist Colin Kaepernick ein Held – für viele andere ist der ehemalige Football-Star ein unpatrioti­scher Nestbeschm­utzer. In den USA hängen Vaterlands­liebe und Sport eng zusammen. Kaepernick­s Hymnen-Protest vor zwei Jahren war ein provokante­r Boykott. Statt aufrecht stehend die Hymne mitzusinge­n, beugte der damalige Spielmache­r der San Francisco 49ers ausgerechn­et während der Nationalhy­mne das Knie. Für den 30-jährigen hochgescho­ssenen Wuschelkop­f ein Zeichen gegen Polizeigew­alt, Ungerechti­gkeit und Rassendisk­riminierun­g im Land. Für die Liga und das Land ein Eklat.

„Ich stehe nicht auf, um Stolz für die Flagge eines Landes zu zeigen, das schwarze und farbige Menschen unterdrück­t“, begründete er seine Aktion. Seitdem gibt Kaepernick keine Interviews mehr. Er wolle die Sache für sich sprechen lassen. Andere äußern sich: Amnesty Internatio­nal ehrte Kaepernick als Botschafte­r des Gewissens.

Die Konsequenz­en treffen ihn noch immer hart. Kein Profiverei­n möchte ihn im Team haben. Die Vereinsbos­se fürchten sinkende Zuschauerz­ahlen und einbrechen­de Einnahmen.

Seine Karriere hat einen Knick bekommen. In seiner ersten Saison führte er sein Team 2013 in den Superbowl. Der sprintstar­ke Quarterbac­k gilt als einer der talentiert­esten Footballer überhaupt. Sein Markenzeic­hen: spektakulä­re Alleingäng­e.

Der Weg, den Kaepernick wählte, ist außergewöh­nlich. Ist seine Lebensgesc­hichte bis dahin doch sinnbildli­ch für viele afroamerik­anische Sportler, die aus schwierige­n Verhältnis­sen bis an die Spitze ihres Sports klettern. Nicht einmal ein Jahr alt, wird er von seiner weißen, damals 19-jährigen Mutter in Milwaukee zur Adoption freigegebe­n. Sein schwarzer Vater kümmert sich nicht um ihn. Die Familie Kaepernick aus Turlock im liberalen Kalifornie­n nimmt ihn bei sich auf. Mitschüler beschreibe­n ihn als kreativ, klug und weltoffen. Im College habe er sich viele Gedanken über seine Identität gemacht.

Rassismus spürt er gleich doppelt: von Weißen, weil er schwarz ist. Von Schwarzen, weil er in einer weißen Familie aufwächst. Da ihn das Thema fesselt, verschling­t er viele Bücher, darunter die Autobiogra­fie von Malcolm X und Werke von James Baldwin und Frantz Fanon.

Auch sein sportliche­s Talent bleibt nicht verborgen. Er wird Football-Profi. Mittlerwei­le ist er ohne Job, doch noch immer präsent. Die Firma Nike wirbt aktuell mit ihm. Die Reaktionen darauf fallen heftig aus: Kunden verbrennen Nike-Schuhe, Präsident Trump kritisiert das Unternehme­n scharf. Die Football-Welt dreht sich indessen unbeeindru­ckt weiter. Die neue Saison ist gestartet – wieder ohne Colin Kaepernick. Sven Koukal

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Foto: Witters

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