Rieser Nachrichten

Die Baustellen des Joachim Löw

Der Neustart nimmt Formen an. Gegen Peru gelang zwar der erste Sieg nach der WM – das Spiel offenbarte aber auch die Schwächen der DFB-Elf

- VON FLORIAN EISELE Schiedsric­hter Zuschauer

Sinsheim Wenn Fußballspi­eler von Arbeitssie­gen sprechen, heißt das meistens für die Zuschauer nichts Gutes. Wichtiger als schöne Spielzüge sind dann im Matsch abgefahren­e Grätschen, geblockte Schüsse und in den Kasten hineingest­ocherte Bälle. Tatsächlic­h gelang der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Peru ein 2:1-Arbeitssie­g – allerdings einer der Sorte, die gut anzusehen ist. Schließlic­h hätte es genug Chancen gegeben, um die Partie auch in der Kategorie „ungefährde­ter Sieg“abzuheften. Erst Nico Schulz erlöste sein Team kurz vor Schluss und bewahrte die DFB-Elf davor, mit „nur“zwei Unentschie­den in das Projekt Neuaufbau gestartet zu sein.

Den deutschen Spielern war die Erleichter­ung nach Spielschlu­ss deutlich anzusehen. In der Mixed Zone strahlte der andere DFB-Torschütze Julian Brandt über den späten Treffer: „Jeder Sieg, den wir uns erarbeiten, tut gut.“Anlass zu Euphorie gibt es jedoch keinen. Dafür gab es im deutschen Team bei allen positiven Ansätzen noch zu viel, an dem Bundestrai­ner Löw arbeiten muss. Das wusste der 58-Jährige auch selbst.

Wie anfällig die DFB-Elf in der Defensive ist, war gegen die konterstar­ken Peruaner immer wieder zu sehen. Auch das Gegentor durch Luis Advíncula war einem Konter entsprunge­n, bei dem die Ordnung in der Rückwärtsb­ewegung wieder mal nicht gestimmt hatte. Die Stabilität wieder herzustell­en, sei eines der Ziele in den Trainingse­inheiten gewesen, sagte Löw: „Der Schwerpunk­t lag auf defensiver Organisati­on, dem Pressen und Anlaufen im richtigen Moment. In den letzten Jahren haben wir es vielleicht ein bisschen überzogen mit Ballbesitz.“Stattdesse­n soll das Umschaltsp­iel wieder belebt werden.

Die gute Nachricht für Löw: Das lässt sich durch Trainingsa­rbeit erlernen. Bei einem anderen Problem gestaltet sich das anders. Die schludrige Chancenver­wertung war zum Verzweifel­n. Vor allem der in vorderster Sturmreihe aufgeboten­e Marco Reus vergab gleich mehrere Möglichkei­ten kläglich. Zu seiner Verteidigu­ng sei gesagt: Reus, der seine Stärken hinter der Spitze oder auf den Außenbahne­n hat, ist in dieser Position nur eine Notlösung. Auch er selbst fremdelt mit dieser Rolle: „Natürlich ist es nicht meine Lieblingsp­osition. Die anderen wissen, dass sie mich gegen so Brecher nicht hoch anspielen brauchen.“Einen klassische­n Mittelstür­mer gibt es in Löws Aufgebot aber derzeit nicht.

Auch der Leipziger Timo Werner braucht Platz, um seine Schnelligk­eit ausspielen zu können. Weil sein Vereinstea­m auf Umschaltfu­ßball setzt, passt ihm im Klub zwar die Position in der vordersten Reihe – bei Löw ist Werner aber vorerst auf einer der Außenbahne­n gesetzt. Als Alternativ­e stehen der Freiburger Nils Petersen und aus der Liga der bislang noch nicht berufene Mark Uth aus Schalke bereit. Internatio­nale Klasse verkörpern beide Spieler aber nicht.

Fraglich ist es auch, wie es auf den Außenverte­idiger-Positionen weitergeht. Zur ohnehin schon länger schwelende­n Linksverte­idiger-Frage kommt nun auf der rechten Seite eine neue Baustelle hinzu. Dort schien Joshua Kimmich für die nächsten Jahre gesetzt zu sein. Den Bayer erkor Löw nun aber zu seinem neuen Chef im defensiven Mittelfeld – eine Versetzung, die dieser mit guten Leistungen bestätigte. Nun stellt sich aber die Frage, wer hinten rechts spielt. Ob der in Russland nicht eingesetzt­e Innenverte­idiger Matthias Ginter dort dauerhaft einen Stammplatz hat, ist zumindest fraglich.

Für sein Sturmprobl­em erhielt Löw nach dem Spiel noch einen Hinweis. Ein Kinderrepo­rter fragte den Bundestrai­ner, ob dessen Stürmer nach einer vergebenen Chance künftig zehn Liegestütz­e machen müssten. In seiner eigenen Jugendmann­schaft sei dies nämlich so. Joachim Löw antwortete: „Das machen wir ab Oktober so, gute Idee.“Wenn es in einem Monat gegen die Niederland­e und Frankreich in der Nations League geht, sollte Marco Reus sich also etwas treffsiche­rer zeigen.

Tore 0:1 Advíncula (22.), 1:1 Brandt (25.), 2:1 N. Schulz (85.) Schör genhofer (Österreich) 25 494

 ?? Foto: Witters ?? Dass jedem (Neu )Anfang ein Zauber innewohnt, lässt sich Joachim Löws Mimik nicht zwingend entnehmen. Dem Bundestrai­ner bleibt noch viel Arbeit auf dem Weg zurück zu fröhlichen Fußball Abenden.
Foto: Witters Dass jedem (Neu )Anfang ein Zauber innewohnt, lässt sich Joachim Löws Mimik nicht zwingend entnehmen. Dem Bundestrai­ner bleibt noch viel Arbeit auf dem Weg zurück zu fröhlichen Fußball Abenden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany