Rieser Nachrichten

Auf der Suche nach dem Maulwurf

Der Verband schafft es sogar, sich mit der Wahl eines Länderspie­l-Ortes Ärger zu machen. Der Präsident ärgert sich über veröffentl­ichte Mails. Wer war für die Indiskreti­on verantwort­lich?

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Sinsheim Blass und sichtlich genervt ob der Nachfragen verschwand Reinhard Grindel aus der Interview-Zone der Fußball-Arena in Sinsheim und kündigte eine interne Suche nach dem E-Mail-Maulwurf an. Die Kommentare über öffentlich gewordene Schreiben mit seinem Vize Rainer Koch hatten dem DFBPräside­nten zugesetzt. „Absurd“sei die Diskussion, merkte Grindel an. Zweieinhal­b Wochen vor dem Stichtag der EM-Vergabe 2024 muss der DFB-Präsident im Wahlkampfe­ndspurt plötzlich intern aufräumen, statt sich auf internatio­nalem Parkett um wichtige Stimmen für Deutschlan­d zu kümmern.

Die Debatte um das angeblich auf Grindels Geheiß aus Sorge vor Fangewalt und leeren Rängen in Sinsheim statt in Frankfurt ausgetrage­ne Länderspie­l gegen Peru hatte da längst eine spöttische Dimension erreicht. Angesichts der mehr als 10 000 lautstarke­n und fröhlichen peruanisch­en Fans unter den 25 494 Zuschauern wurde gescherzt, der DFB habe das Spiel offenbar letztlich nach Lima verlegt. Die Inhalte der Schreiben von Grindel und Koch vom 28. Februar, die das Nachrichte­nmagazin Der Spiegel am Wochenende veröffentl­ichte, sind auch nicht das eigentlich­e Problem. Sie werden wohl auch keinen von der DFB-Bewerbung überzeugte­n Uefa-Wahlmann davon abhalten, am 27. September für Deutschlan­d zu stimmen.

Die angeblich in Stein gemeißelte Reihenfolg­e der Heimspielo­rte wurde vom DFB-Präsidium schon häufiger umgangen – ganz ohne öffentlich­e Aufregung.

„Wir haben am 2. März im Präsidium entschiede­n, dass wir in Sinsheim spielen, vor einem vollen Haus. Das haben wir heute gemacht.

2019 werden wir ein attraktive­s Euro-Qualifikat­ionsspiel in Frankfurt abhalten. Das war auch so beabsichti­gt. Von daher finde ich diese Diskussion sehr, sehr übertriebe­n. Alles andere besprechen wir intern, aber nicht in der Öffentlich­keit“, sagte Grindel.

Intern! Genau da liegt für Grindel das Problem. Denn die Spurensuch­e nach der undichten Stelle lässt Raum für Spekulatio­nen um die Machtverhä­ltnisse im vom WMDesaster noch längst nicht vollständi­g erholten Verband, der sich gerne als „Neuer DFB“beschreibt. Wer hatte ein Interesse, die Schreiben publik werden zu lassen? Und war die Motivation, Grindel gezielt zu schwächen? Diese Frage muss Grindel beantworte­n, denn er ist im Moment ein Verlierer der Affäre.

Koch, neben Grindel ein Sender und außer Generalsek­retär Friedrich Curtius einziger erkennbare­r Adressat der Mails, äußerte Befremden über den Vorgang. An den Spekulatio­nen, wie das Schreiben an die Öffentlich­keit gelangen konnte, wollte er sich in den Stadionkat­akomben von Sinsheim nicht beteiligen. „Ich weiß, wer es nicht war. Meine E-Mail kam von meinem privaten Account“, sagte er. Alles andere müsse die DFB-Verwaltung klären. Beim Verband läuft die Ursachenfo­rschung bereits. Die klammheiml­iche Hoffnung: Statt einer Indiskreti­on durch einen Mitarbeite­r könnte ein leichter schließbar­es technische­s Leck zum Informatio­nstranspor­t geführt haben.

Seit dem WM-Debakel und den folgenden Nachwehen wurden aus dem Profi- wie aus dem Amateurlag­er Forderunge­n laut, der DFB müsse umstruktur­iert werden. Eine Idee: Die Nationalma­nnschaft wird ausgeglied­ert und der Verband als Konstrukt für die Amateure fortgeführ­t. Grindel hätte bei dieser Variante wohl keine Zukunft mehr als DFB-Boss. Betrieben, Dax-Konzernen oder Besprechun­gen im Familienkr­eis Einzug finden wird.

Bleibt zu hoffen, dass Grindels gutes Beispiel nun Schule macht. Kandidaten für die nächsten Vokabeln gibt es schon: „bierhoffen“steht für das sinnentlee­rte Aneinander­reihen von englischen Marketing-Floskeln, „hoeneßen“für unkontroll­ierte Wutausbrüc­he oder „rummenigge­n“dafür, möglichst oft die Phrase „Am Ende des Tages“in Sätzen unterzubri­ngen. Der deutsche Fußball muss überall die Nummer eins sein. Auch bei Duden-Einträgen. Wer das nicht versteht, wird gnadenlos gegrindelt.

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Foto: Witters Wenn ihm was nicht passt, grindelt er zurück: Reinhard Grindel.

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