Plastikmüll kommt nicht immer von hier
Verunstaltete Meere, Plastik im Wasser – doch wie läuft es in der Region beim Umgang mit alten Kunststoffen? Das erklärt Gerhard Wiedemann vom AWV
Donauwörth Igitt. Die Bilder erzeugen Betroffenheit und schlechte Laune. Zudem bescheren sie einem ein mehr als gedämpftes Einkaufsvergnügen: Plastikteppiche auf den Weltmeeren, Mikroplastik im Wasser, Kunststoffe in Fischmägen. Diese Bilder suggerieren auch: Der Konsument, allem voran jener in den westlichen Industrieländern, er sei allein an allem schuld. Dem widerspricht ein Experte aus der Region entschieden.
Gerhard Wiedemann ist Werkleiter des Abfallwirtschaftsverbands Nordschwaben (AWV), der seinen Sitz in Donauwörth hat. Er kennt die Berichte und die erschreckenden Bilder von mit Kunststoff vermüllten Meeren. Die Fotos seien zwar nicht gefälscht, doch sie legten, so Wiedemann, teils eine falsche Vermutung nahe. Etwa die, dass vor allem in Ländern wie Deutschland der Müll erzeugt werde, der die ärmeren Weltregionen überschwemme.
„Kunststoff ist dann ein Problem, wenn er nicht gesammelt wird“, erklärt der Diplom-Ingenieur. Ob Kunststoffe gänzlich recycelt oder verbrannt würden – die Hauptsache sei, dass sie nicht in den biologischen Stoffkreislauf gelangten. Das Kernproblem sei der Eintrag des Kunststoffmülls über große Flüsse in Schwellen- und Drittweltstaaten, allem voran im asiatischen Raum. In Deutschland hingegen sei dieses Hineingelangen in den biologischen Kreislauf „quasi auszuschließen“, so Wiedemann. „Wenn man einmal in Asien war, dann erkennt man schnell, dass dort in vielen Ländern die Abfallsammlung nicht funktioniert.“Vor einigen Jahren habe er, so berichtet Widemann weiter, den Umgang mit dem Müll in Vietnam beobachten können. Die Straßen würden dort zumeist in Talgebieten gebaut, der Müll liege an deren Rändern. Heftige Regengüsse spülten schließlich regelmäßig sämtliche Abfälle in das Meer. Die Straße gelte dann als sauber.
Beispiel zwei: Jordanien. Hier hat als Experte im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums die Chancen für ein funktionierendes Abfallsystem ausgelotet (wir berichteten). Zum Großteil fällt seine Bestandsaufnahme ernüchternd aus. „Die Gebiete, wo Müll einfach so in großen Mengen herumliegt, ist dort von den Deponien gar nicht zu unterscheiden“, sagt Wiedemann und er fasst zusammen: „Abfall stellt dort keinen Wert dar, um den man sich kümmern müsste. Es gibt niemanden, der sich darum kümmert.“Der Verwaltung sei das oftmals bewusst, doch entgegnen dort die Verantwortlichen, dass schlicht die Mittel fehlten.
Man habe aufgrund hoher Flüchtlingszahlen aus den benachbarten Krisenregionen und erhebli- chen ökonomischen Schwierigkeiten scheinbar drängendere Probleme. Wiedemann setzt seine Hoffnung in gebildete junge Menschen sowie regionale Kooperationen zwischen Erst- und Drittweltstaaten, beziehungsweise Schwellenländern.
Diese seien freilich nötig, weil das Resultat von Umweltverschmutzung eben keine Grenzen kennt, schon gar nicht auf den Meeren. Was die Hoffnungen leider immer wieder mal zurückwerfe, das sei die allzu oft grassierende Korruption in vielen Staaten sowie eine überbordende Bürokratie. Aufgrund dieser Erfahrungen von andernorts und dagegen jener aus dem Müll-Sammelland Deutschland hält Wiedemann die reine Selbstbezichtigung hierzulande für mehr als übertrieWiedemann ben: „Für die Verteilung von Mikroplastik im Weltmeer können die Deutschen nichts.“Auch in der Region zahle sich das Sammeln aus – „die meisten Menschen hier sorgen dafür, dass Kunststoff eben nicht in den biologischen Stoffkreislauf eindringt.“Ein Problem sei es, allerdings ein bislang eher kleines, wenn Menschen Kunststoffe über die Kanalisation entsorgen – sprich: über die Toilettenspülung.
Was im Bereich des AWV, aber auch überhaupt in Deutschland, bei der Wiederverwertung mit am besten funktioniere, das sei das Glasrecycling: „Hier haben wir Superquoten.“Auch das Papier-, Metall- und Holzrecycling laufe gut. Kunststoff sei freilich schwieriger wiederzuverwerten, gibt der Ingenieur zu. Die Zahlen des AWV lesen sich hierzu wie folgt: 40 Prozent des Kunststoffmülls wird verbrannt. 30 Prozent wird „energetisch“verwertet – das heißt, der Kunststoff wird in „Flakes“(Flocken) umgewandelt und beispielsweise als Brennstoff verwendet, welcher in der Zementindustrie die Steinkohle ersetzen kann. Die restlichen bislang 30 Prozent werden direkt recycelt: So wird aus einer PE-Plastikflasche Granulat, aus welcher erneut ein Kunststoffbecher werden kann. Indes sei die Menge an Kunststoffmüll in den vergangenen Jahren zwar tatsächlich deutschlandweit um fast das doppelte gestiegen (von 1,6 Millionen im Jahr 1991 auf 3 Millionen Tonnen 2015) – doch der Kunststoffmüll mache unter 18 Millionen Tonnen Gesamt-Verpackungsmüll eben nicht den Großteil aus. Im nordschwäbischen Gebiet des AWV entsorge man pro Jahr 5000 Tonnen Verpackungen aus dem Gelben Sack. Wiedemann mag nichts beschönigen und schon gar nicht, dass Verpackungsmüll im Sinne der Nachhaltigkeit, wo es geht, vermieden werden sollte, doch er will eben auch nicht dramatisieren, was das Abfallsystem in Deutschland und der Region angeht. Neue, strengere Regelungen zum Verpackungsmüll begrüßt er gar als vorbildhaft.
Einer weiteren Annahme in der Öffentlichkeit steuert Wiedemann ebenfalls entschieden entgegen. Nämlich, dass Müll aus Deutschland nach Afrika oder andere ärmere Gebiete verschifft werde. Für die Region stimme das nicht. Der AWV müsse zwar Entsorgungen grundsätzlich europaweit ausschreiben, der Weg des Mülls werde jedoch überwacht und auditiert, etwa bei Elektrogräten. Diese werden in einem Betrieb bei Landshut verwertet, Kühlgeräte im Bereich Günzburg. Freilich, sagt Wiedemann, es möge in der Branche andernorts einige schwarze Schafe geben – bei den regionalen und lokalen Abfallbetrieben in öffentlicher Hand in Deutschland könne er sich das kaum vorstellen.