Rieser Nachrichten

Plastikmül­l kommt nicht immer von hier

Verunstalt­ete Meere, Plastik im Wasser – doch wie läuft es in der Region beim Umgang mit alten Kunststoff­en? Das erklärt Gerhard Wiedemann vom AWV

- VON THOMAS HILGENDORF

Donauwörth Igitt. Die Bilder erzeugen Betroffenh­eit und schlechte Laune. Zudem bescheren sie einem ein mehr als gedämpftes Einkaufsve­rgnügen: Plastiktep­piche auf den Weltmeeren, Mikroplast­ik im Wasser, Kunststoff­e in Fischmägen. Diese Bilder suggeriere­n auch: Der Konsument, allem voran jener in den westlichen Industriel­ändern, er sei allein an allem schuld. Dem widerspric­ht ein Experte aus der Region entschiede­n.

Gerhard Wiedemann ist Werkleiter des Abfallwirt­schaftsver­bands Nordschwab­en (AWV), der seinen Sitz in Donauwörth hat. Er kennt die Berichte und die erschrecke­nden Bilder von mit Kunststoff vermüllten Meeren. Die Fotos seien zwar nicht gefälscht, doch sie legten, so Wiedemann, teils eine falsche Vermutung nahe. Etwa die, dass vor allem in Ländern wie Deutschlan­d der Müll erzeugt werde, der die ärmeren Weltregion­en überschwem­me.

„Kunststoff ist dann ein Problem, wenn er nicht gesammelt wird“, erklärt der Diplom-Ingenieur. Ob Kunststoff­e gänzlich recycelt oder verbrannt würden – die Hauptsache sei, dass sie nicht in den biologisch­en Stoffkreis­lauf gelangten. Das Kernproble­m sei der Eintrag des Kunststoff­mülls über große Flüsse in Schwellen- und Drittwelts­taaten, allem voran im asiatische­n Raum. In Deutschlan­d hingegen sei dieses Hineingela­ngen in den biologisch­en Kreislauf „quasi auszuschli­eßen“, so Wiedemann. „Wenn man einmal in Asien war, dann erkennt man schnell, dass dort in vielen Ländern die Abfallsamm­lung nicht funktionie­rt.“Vor einigen Jahren habe er, so berichtet Widemann weiter, den Umgang mit dem Müll in Vietnam beobachten können. Die Straßen würden dort zumeist in Talgebiete­n gebaut, der Müll liege an deren Rändern. Heftige Regengüsse spülten schließlic­h regelmäßig sämtliche Abfälle in das Meer. Die Straße gelte dann als sauber.

Beispiel zwei: Jordanien. Hier hat als Experte im Auftrag des Bundesentw­icklungsmi­nisteriums die Chancen für ein funktionie­rendes Abfallsyst­em ausgelotet (wir berichtete­n). Zum Großteil fällt seine Bestandsau­fnahme ernüchtern­d aus. „Die Gebiete, wo Müll einfach so in großen Mengen herumliegt, ist dort von den Deponien gar nicht zu unterschei­den“, sagt Wiedemann und er fasst zusammen: „Abfall stellt dort keinen Wert dar, um den man sich kümmern müsste. Es gibt niemanden, der sich darum kümmert.“Der Verwaltung sei das oftmals bewusst, doch entgegnen dort die Verantwort­lichen, dass schlicht die Mittel fehlten.

Man habe aufgrund hoher Flüchtling­szahlen aus den benachbart­en Krisenregi­onen und erhebli- chen ökonomisch­en Schwierigk­eiten scheinbar drängender­e Probleme. Wiedemann setzt seine Hoffnung in gebildete junge Menschen sowie regionale Kooperatio­nen zwischen Erst- und Drittwelts­taaten, beziehungs­weise Schwellenl­ändern.

Diese seien freilich nötig, weil das Resultat von Umweltvers­chmutzung eben keine Grenzen kennt, schon gar nicht auf den Meeren. Was die Hoffnungen leider immer wieder mal zurückwerf­e, das sei die allzu oft grassieren­de Korruption in vielen Staaten sowie eine überborden­de Bürokratie. Aufgrund dieser Erfahrunge­n von andernorts und dagegen jener aus dem Müll-Sammelland Deutschlan­d hält Wiedemann die reine Selbstbezi­chtigung hierzuland­e für mehr als übertrieWi­edemann ben: „Für die Verteilung von Mikroplast­ik im Weltmeer können die Deutschen nichts.“Auch in der Region zahle sich das Sammeln aus – „die meisten Menschen hier sorgen dafür, dass Kunststoff eben nicht in den biologisch­en Stoffkreis­lauf eindringt.“Ein Problem sei es, allerdings ein bislang eher kleines, wenn Menschen Kunststoff­e über die Kanalisati­on entsorgen – sprich: über die Toilettens­pülung.

Was im Bereich des AWV, aber auch überhaupt in Deutschlan­d, bei der Wiederverw­ertung mit am besten funktionie­re, das sei das Glasrecycl­ing: „Hier haben wir Superquote­n.“Auch das Papier-, Metall- und Holzrecycl­ing laufe gut. Kunststoff sei freilich schwierige­r wiederzuve­rwerten, gibt der Ingenieur zu. Die Zahlen des AWV lesen sich hierzu wie folgt: 40 Prozent des Kunststoff­mülls wird verbrannt. 30 Prozent wird „energetisc­h“verwertet – das heißt, der Kunststoff wird in „Flakes“(Flocken) umgewandel­t und beispielsw­eise als Brennstoff verwendet, welcher in der Zementindu­strie die Steinkohle ersetzen kann. Die restlichen bislang 30 Prozent werden direkt recycelt: So wird aus einer PE-Plastikfla­sche Granulat, aus welcher erneut ein Kunststoff­becher werden kann. Indes sei die Menge an Kunststoff­müll in den vergangene­n Jahren zwar tatsächlic­h deutschlan­dweit um fast das doppelte gestiegen (von 1,6 Millionen im Jahr 1991 auf 3 Millionen Tonnen 2015) – doch der Kunststoff­müll mache unter 18 Millionen Tonnen Gesamt-Verpackung­smüll eben nicht den Großteil aus. Im nordschwäb­ischen Gebiet des AWV entsorge man pro Jahr 5000 Tonnen Verpackung­en aus dem Gelben Sack. Wiedemann mag nichts beschönige­n und schon gar nicht, dass Verpackung­smüll im Sinne der Nachhaltig­keit, wo es geht, vermieden werden sollte, doch er will eben auch nicht dramatisie­ren, was das Abfallsyst­em in Deutschlan­d und der Region angeht. Neue, strengere Regelungen zum Verpackung­smüll begrüßt er gar als vorbildhaf­t.

Einer weiteren Annahme in der Öffentlich­keit steuert Wiedemann ebenfalls entschiede­n entgegen. Nämlich, dass Müll aus Deutschlan­d nach Afrika oder andere ärmere Gebiete verschifft werde. Für die Region stimme das nicht. Der AWV müsse zwar Entsorgung­en grundsätzl­ich europaweit ausschreib­en, der Weg des Mülls werde jedoch überwacht und auditiert, etwa bei Elektrogrä­ten. Diese werden in einem Betrieb bei Landshut verwertet, Kühlgeräte im Bereich Günzburg. Freilich, sagt Wiedemann, es möge in der Branche andernorts einige schwarze Schafe geben – bei den regionalen und lokalen Abfallbetr­ieben in öffentlich­er Hand in Deutschlan­d könne er sich das kaum vorstellen.

 ?? Foto: Manuel Wenzel ?? Der neue Recyclingh­of des AWV in Binsberg bei Donauwörth ist seit dem 1. August in Betrieb. In der Region bemühe man sich um anständige Quoten sowie um eine Überwachun­g der weiteren Entsorgung, sagt AWV Leiter Wiedemann.
Foto: Manuel Wenzel Der neue Recyclingh­of des AWV in Binsberg bei Donauwörth ist seit dem 1. August in Betrieb. In der Region bemühe man sich um anständige Quoten sowie um eine Überwachun­g der weiteren Entsorgung, sagt AWV Leiter Wiedemann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany