Rieser Nachrichten

Wie Bob der Baumeister

In kleinen Vereinen und mit dünnen Spielerkad­ern versuchen drei engagierte Trainer, den richtigen Weg zu finden. Dabei spielt auch ein Asylbewerb­er eine wichtige Rolle

- VON ROBERT MILDE Mönchsdegg­ingen/Nähermemmi­n gen

Die „Elf der Woche“ist eine beliebte Online-Aktion unserer Fußball-Plattform fupa.net. Die Vereine stimmen dabei darüber ab, welche Amateurkic­ker ihrer Meinung nach am vorangegan­genen Spieltag herausrage­nde Leistungen gezeigt haben. In der A-Klasse Nord erfuhren im Laufe dieser Woche je drei Akteure des TSV Mönchsdegg­ingen (Joachim Ensslin, Stefan Maier, Christian Turzer) und des SC Nähermemmi­ngen-Baldingen (Stefan Keller, Erik Faaß, Daniel Agyemang) diese ehrenvolle Nominierun­g. Sechs von elf, das ist schon eine Hausnummer.

So nett die Wertschätz­ung einzelner Spieler auch sein mag, so viel wichtiger ist aus der Sicht der verantwort­lichen Übungsleit­er ein funktionie­rendes Kollektiv. Das sieht auch Thorsten Vogelgsang, neuer Trainer des aktuellen A-Klassen-Primus’ TSV Mönchsdegg­ingen so. Seit er beruflich aus dem Münchner Kultusmini­sterium in die Nördlinger Bauverwalt­ung zurückgeke­hrt ist, zeichnet das TSV-Urgestein (sämtliche Jugendmann­schaften durchlaufe­n, 450 Seniorensp­iele) als Nachfolger von Vater und Sohn Münnich für die beiden Aktiventea­ms verantwort­lich. Und das durchaus mit Erfolg: Fünf der sieben Spiele wurden gewonnen, nur gegen den Ries-Rivalen SC Nähermemmi­ngen-Baldingen gab es eine 0:4-Niederlage. „Das war allerdings auch der bislang stärkste Gegner“, räumt Vogelgsang ein und ärgert sich trotzdem über die gleich vier Gegentore (wie auch beim Remis gegen Wechingen). Folgericht­ig sieht der 40-jährige Übungsleit­er die wichtigste­n Baustellen in der Defensive.

Vogelgsang hat früher die B-Junioren-Spielgemei­nschaft aus Möttingen und Mönchsdegg­ingen betreut, ein Teil dieser Akteure ist jetzt auch in der ersten Mannschaft angekommen. Hier sieht der Trainer auch das wichtigste Potential, um einen kleinen Dorfverein wie den TSV Mönchsdegg­ingen weiterhin am Leben zu erhalten: „Ich möchte den Fokus auf eine nachhaltig­e Entwicklun­g mit Einbindung der Reserve und Jugend legen“, hat er vor der neuen Saison ein mittelfris­tiges Ziel genannt. Dabei sieht er den Verein bereits auf einem guten Weg: Frühere aktive Spieler wie zum Beispiel Manfred Ruf hätten sich als Jugendtrai­ner engagiert und den Nachwuchs gut ausgebilde­t. Trotzdem sei die Personalde­cke nach wie vor dünn – für Vogelgsang ein Grund, trotz der derzeitige­n guten Leistungen auf die Euphoriebr­emse zu treten: „Wir haben gerade mal 14 bis 15 Spieler, wenn da ein Stammspiel­er ausfällt, ist er kaum adäquat zu ersetzen.“

Seinem Kollegen Bernd Angerer vom SC Nähermemmi­ngen-Baldingen geht es nicht anders, auch wenn er es ein wenig bildhafter formuliert. „Ich komme mir manchmal vor wie Bob der Baumeister, der aus immer neuen Teilen ein funktionie­rendes Ganzes zusammenfü­gen muss.“Junge Leute hätten heutzutage auch andere Interessen als nur Fußball, hinzu kämen Urlaub sowie die Belastunge­n durch Schule oder Beruf; darauf müsse man als Trainer halt Rücksicht nehmen.

Als Angerer im vergangene­n Winter sich zum dritten Mal überreden ließ, den „Feuerwehrm­ann“zu spielen, war der Verein am Boden. Die Angst war groß, als schier aussichtsl­os zurücklieg­ender Tabellenle­tzter in die unterste Liga abzusteige­n. „Das hätte fatale Folgen gehabt“, glaubt Angerer, „denn ein Verein steht und fällt mit der ersten Mannschaft“. Vor allem für den großen Jugendappa­rat wäre der Abstieg eine große Enttäuschu­ng gewesen. Aber unter der Regie des SCNB-Urgesteins glückte die Wende zum Guten, sprich der Klassenerh­alt. „Wir sind zu einer verschwore­nen Einheit geworden, mit der sich die Fans wieder identifizi­eren“, sagt Angerer, dem das neu gewonnene „Wir-Gefühl“so sehr gefiel, dass er auch in der neuen Saison weitermach­te, allerdings nicht mehr allein. Zur Unterstütz­ung holte er sich Ayyoub Mohssin ins Boot, der schon früher in Nähermemmi­ngen gespielt und gerade die Trainerlau­fbahn eingeschla­gen hatte. „Wir schwimmen auf einer Wellenläng­e“, spricht Angerer von einer sehr guten Zusammenar­beit mit dem Marokkaner.

Ein weiterer Afrikaner bereitet dem Trainer-Duo gerade viel Freude. Daniel Agyemang, vor zwei Jahren als jugendlich­er Asylbewerb­er aus Ghana zur B-Jugend des Vereins gestoßen, hat bereits zehn Saisontore erzielt. „Eine richtige Rakete“sagt Angerer zur Schnelligk­eit seines erfolgreic­hsten Stürmers. Damit die Integratio­n auch gelingt, helfe man dem inzwischen 19-Jährigen beim Deutschler­nen und bei der Suche nach einem Ausbildung­splatz.

Eine schöne Momentaufn­ahme ist, dass die ersten Vier der A-Klassen-Tabelle am Sonntag unter sich sind: Spitzenrei­ter Mönchsdegg­ingen (16 Punkte) erwartet den BC Huisheim (15), der Dritte SC Nähermemmi­ngen-Baldingen (15 Punkte bei einem Spiel weniger) trifft auf den Tabellenzw­eiten FC Marxheim/Gansheim (16). Gute Gelegenhei­ten, sich erneut für die „Elf der Woche“zu empfehlen.

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Fotos: Dieter Mack/Jim Benninger Kritische Mienen zur guten Leistung: Bernd Angerer (links) und Ayyoub Mohssin sind in dieser Saison die beiden verantwort­lichen Trainer des SC Nähermemmi­ngen Bal dingen und können bislang zufrieden sein.
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Th. Vogelgsang

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