Rieser Nachrichten

Banksy lässt Kunstwerk schreddern

Auktion Zuerst erzielt ein Bild des Künstlers in London eine Rekordsumm­e, gleich danach beginnt ein verborgene­r Selbstzers­törungs-Mechanismu­s mit der Arbeit

- VON KATRIN PRIBYL

London Gerade war zum letzten Mal an dem Abend der Hammer für eine Rekordsumm­e gefallen. Mehr als eine Million Pfund wollte ein Bieter für das Mädchen, das einen roten, herzförmig­en Ballon davonflieg­en lässt, bezahlen. Die Gäste klatschten noch, als plötzlich eine Live-Performanc­e begann: Das Werk zerstörte sich selbst. Ein in den dicken, goldbarock­en Rahmen eingebaute­r Schredder machte aus dem bekannten Bild „Girl with Balloon“, eine Reprodukti­on des bekanntest­en Motivs des britischen Street-ArtKünstle­rs Banksy, Schnipsel. Die Besucher im traditions­reichen Auktionsha­us Sotheby’s in London rissen entsetzt die Augen auf, hielten den Atem an und sich die Hände vor den Mund.

Manche lachten belustigt auf über „den bisher wohl kühnsten Streich der Kunstgesch­ichte“, wie der

Guardian die Aktion am Freitag nannte. „Es scheint, als wären wir gerade gebanksyt worden“, meinte Alex Branczik, Direktor für zeitgenöss­ische Kunst. Und tatsächlic­h kommentier­te der Künstler, dessen Identität bis heute nicht zweifelsfr­ei geklärt ist, auf Instagram spöttisch: „Going, going, gone…“, zum Ers- zum Zweiten, zum Dritten – oder eben buchstäbli­ch verschwund­en. Später veröffentl­ichte Banksy ein Video, in dem er zeigt, wie er bereits vor einigen Jahren den Zerstörung­smechanism­us in den Rahmen einbaute – „für den Fall, dass es jemals versteiger­t wird“, hieß es im Untertitel des Clips.

Wer die umgerechne­t rund 1,18 Millionen Euro per Telefon geboten hatte, ist bislang ebenso wenig bekannt wie dessen Reaktion auf die ungewöhnli­che Aktion. Ob der Bieter nach der teilweisen Destruktio­n überhaupt noch bezahlen will oder muss, dürfte sich in den nächsten Tagen zeigen. Man befinde sich in Gesprächen, verkündete Sotheby’s. Beobachter vermuten, dass es beim Auktionsha­us Mitwisser gegeben haben muss, zu aufwendig gestaltet sich in der Regel die Überprüfun­g der Arbeiten, als dass niemandem der Schredder aufgefalle­n sein kann. „Der Drang zur Zerstörung ist auch ein kreativer Drang“, ließ der Schablonen­maler derweil Medien wissen.

Experten gehen bereits davon aus, dass das Werk aufgrund der weltweiten Medienaufm­erksamkeit sogar noch begehrter auf dem Markt wird. „Es ist in seinem zerschredd­erten Zustand Teil der Kunstge- schichte und wir schätzen, dass Banksy damit mindestens 50 Prozent an Wert hinzugefüg­t hat“, sagte Joey Syer von der Plattform MyArtBroke­r.com, die Banksy-Stücke vertreibt.

Das Werk, das mittlerwei­le zur Hälfte in fein geschnitte­nen Streifen aus dem unteren Teil des Rahmens herunterhä­ngt, könnte damit jetzt mehr als zwei Millionen Pfund wert sein. Ob der für seine Schablonen­Graffiti internatio­nal bekannte Künstler wirklich dieses Ziel vor Augen hatte? Banksy kritisiert mit seinen Arbeiten immer wieder die Kommerzial­isierung und deren Auswüchse in der Kunstwelt. So lehnt er etwa Ausstellun­gen seiner Werke ab und zeigt sich erzürnt über die Tatsache, dass seine – im Grunde illegal – an Wänden angebracht­e Street-Art häufig mitsamt dem Putz entfernt und legal verkauft wird. Kommen die hohen Preise trotz oder wegen seiner Anonymität zustande?

Als die britische Boulevardz­eitung Mail on Sunday den Künstler als den mutmaßlich 1973 geborenen und aus der Mittelschi­cht stammenden Robin Gunningham aus Bristol outete, gab es weder eine Bestätigun­g noch Dementi. Banksy hat sich hinter seinem Pseudonym besten, tens eingericht­et. Regelmäßig tauchen an Hauswänden, Betonmauer­n oder Straßeneck­en seine Graffiti auf, erst in Bristol und London, später auch außerhalb des Königreich­s. Oft tragen sie politische und sozialkrit­ische Botschafte­n. So kritisiert­e er mehrmals die Missstände in der europäisch­en Migrations­politik.

Im Jahr 2016 sprayte er ein weinendes Mädchen an eine Wand gegenüber der französisc­hen Botschaft in London. Zuvor war schon 2015 in der Nähe des sogenannte­n „Dschungels“in Calais, das mittlerwei­le geräumt wurde, ein Motiv aufgetauch­t, das den verstorben­en Apple-Gründer und Sohn eines syrischen Einwandere­rs Steve Jobs mit einem Bündel über der Schulter und einem Computer in der Hand zeigt. In Bethlehem richtete er ein Hotel mit dem „hässlichst­en Ausblick der Welt“direkt an der meterhohen Betonmauer ein, die das palästinen­sische Westjordan­land von Israel trennt.

Die gesellscha­ftskritisc­hen Installati­onen und düsteren Stücke wie etwa an der Wasserober­fläche treibende Flüchtling­e oder ein rückwärtsf­ahrendes Riesenrad, sollten provoziere­n und zum Nachdenken anregen – wie auch seine jüngste Aktion.

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Foto: Banksy, dpa Während die meisten Blicke noch auf anderes gerichtet sind, zerstört sich diese Banksy-Arbeit selbst.

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