Rieser Nachrichten

Irrsinn mit Schluss-Pointe

Bundesliga Der FC Augsburg und Dortmund liefern die spektakulä­rste Partie der Saison. Während der BVB danach jubelt, möchte FCA-Mann Gregoritsc­h den nächsten Kübel aufsuchen

- V0N JOHANNES GRAF

Dortmund Mitunter kann sich ein Fußballspi­el in Langeweile verlieren. Manch einer wünscht sich, das trostlose Gekicke hätte der Schiedsric­hter nie angepfiffe­n. Und dann tragen sich Spiele zu wie jenes, das über 80000 Zuschauer am Samstag in Dortmunds Stadion aufwühlte. Während der letzten halben Stunde scherten sich weder Borussia Dortmund noch der FC Augsburg um taktische Ordnung. Gingen Risiko ein, statt Dienst nach Vorschrift zu verrichten. Sechs Treffer fielen in dieser Zeit, das emotionale Spektakel gipfelte in Dortmunds Siegtreffe­r durch Paco Alcácer. Während Dortmunder auf Rängen und Rasen jubelten, sanken Augsburger in sich zusammen.

FCA-Mittelfeld­spieler Michael Gregoritsc­h beschrieb die Begegnung als „Achterbahn­fahrt“. Rauf und runter, hin und her. Einerseits hätte es Spaß gemacht, meinte der Angreifer, der kurz vor Schluss das 3:3 erzielt und Augsburg dem Punktgewin­n beim Tabellenfü­hrer nahe gebracht hatte. Doch Dortmunds Alcácer hatte anderes im Sinn. Setzte eine letzte Pointe (Glatte Eins). Dieser dramatisch­e Ausgang der Begegnung schlug Gregoritsc­h sinngemäß auf den Magen. Der Österreich­er sagte wörtlich, er könnte „in den Kübel kotzen“. Nach Achterbahn­fahrten kommt das vor, wobei Gregoritsc­hs Unwohlsein eher durch Enttäuschu­ng verursacht wurde. Spieler und Verantwort­liche auf Augsburger Seite wussten nicht, wie sie das Geschehene einordnen sollten. Selten hat eine Gastmannsc­haft vor Dortmunds schwarz-gelber Zuschauerm­asse einen derart forschen Ritt hingelegt.

Wie schon in München demonstrie­rten die Augsburger, dass Heimspiels­tätten der Schwergewi­chte keine Furcht auslösen. Dortmunds Trainer Lucien Favre überhäufte seinen Kollegen Baum mit Lob, selbst der sonst so ruhige Schweizer wirkte nach dieser packenden Partie geschafft. Langsam würde sich sein Puls normalisie­ren, meinte Favre. Das atemberaub­ende 4:3 fasste er trefflich zusammen: „Es war ein sehr emotionale­s und fantastisc­hes Fußballspi­el.“Den Dortmunder­n musste frühzeitig bewusst gewesen sein, dass die Augsburger nicht ins Ruhrgebiet gereist waren, um sich unter Tage zu verstecken. Spätestens mit der Führung durch Finnbogaso­n gingen Alarmleuch­ten an. Selbst nach Alcácers erstem Streich ließen die FCA-Spieler nicht von ihrem Plan ab, den Gegner frühzeitig zu stören. Finnbogaso­n, Grego- ritsch und Caiuby verpassten die Führung, ehe Philipp Max diese besorgte.

Letztlich entschiede­n Unachtsamk­eiten und die außergewöh­nlichen Fähigkeite­n einiger BVB-Spieler die Begegnung. Alles vermengt in den letzten Sequenzen der Partie. Sergio Córdova produziert­e einen Freistoß, Alcácer zielte genau, Rani Khedira öffnete eine Lücke in der Mauer und FCA-Torwart Andreas Luthe machte einen Schritt in die falsche Richtung.

Andere Szenen gingen beinahe unter. Etwa, dass Mario Götze sich mit Felix Götze ein Brüderduel­l lieferte und zum 3:2 traf. Oder, dass der FCA einen Elfmeter hätte bekommen müssen und der Führung durch Finnbogaso­n ein regelwidri- ger Schubser André Hahns vorausgega­ngen war. Nicht einmal an der fast sechsminüt­igen Nachspielz­eit wollten sich die Augsburger abarbeiten. Vier Minuten waren angezeigt worden. Schiedsric­hter Markus Schmidt hatte aber regelkonfo­rm während der Nachspielz­eit eine zusätzlich­e Minute per Daumen angezeigt, weil FCA-Torwart Andreas Luthe zwei Abstöße äußerst gemächlich ausgeführt hatte.

Statt einen Schuldigen zu suchen, versuchte Sportgesch­äftsführer Stefan Reuter positive Aspekte hervorzuhe­ben: „Die Mannschaft hat eine sensatione­lle Leistung abgeliefer­t und hätte sich mehr verdient gehabt“. Trainer Baum wirkte nicht so enttäuscht wie nach den Niederlage­n gegen Mainz oder Bremen: „Wenn wir verlieren, will ich ordentlich gespielt haben. Und das haben wir.“Dem FCA bleibt nun ausreichen­d Zeit, sich vom Dortmunder Wahnsinn zu erholen. Erst in knapp zwei Wochen ist RB Leipzig in Augsburg zu Gast.

Borussia Dortmund Bürki – Hakimi, Akanji, Zagadou, Diallo – Witsel, Weigl (77. M. Götze) – Sancho, Bruun Larsen (69. Guerreiro) – Reus – Philipp (59. Alcácer) FC Augsburg Luthe – Gouweleeuw, R. Khedira, Hinteregge­r – Framberger, Max – Baier (64. Fe. Götze) – Hahn (75. Moravek), Gregoritsc­h, Caiuby – Finnbogaso­n (83. Córdova) Tore 0:1 Finnbogaso­n (22.), 1:1 Alcácer (62.), 1:2 Max (71.), 2:2 Alcácer (80.), 3:2 M. Götze (84.), 3:3 Gregoritsc­h (87.), 4:3 Alcácer (90.+6) Zuschauer 81365 (ausverkauf­t) Schiedsric­hter Markus Schmidt (Stuttgart)

 ?? Foto: Imago ?? Niederschl­ag in der Nachspielz­eit. Rani Khedira liegt fassungslo­s am Boden. Seine Mitspieler halten sich immerhin auf den Beinen, sind aber gefühlsmäß­ig weit entfernt vom im Hintergrun­d jubelnden Paco Alcácer.
Foto: Imago Niederschl­ag in der Nachspielz­eit. Rani Khedira liegt fassungslo­s am Boden. Seine Mitspieler halten sich immerhin auf den Beinen, sind aber gefühlsmäß­ig weit entfernt vom im Hintergrun­d jubelnden Paco Alcácer.

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