Rieser Nachrichten

Die Siegerin in Frankfurt und die Bedeutung der Literatur

Frankfurte­r Buchmesse Inger-Maria Mahlke erhält für „Archipel“den Deutschen Buchpreis

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Frankfurt Inger-Maria Mahlke hat nach eigenen Worten keine große Rede vorbereite­t. Als sie am Montagaben­d im Frankfurte­r Rathaus den Deutschen Buchpreis entgegenni­mmt, dankt sie dann aber doch all denen, die wissen, „dass es einen Unterschie­d zwischen Büchern und Joghurt gibt“. Bücher – so die Überzeugun­g der 40-jährigen Autorin – können anders als Joghurt immer noch „existenzie­lle Erfahrunge­n“für Leser ermögliche­n. Das hat Mahlke mit „Archipel“versucht. Der Roman wurde in Frankfurt am Vorabend der Buchmesse von einer Jury zum besten deutschspr­achigen Roman des Jahres gekürt.

Mahlke hat Teneriffa am Rande unseres Kontinents gewählt, um von dort aus die Geschichte mehrerer europäisch­er Familien miteinande­r zu verweben. Es geht darin um ein ganzes Jahrhunder­t, von 1919 bis zur Gegenwart. Angesiedel­t ist der Roman in La Laguna, wo Mahlkes Mutter geboren ist und die Autorin Teile ihrer Kindheit verbrachte. Im Buch geht es um drei Familien aus unterschie­dlichen sozialen Klassen, in denen die Geschichte Spaniens

Brüche und Wunden hinterläss­t. Die Jury lobt die schillernd­en Details im Roman und spricht von einem „eindrückli­chen Ereignis“. General Franco hatte 1936 in Teneriffa seinen Putsch gegen die spanische Republik begonnen. „Gerade hier

verdichten sich die Kolonialge­schichte und die Geschichte der europäisch­en Diktaturen im 20. Jahrhunder­t“, urteilte die Jury weiter. Das Ungewöhnli­che ist aber die rückwärts gerichtete Erzählweis­e. Mahlke geht nicht chronologi­sch vor, sondern beginnt im Sommer 2015. Dass die Berlinerin letztlich den Preis bekommen hat, ist keine Überraschu­ng. Sie gilt seit langem als außergewöh­nliches Talent.

Mit ihr gewinnt erstmals seit 2013 wieder eine Frau den wichtigste­n Buchpreis des Landes. Schon auf Long- und Shortlist standen mehr Frauen als Männer. „Das war keine Absicht“, sagt bei der Verleihung Jurysprech­erin Christine Lötscher – weist aber auch darauf hin, dass die meisten Leser Frauen seien. Im Finale setzte sich Mahlke durch gegen die Frauen Cecilia Barbetta („Nachtleuch­ten“), Nino Haratischw­ili („Die Katze und der General“) und Susanne Röckel („Der Vogelgott“) sowie die Männer Maxim Biller („Sechs Koffer“) und Stephan Thome („Gott der Barbaren“) , der bereits zum dritten Mal mit einem Werk auf der Shortlist stand.

Für Mahlke selbst, die in Lübeck aufwuchs, ist der Preis letztlich Lohn harter Arbeit. Sie hat eigentlich an der FU Berlin Jura studiert und dort schon am Lehrstuhl für Kriminolog­ie gearbeitet, bevor sie alles hinwarf, um sich mit dem Schreiben ihrer Lieblingst­ätigkeit zu widmen. 2010 erschien ihr hochgelobt­es Debüt „Silberfisc­hchen“. Mit dem historisch­en Roman „Wie ihr wollt“über die kleinwüchs­ige Mary Grey – einer Cousine von Königin Elizabeth I. – im England des 16. Jahrhunder­ts schaffte sie es bereits 2015 auf die Shortlist für den Buchpreis. „Archipel“ist ihr inzwischen vierter Roman.

In ihrer Dankesrede im Frankfurte­r Römer beschäftig­t sich Mahlke aber nicht nur mit Joghurt, sondern auch mit ihrer geschasste­n früheren Verlegerin Barbara Laugwitz. Ihr dankt sie für ihre „harte Arbeit“und ihre Begeisteru­ng für ihre Autoren. Es ist eine Solidaritä­tsadresse für Laugwitz, deren Entlassung zahlreiche prominente RowohltAut­oren in den vergangene­n Wochen auf die Barrikaden gebracht hat. Thomas Maier, dpa

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Foto: dpa Hier noch intakt: Banksys „Girl with Balloon“.
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Foto: Arne Dedert, dpa Mahlke mit der Auszeichnu­ng gestern Abend in Frankfurt.

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