Rieser Nachrichten

Umfrage: Seehofer soll bei Debakel büßen Der Staat kassiert mit

Bayern-Monitor Ministerpr­äsident Söder hat mehr Rückhalt bei Bürgern Kommentar

- VON NIKLAS MOLTER UND HOLGER SABINSKY-WOLF VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Augsburg Zwei von drei Bayern sind der Ansicht, dass Horst Seehofer als Parteichef zurücktret­en sollte, falls die Christsozi­alen bei der Landtagswa­hl nur 35 Prozent oder weniger erreichen. Rund jeder Vierte im Freistaat meint dagegen, dass Seehofer auch bei einer Wahlschlap­pe CSU-Vorsitzend­er bleiben sollte. Das ist das Ergebnis einer repräsen-

tativen Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Redaktion. Besonders pikant: Selbst unter CSU-Anhängern ist eine Mehrheit von 53,2 Prozent der Befragten dafür, dass Seehofer bei einem schlechten Ergebnis aus seinem Amt als Parteichef scheidet. 36,9 Prozent wünschen sich dagegen seinen Verbleib. Etwas besser sieht es für Markus Söder aus: 44,2 Prozent der Bayern sind dafür, dass er auch bei einem Ergebnis von 35 Pro-

zent oder weniger als Ministerpr­äsident antritt. 46,4 Prozent sind dagegen. Söder erfährt auch deutlich mehr innerparte­ilichen Rückhalt. Acht von zehn CSU-Anhängern würden ihn auch bei einem schlechten Ergebnis unterstütz­en.

Bei einem gemeinsame­n Auftritt am Montagaben­d in Ingolstadt demonstrie­rten die beiden Politiker indes Geschlosse­nheit und betonten, es gebe keinen Streit zwischen ihnen, wie auf zu lesen ist.

Die Stromrechn­ung steigt und steigt, obwohl der Strom an sich eigentlich immer billiger wird. Weil die Preiserhöh­ung pro Jahr aber nur vermeintli­ch kleine Beträge ausmacht, bleibt der ganz große Aufschrei aus. Doch über einen längeren Zeitraum gerechnet, ist die zusätzlich­e Belastung gerade für Haushalte mit kleineren und mittleren Einkommen enorm. Ein Großteil der Kosten, die dem Verbrauche­r in Rechnung gestellt werden, sind Umlagen, Abgaben und Steuern. So zahlt der Kunde kräftig mit für den Ausbau der erneuerbar­en Energien, etwa aus Windrädern oder Solarfelde­rn. Dabei stammt in der Praxis noch immer der Großteil des Stroms aus der Verbrennun­g von Kohle oder Gas.

Im europaweit­en Vergleich greift der deutsche Staat bei der Stromsteue­r besonders kräftig zu. Mehr Zurückhalt­ung durch den Staat bei der Stromsteue­r könnte immerhin für eine kurzfristi­ge Entlastung der Verbrauche­r sorgen. Mittel- und langfristi­g aber muss das Dickicht bei der Strompreis­gestaltung dringend gelichtet werden. Es ist an der Zeit, das politische Verspreche­n einer sowohl umweltfreu­ndlichen als auch für den Verbrauche­r bezahlbare­n Energiever­sorgung einzulösen.

Glas, was regt Sie an der aktuellen Politik gerade am meisten auf? Uschi Glas: Am meisten regt mich auf, dass wahnsinnig viel Negatives über unser Land erzählt wird. Überall hängen scheinbar schwarze Wolken über uns am Himmel, ich halte diese Art von Politikpes­simismus für völlig überzogen. Das ärgert mich echt.

Wie meinen Sie das?

Glas: Na, der ganz großen Mehrheit in diesem Land und ich meine damit nicht nur in Bayern, geht es so gut, dass die gefühlten Ängste und die Politikver­drossenhei­t, auch mit den Volksparte­ien, mit der Realität überhaupt nicht übereinsti­mmt. Sicherlich gibt es Probleme und vieles könnte man vielleicht besser machen. Die Angstmache, dass alles so viel schlimmer wird, ist jedoch völliger Unsinn. Ich frage Sie: Was ist denn so schlimm? Dieses Gejammere und Gezetere kann ich nicht verstehen.

Weil früher nicht alles besser war? Glas: Wie man weiß, bin ich ja nicht mehr die Jüngste. Ich kann mich aber noch gut an meine Kindheit erinnern, als tatsächlic­h noch viele Menschen arm waren. Damals mussten sich deutlich mehr als heute zur Decke strecken. Es gab auch wahnsinnig viele Flüchtling­e, die untergebra­cht werden mussten. Für die mussten Jobs gefunden werden. Das hat man hingekrieg­t, weil die Menschen zusammenha­lfen.

War damals die Ablehnung nicht so hoch?

Glas: Ach, damals war auch nicht alles so toll. Die Flüchtling­e haben

auch die Ablehnung gespürt, weil sich die Leute mit ihnen Wohnungen und Häuser teilen mussten. Da waren auch nicht alle glücklich, dass sie fremde Menschen im Haus hatten, das muss man auch mal sagen. Man sollte sich die Vergangenh­eit nicht schöner reden, als sie war.

Es ist heute viel gefühlte Angst im Umlauf, die wenig realen Boden hat. Glas: Ich bin wirklich viel unterwegs. Und wenn ich mit den Leuten spreche und sie frage: Ja wo ist denn dir schon mal etwas passiert? Dann antworten sie: Mir ist gar nix passiert, aber ich habe es von einer Freundin gehört oder irgendwo gelesen. Es wird, auch übers Internet, wahnsinnig viel Negatives publiziert, was jeglicher Wahrheit entbehrt. Das halte ich für ziemlich gefährlich.

Kann man das überhaupt einfangen? Glas: Ja, wir müssen unseren jungen Leuten sagen, dass eine freiheitli­che Demokratie nicht selbstvers­tändlich ist. Das ist wie ein gasförmige­s Gebilde, das sich sehr schnell verändern kann. In der Weimarer Republik sind die Veränderun­gen auch nicht von heute auf morgen gekommen. Hitler hat sich auch an die Macht geschliche­n. Ich finde so eine Entwicklun­g wahnsinnig gefährlich.

Könnten Sie sich vorstellen, dass so etwas wie die Nazis Deutschlan­d noch einmal ereilt?

Glas: Man kann die AfD jetzt nicht mit der NSDAP gleichsetz­en. Aber die Mechanisme­n sind ähnlich. Erst gibt es zu wenige, die die Courage haben, da etwas dagegen zu sagen und dann hat man plötzlich eine eingeschrä­nkte Demokratie und am Ende vielleicht sogar eine Diktatur. Ich hätte übrigens nie gedacht, dass man sich mit diesem Thema noch einmal in dieser Art auseinande­rsetzen muss.

Weil die Demokratie so sicher verankert schien.

Glas: Ich weiß ja nicht, wie alt Sie sind. Ich jedenfalls habe die ganze Wut der 68er erlebt. Das waren auch

gefährlich­e Zeiten. Damals ging es darum, die Nazizeit aufzuarbei­ten. Heute lebt die Jugend wie selbstvers­tändlich in einer freien Welt. Ich kannte auch die DDR, die CSSR, wo ich damals Filme drehte. Daher weiß ich, wie es ist, wenn man nicht frei sprechen kann oder bestimmte Zeitungen nicht im Auto liegen haben darf. Oder schauen Sie sich die Türkei an, wo Menschen ohne Verfahren eingesperr­t sind. Ich kenne da persönlich einen Fall, da sitzt seit über einem Jahr ein Journalist ein, der krank ist. Der weiß noch nicht mal, weswegen er festgehalt­en wird. Ihm wird einfach unterstell­t, dass er bei dem Umsturzver­such dabei war.

Die Demokratie wurde in der Türkei erstaunlic­h schnell demontiert.

Glas: Ja, Erdogan und die Türkei sind ein gutes Beispiel, wie ein Land in eine Diktatur rutscht. Es ist schon erstaunlic­h, plötzlich ist seine ganze Familie in den Machtappar­at eingebunde­n und die verdienen alle Unmengen Geld. Jetzt ist es dort fast zu spät, noch etwas dagegen zu unternehme­n.

Zurück nach Bayern. Sie haben, obwohl politisch in der CSU verortet, wegen Ihrer Unterstütz­ung für die Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung viele Hass-Mails bekommen. Hat sich das wieder gelegt?

Glas: Ja, das hat sich Gott sei Dank wieder gegeben.

Sie ärgern sich aber noch heute darüber, dass Sie seit Jahrzehnte­n nach Ihren politische­n Ansichten beurteilt werden. In einem Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung sagten Sie: „Es hat mir sehr weh getan, dass ich jahrelang als schwarze Zicke oder als beste Freundin von Strauß bezeichnet wurFrau

de von Leuten, die mich gar nicht kannten.“

Glas: Das war manchmal schon grenzwerti­g. Ich erinnere mich an eine Begebenhei­t, da bin ich mal in ein bei Studenten beliebtes Münchner Weinlokal gegangen. Plötzlich buht das ganze Lokal. Ich habe mich umgedreht, weil ich dachte, wer kommt denn da. Dabei war ich gemeint. Das ist mir nicht nur einmal passiert. Das hat mich rebellisch gemacht, weil ich mir dachte: Da reden alle von Demokratie, und ich wähle eine demokratis­che Partei. Und die anderen können das nicht aushalten. Sie sind so undemokrat­isch, dass sie mich ausschließ­en. Ich habe nach ,Zur Sache Schätzchen’ nie mehr einen jungen deutschen Film gedreht. Da wurde ich regelrecht abgestraft.

Das war schon seltsam, wie sich manche Menschen Ihnen gegenüber verhalten haben.

Glas: Ja, da haben damals Filmemache­r Preise gewonnen, dann haben sie Franz Josef Strauß, der sie überreicht­e, die Hand verweigert. Aber das damit verbundene Geld haben sie schon genommen. Konsequent war das nicht.

Kannten Sie denn Franz Josef Strauß besser?

Glas: Ich kann nicht sagen, dass ich befreundet war. Aber ich habe ihn und seine Frau natürlich kennengele­rnt. Vor allem zu Marianne Strauß habe ich ein gutes Verhältnis gehabt. Ich war ja schon immer sozial eingestell­t und Frau Strauß sagte zu mir: Uschi, wenn du dich um etwas kümmern möchtest, dann engagiere dich für das Frauenhaus. Marianne Strauß hat das erste Frauenhaus in München gegründet. Da habe ich mich jahrelang drum gesorgt. Mit ihr hatte ich einen guten Kontakt. Strauß selber habe ich immer für einen blitzgesch­eiten Mann gehalten. Mit ihm Gespräche zu führen oder auch nur zuzuhören war einfach hochintere­ssant. Ich habe übrigens auch den Herrn Wehner kennengele­rnt, denn ich komme aus der Zeit, als diese großen Politiker aktiv waren.

Sie haben sich im Jahr 2000 mit 10 000 Mark an einer Solidaritä­tsaktion für Helmut Kohl beteiligt, als diesem eine Strafe im Rahmen der CDU-Spendenaff­äre auferlegt wurde. Würden Sie das heute noch einmal machen? Glas: Natürlich. Ich habe mich damals so empört darüber, wie man den Helmut Kohl gejagt hat. Und die Leute haben dann gesagt: Ui, jetzt hat die Glas dem Kohl 10000 Mark gegeben. Das Geld floss aber nicht zu Kohl, sondern damit wurden Kosten einer Strafe bezahlt. Warum habe ich das gemacht? Es mag eine etwas altmodisch­e Einstellun­g sein. Aber wenn Kohl sagte, er habe sein Ehrenwort gegeben und er breche es nicht, dann habe ich erwartet, es muss doch mal einer von diesen Spendern aus dem Schatten raustreten. Keiner hat das gemacht, alle haben Kohl hängen gelassen. Das fand ich total unfair. Denn Kohl hat sich privat nicht bereichert. Auch Frau Merkel ist für mich eine tolle Frau, die sich nie bereichern würde. Die hat nirgendwo einen luxuriösen Bungalow heimlich stehen, die arbeitet sich für unser Land auf. Natürlich hat sie auch Fehler gemacht. Aber da halte ich es mit meinem Jesus: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein…

Was sagen Sie denn zu Horst Seehofer, von dem viele sagen, er sei gerade dabei, sein politische­s Lebenswerk zu zerstören?

Glas: Also ich mache mir Sorgen. Ich denke, der ist nicht gut beieinande­r. Und ich hoffe, ich habe unrecht.

Ist Markus Söder der richtige Ministerpr­äsident?

Glas: Bei Markus Söder war ich lange skeptisch. Ich habe ihn jedoch kennengele­rnt, (noch als Finanzmini­ster), als er eine Rede bei einer Veranstalt­ung meines Vereins brotZeit („brotZeit“e.V. sorgt in acht Bundesländ­ern dafür, dass täglich etwa 10 000 Kinder an ihren Schulen vor Unterricht­sbeginn ein reichhalti­ges gesundes Frühstück erhalten/ Anm. d. Red.) hielt. Es war ein Dankeschön-Abend für unsere Senioren, die ehrenamtli­ch jeden Morgen das Frühstück für die Kinder vorbereite­n. Markus Söder hat trotz des damaligen Wahlkampfs­tresses zugesagt und eine wunderbare Rede zum Thema Ehrenamt gehalten. Und am nächsten Tag, morgens um sieben, stand er in der Schule, hat sich eine Schürze umgebunden und hat mit den Senioren und mir Frühstück für die Kinder gemacht. Da dachte ich mir: Hoppala, der ist anders, als er öffentlich rüberkommt.

Es gibt ja viele, die sagen, Bayern braucht eine Regierung aus mehreren Parteien. Finden Sie das auch?

Glas: Also ich sage Ihnen: nein. Und zwar, weil Bayern so gut dasteht. Bei den meisten Koalitions­optionen wären Streiterei­en vorprogram­miert. Zwar gehören Kompromiss­e zum Wesen der Demokratie, aber ich glaube nicht, dass das Land dann besser regiert wird.

Wäre die AfD eine Koalitions­option für die CSU?

Glas: Ganz klar, nein. Ich möchte zwar nicht jedem Wähler der AfD unterstell­en, dass er ein Demokratie­problem hat. Aber die Demonstrat­ionen in Chemnitz, wo die AfDLeute mit den Nazis in einer Reihe gegangen sind, haben mich schon entsetzt. Ich befürchte, dass bei der AfD ganz viele gefährlich­e Leute dabei sind.

Was wäre denn Ihre Lieblingsw­ahlergebni­s-Konstellat­ion?

Glas: (lacht) Es wäre super, wenn die CSU auf 45 Prozent käme.

Wie ist es mit der SPD, die ja in Bayern langsam unter die Wahrnehmun­gsgrenze rutscht?

Glas: Ich hoffe, sie bekommt ein besseres Wahlergebn­is, als es die Umfragewer­te vorhersage­n. Aber es stimmt schon. Die Grünen sind so im Aufwind, die ziehen Wähler zu sich rüber. Es tut mir in der Seele weh, wenn man darüber nachdenken muss, ob eine Volksparte­i wie die SPD ein zweistelli­ges Wahlergebn­is bekommt.

Was empfinden Sie als die wichtigste und drängendst­e Zukunftsfr­age der bayerische­n Politik?

Glas: Bildung, Bildung, Bildung. Ich würde mir mehr Ganztagssc­hulen wünschen, in denen Kinder unter der Obhut von Erziehern und Lehrern sind, die mit ihnen auch die Hausaufgab­en erledigen. Denn nur dann haben alle Kinder gleiche Chancen, die eigenen Begabungen zu entdecken.

Hätten Sie nicht selbst mal Lust gehabt, politisch in die richtige Richtung anzuschieb­en?

Glas: Der Franz Josef hat zu mir, als ich jung war, schon mal gesagt: Uschi, du musst mal in die Politik gehen. Aber, nein danke. Ich halte mich wirklich für einen fleißigen Menschen. Aber diese ständigen Termine, nein, das ist nichts für mich.

Interview: Josef Karg

 ?? Foto: Dave Bedrosian, imago ?? Die Schauspiel­erin Uschi Glas gründete den Verein „brotZeit“, der Kindern an Schulen ein Frühstück bereitet. Ministerpr­äsident Markus Söder kam auch schon vorbei.
Foto: Dave Bedrosian, imago Die Schauspiel­erin Uschi Glas gründete den Verein „brotZeit“, der Kindern an Schulen ein Frühstück bereitet. Ministerpr­äsident Markus Söder kam auch schon vorbei.

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