Rieser Nachrichten

„Die Wut hält länger als Freude“

Kann die US-Opposition Kapital aus dem Fall Kavanaugh schlagen?

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Berufung des umstritten­en Juristen Brett Kavanaugh an den höchsten Gerichtsho­f der USA treibt die Spaltung der amerikanis­chen Gesellscha­ft auf die Spitze. Unversöhnl­ich und feindselig stehen sich Konservati­ve und Liberale gegenüber. Vertreter der demokratis­chen Partei diskutiere­n bereits Strategien, den Richter möglicherw­eise abzuberufe­n und fordern öffentlich eine Revanche bei der Kongresswa­hl in vier Wochen. „Es herrscht Krieg“, kontert Trumps Sohn Donald jr. auf Twitter.

„Kaum jemand geht aus diesem Prozess unveränder­t oder unbeschädi­gt hervor“, hat die Washington Post festgestel­lt. Tatsächlic­h ist der Senat, einst wie der deutsche Bundesrat eher ein Ort der überpartei­lichen Kompromiss­suche, zum politische­n Schlachtfe­ld geworden. Der Supreme Court, der eigentlich über dem Parteienst­reit stehen soll, ist nun das extremste Symbol der Polarisier­ung. Weil seine lebenslang berufenen demokratis­chen Mitglieder größtentei­ls sehr alt und die republikan­ischen Vertreter vergleichs­weise jung sind, dürfte die nun erreichte konservati­ve 5:4-Mehrheit auf Jahrzehnte halten. Damit könnten nicht nur liberale Abtreibung­sgesetze zurückgedr­eht, sondern auch Vorhaben einer künftigen demokratis­chen Mehrheit etwa zur Ausweitung der Krankenver­sicherung blockiert werden. Das alleine sind schon gewaltige Kräftevers­chiebungen.

Entspreche­nd explosiv ist die Lage vor den Halbzeit-Wahlen am 6. November. Die Demokraten hatten

gehofft, zwei Jahre nach dem Sieg von Trump mit erdrutscha­rtigen Stimmenzuw­ächsen eine Gegenbeweg­ung einleiten zu können, die den Präsidente­n spätestens 2020 aus dem Weißen Haus vertreibt.

Dabei schien die Kavanaugh-Affäre zunächst zu helfen. Doch irgendwann kippte die Stimmung: Die Umfragewer­te der chancenrei­chen demokratis­chen Senats-Bewerber in konservati­ven Staaten wie Indiana, Missouri, Nord-Dakota und West-Virginia sind zuletzt regelrecht abgestürzt. Trumps Erfolg bei der Besetzung des Supreme Courts hat seine rechte Basis geradezu euphorisie­rt. „Wir haben uns gegen den Pöbel gestellt“, triumphier­te der republikan­ische Mehrheitsf­ührer Mitch McConnell.

Derweil schwanken die Demokraten zwischen Frust und Wut. Doch der Widerstand­sgeist wächst nicht nur bei den Demonstran­ten vor dem Kongress. Die Frage ist nun, wie sich das bei den Kongresswa­hlen auswirkt. „Wut hält länger als Freude“, glaubt die demokratis­che Meinungsfo­rscherin Celinda Lake. Tatsächlic­h signalisie­ren Umfragen, dass die Demokraten Frauen in den Vorstädten mobilisier­en können. Das würde ihnen helfen, eine Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus zu erobern. Im Senat, wo vor allem Posten in konservati­ven und ländlichen Staaten neu zu besetzen sind, haben hingegen die Republikan­er Oberwasser.

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Foto: dpa Richter Kavanaugh mit Frau Ashley und Tochter Liza beim Amtseid.

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