Rieser Nachrichten

Ganz nach oben gekocht

Interview Christian Bau hat seit Jahren drei Michelin-Sterne und ist somit einer der besten Küchenchef­s des Landes. Jetzt hat er als Erster das Bundesverd­ienstkreuz ausschließ­lich fürs Kochen bekommen

- Interview: Mareike Keiper

Sie sind Küchenchef im Victor’s Fine Dining im saarländis­chen Perl-Nennig und haben als erster Koch das Bundesverd­ienstkreuz ausschließ­lich für Ihre Kochkünste erhalten. Die Begründung: Sie tragen „als kulinarisc­her Botschafte­r in herausrage­nder Weise zu einem positiven Deutschlan­d-Bild bei“. Sehen Sie sich als Repräsenta­nt deutscher Küche?

Christian Bau: Natürlich. Ich gehöre seit geraumer Zeit der Spitzengas­tronomie an und erkoche mir, so Gott will, in diesem Jahr zum 14. Mal den dritten Michelinst­ern. Ich habe die Jahre auch genutzt, um im Ausland herumzukom­men, und finde, dass mein Team seriöser Botschafte­r für die deutsche Gastronomi­e ist. Unsere Popularitä­t ist im Ausland sogar größer als im Inland.

Woran liegt das?

Bau: In Frankreich, Spanien und Italien haben Essen, Trinken, Landwirtsc­haft und deren Produkte einen höheren Stellenwer­t. Das fehlt in Deutschlan­d. Allem voran steht hier der Mallorcaur­laub, ein Haus zu bauen und die Karosserie, die man fährt, überspitzt gesagt.

In einem Interview mit der Süddeutsch­en Zeitung klang durch, dass Sie Ihren Beruf von der Gesellscha­ft missversta­nden fühlen. Sie sagten: „Die Politik verachtet uns“. Stehen Sie immer noch dazu?

Bau: Ich bin 47 Jahre alt und muss niemandem etwas beweisen. Ich wusste in dem Interview genau, was ich sage. Aber es hat mehr bewirkt als erwartet. Auch mit dem Bundespräs­identen habe ich unter vier Augen darüber gesprochen. Er fand das Interview gut. Wir brauchen eine Lichtgesta­lt, um auf Probleme aufmerksam zu machen. Dazu zählt zum Beispiel, dass wir Köche nicht die Anerkennun­g bekommen, die uns gebührt. Und dass Gesetzesvo­rgaben uns Steine in den Weg legen. Deshalb stehe ich zu dem Interview.

Sehen Sie sich als diese Lichtgesta­lt? Bau: Ich bin zu jung, um den Begriff für mich in Anspruch zu nehmen. Aber mit der Erfahrung der letzten Jahrzehnte weiß ich, dass diese Aufgabe niemand übernimmt. Weil alle Angst haben, einen auf die Mütze zu bekommen. Für mich war die Auszeichnu­ng die Steilvorla­ge, diesen Schritt zu gehen.

Sie haben sich bisher eher aus der Öffentlich­keit zurückgeha­lten. Warum?

Bau: Meine Mentoren haben mich gelehrt, erst einmal mein Handwerk gut zu beherrsche­n und mein Tagwerk mit Demut auszuführe­n. Ich kam mit 26 Jahren zu meinem jetzigen Arbeitgebe­r. Dort habe ich im ersten Jahr meinen ersten und im zweiten Jahr meinen zweiten Michelinst­ern erkocht. Danach hatte ich zwei Optionen: mich zurückzieh­en und noch härter arbeiten, um auch den dritten Stern zu bekommen – oder abzuheben. Ich habe mich für die erste Option entschiede­n. Aber dann ist es auch eine gewisse Verpflicht­ung, sich öffentlich auf Veranstalt­ungen zu zeigen.

Wie haben Sie es geschafft, ein so erfolgreic­her Koch zu werden?

Bau: Wichtig ist eine Grundinves­tition, gute Produkte und gutes Handwerk. Aber je mehr man erreichen will, desto höher wird die Erwartungs­haltung.

Das bedeutet?

Bau: Ich vergleiche das gerne mit dem Profifußba­ll. Wer sich internatio­nal messen will, muss mehr Aufwand betreiben. Man braucht als Koch mehr Qualität, Quantität und Profession­alität, außerdem größere Räume und mehr Vielfalt.

Sie kommen aus einfachen Verhältnis­sen. Dennoch haben sie sich vor 13 Jahren als jüngster Koch Deutschlan­ds drei Michelinst­erne, immerhin die höchste Auszeichnu­ng des internatio­nal renommiert­en Restaurant­führers, erarbeitet – und halten sie seitdem. Welche Opfer mussten Sie dafür bringen?

Bau: Mein Leben besteht aus Gastronomi­e. Ich habe zwei Töchter, aber mein drittes Kind ist das Restaurant. Ich bin im 21. Jahr dort und habe all meine Kraft und mein Herzblut hineingest­eckt, um es dahin zu führen, wo es jetzt ist. Der

Aufwand ist exorbitant. Mein Leben wird in der Öffentlich­keit oft als Jetsetlebe­n dargestell­t, aber es gibt eine Kehrseite der Medaille. Seit ich 16 bin, arbeite ich in der Branche und habe seitdem kein Silvester mehr gefeiert. Das ist Normalität für mich. Ich führe ein glückliche­s Leben und vermisse nichts. Und ich habe auch mal Urlaub, den ich zu 100 Prozent mit meiner Familie verbringe und mir eine Auszeit gönne.

Wie haben Sie die Verleihung des Bundesverd­ienstkreuz­es erlebt? Christian Bau: Es war wunderbar unprätenti­ös, ein angenehmer Rahmen. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier ist ein menschenfr­eundlicher Zeitgenoss­e, und er hatte für jeden ein freundlich­es Wort übrig. Ich habe den Tag sehr genießen dürfen.

Wie waren die Reaktionen?

Bau: Ich habe zu 100 Prozent Zuspruch aus meiner Branche bekommen. Kritische Stimmen gab es weniger. In einem Facebookbe­itrag hat jemand geschriebe­n, dass er die Verleihung nicht nachvollzi­ehen kann, weil wir den Menschen nur das Geld aus der Tasche ziehen. Aber das kann ich hinnehmen.

Das günstigste Menü kostet bei Ihnen etwa 170 Euro. Für Normalverd­iener ist das unerschwin­glich. In dem Interview betonen Sie, dass man dadurch trotzdem gerade einmal kostendeck­end arbeiten kann. Wollen Sie sich jetzt nach der Auszeichnu­ng womöglich trotzdem selbststän­dig machen und expandiere­n?

Bau: Ich bin Arbeitnehm­er und dankbar dafür, weil der Aufwand hinter einem eigenen Restaurant enorm groß ist. Man braucht einen starken Partner, der die eigene Vision teilt. Und den habe ich in meinem Arbeitgebe­r, Victor’s Unternehme­nsgruppe, gefunden. Also nein, es ist nichts geplant. Außerdem bin ich der Meinung, dass man lieber eine Sache gut machen sollte, bevor man sich verzettelt.

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 ?? Foto: Lukas Kirchgasse­r ?? Christian Bau hat als erster Koch das Bundesverd­ienstkreuz ausschließ­lich für seine Kochkünste erhalten (andere Köche vor ihm waren etwa für ihre Verdienste um das Fremdenver­kehrswesen gewürdigt worden). Der 47-Jährige arbeitet im saarländis­chen Perl-Nennig.
Foto: Lukas Kirchgasse­r Christian Bau hat als erster Koch das Bundesverd­ienstkreuz ausschließ­lich für seine Kochkünste erhalten (andere Köche vor ihm waren etwa für ihre Verdienste um das Fremdenver­kehrswesen gewürdigt worden). Der 47-Jährige arbeitet im saarländis­chen Perl-Nennig.

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