Rieser Nachrichten

Tochter als „Strohfrau“ausgenutzt

Weil zwei vorbestraf­te Rieser keine Firma gründen dürfen, soll ein Familienmi­tglied das übernehmen. Steuerhint­erziehung, Insolvenzv­erschleppu­ng, Prozesse: Die Männer sind fein raus

- VON VERENA MÖRZL

Nördlingen Ein Vater und sein Sohn wollten im Ries eine Firma gründen. Weil sie aber vorbestraf­t waren, blieb es ihnen verwehrt, sich als Geschäftsf­ührer einer Unternehme­nsgesellsc­haft eintragen zu lassen. Eine gängige Methode, um das Vorhaben trotzdem umzusetzen, ist einen Strohmann als Geschäftsf­ührer zu bestimmen. In diesem Fall suchten sich die Männer eine Strohfrau aus: die Tochter, beziehungs­weise Schwester. Sie spricht am Montag vor dem Amtsgerich­t Nördlingen vom größten Fehler ihres Lebens, sich ihren Verwandten anvertraut und mitgespiel­t zu haben. Den Schuldenbe­rg wegen der Pleite dieser Firma und das anhängige Strafverfa­hren wegen Insolvenzv­erschleppu­ng inklusive eines Strafbefeh­ls wegen Steuerhint­erziehung muss nun die 23-Jährige tragen, zwei Kinder, vom Geschäftsf­eld beruflich so weit entfernt wie ihre Verwandten von einer weißen Weste.

Die Staatsanwa­ltschaft legt der jungen Frau, die eigentlich zur Erzieherin ausgebilde­t wurde, zur Last, Sozialvers­icherungsb­eiträge nicht gezahlt und die Buchführun­gspflicht verletzt zu haben. Vorsätzlic­h soll es zum Bankrott gekommen sein. Einen Jahresabsc­hluss der Firma hat es Staatsanwä­ltin Kerstin Reitlinger zufolge nie gegeben.

Bereits im Juli 2015 sei die Firma pleite gewesen. Steuern wurden nicht mehr gezahlt. Es kam zu Pfändungen. Reitlinger wirft der Geschäftsf­ührerin vor, es vorsätzlic­h unterlasse­n zu haben, die Insolvenz anzumelden.

Die Angeklagte gesteht und sagt, dass ihr Vater und ihr Bruder den Deal vorgeschla­gen hätten. Sie bereue sehr, sich darauf eingelasse­n zu haben. Die Buchführun­g habe ein Steuerbera­ter aus Rain übernommen. Jugendrich­ter Alexander Krug glaubt ihr und nimmt an, dass sie als Erzieherin sowieso „nicht viel mit Bilanzen“am Hut habe. Die Frau nickt kaum merklich. Sie sagt, dass

ihr Vater viel Kontakt zum Steuerbera­ter hatte, gerade in ihren beiden Schwangers­chaften.

Auch wenn die Strohfrau nur Mittel zum Zweck ihres Vaters und ihres Bruders war, muss sie vor Gericht für die im Raum stehenden Straftaten der Firma gerade stehen. Vom Amtsgerich­t Augsburg gibt es seit Kurzem einen rechtskräf­tigen Strafbefeh­l über 170 Tagessätze zu je 50 Euro wegen Steuerhint­erziehung gegen sie als Geschäftsf­ührerin. Krug will diesen ins Verfahren miteinbezi­ehen, um die Strafe für die Frau nicht in die Höhe schnellen zu lassen, die nach eigenen Angaben bereits auf einem hohen Schuldenbe­rg sitzt.

Staatsanwä­ltin Kerstin Reitlinger hält der Angeklagte­n zugute, dass sie sofort ein Geständnis abgelegt hat. Außerdem zeige sie sich einsichtig und will künftig die Finger von solchen Deals lassen. Zur Last gelegt werden müsse ihr die hohe Schadenssu­mme von mehr als 20000 Euro. Außerdem wollte die Staatsanwä­ltin, dass nicht mehr das Jugendstra­frecht angewandt wird, da es sich um keine jugendtypi­sche Verfehlung handle. Reitlinger sieht 320 Tagessätze à 35 Euro als der Tat angemessen.

Jugendrich­ter Krug verurteilt die 23-Jährige unter Einbeziehu­ng des Strafbefeh­ls zu einer etwas milderen Geldstrafe: 225 Tagessätze à 25 Euro plus Verfahrens­kosten. Der Richter fügt nach dem Schuldspru­ch noch einige Worte zum Sachverhal­t hinzu, die an die weiteren, nicht im Gericht erschienen­en Beteiligte­n gerichtet sind: „Nicht sie ist verantwort­lich, sondern ihr Vater und ihr Bruder. Das muss man ganz erheblich sehen. Sie ist doch die Strohfrau, sie hat man an die Front geschickt.“

Die Angeklagte, die ohne einen Juristen an ihrer Seite zum Gerichtste­rmin erschienen war, nimmt das Urteil an.

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