Streitfall Nördlinger Altstadtsatzung
Ein Nördlinger saniert sein Dach. Doch er baut zu viele Fenster ein. Der Bauausschuss des Stadtrates lehnt das ab – der Bürger soll noch einmal Geld in die Hand nehmen
Ein Nördlinger saniert das Dach seines Hauses in der Innenstadt, warum er nun vielleicht erneut viel Geld investieren muss.
Nördlingen Raimund Tiedemann hat sein Dach isoliert. Nun könnte man ihm dafür auf die Schulter klopfen, schließlich bedeutet das eine energetische Verbesserung für das Gebäude. Und wie nötig selbst kleine Maßnahmen sind, hat nicht zuletzt der Bericht des Weltklimarates zum Klimawandel in dieser Woche gezeigt. Nur: Tiedemanns Haus steht innerhalb der Nördlinger Stadtmauer und fällt damit unter die sogenannte Altstadtsatzung. Über die wurde in den vergangenen Wochen im Zuge des Anbaus an die Grundschule Mitte bereits viel gesprochen. Weil Tiedemann sich bei der Sanierung seines Daches eben nicht an die Vorschriften dieser Satzung gehalten hat, wurden er und das Bauwerk jetzt Thema im Nördlinger Bauausschuss.
Tiedemann hatte das Dach nicht nur isoliert, sondern auch ein zusätzliches Dachfenster eingebaut – ganz oben, an der Spitze. Aus seiner Sicht ist das Fenster an dieser Stelle notwendig. Schließlich sei genau da oben die Satellitenschüssel. Wenn bei der mal etwas kaputt gehe, könne er sie ja nicht mehr von innen erreichen, jetzt wo das Dach isoliert sei. „Sonst muss ich da ja extra eine Hebebühne kommen lassen oder mit einer Leiter da rauf.“Zudem hat Tiedemann im Zuge der Dachsanierung die beiden bereits bestehenden, alten Dachfenster austauschen lassen. Die seien morsch gewesen. Das Ergebnis: Das Dach hat jetzt drei Fenster.
Erlaubt wäre aber nur eines pro Dachseite, erläuterte Thorsten Vogelgsang, Sachgebietsleiter im Bauamt der Stadtverwaltung, in der Sitzung des Bauausschusses. Und das, obwohl eigentlich ja vor der Dachsanierung schon zwei Fenster eingebaut waren, wie Stadtbaumeister Hans-georg Sigel auf Nachfrage von Pwg-stadtrat Alexander Deffner bestätigte. Der wollte wissen, ob der Bauherr den sogenannten Bestandschutz auch verliere, wenn er das Dach energetisch saniere. Sigels Antwort: „Ja“. Schließlich habe man nur alle 30 Jahre, wenn mal ein Dach gemacht werde, die Möglichkeit, die Missstände zu beseitigen. Csu-fraktionsvorsitzender Jörg Schwarzer hakte nach: Er wollte wissen, ob der Hausbesitzer den Bestandsschutz auch verliere, wenn er nicht renoviere sondern die Fenster nur austausche? Auch das bestätigte Sigel: Selbst wenn die Fenster komplett kaputt seien, könne man sie nicht einfach ersetzen – weil eben nur ein Fenster in einer Größe von bis zu 0,35 Quadratmeter pro Dachseite zulässig ist.
Vogelgsang machte den Räten deutlich: Mit der neuen Farbe der Hausfassade könnte man sich arrangieren, mit der Zahl der Fenster nicht. Es gehe um das Thema Gleichberechtigung, wenn man jetzt zustimme, könne man bei anderen Projekten nicht ablehnen. Der Fraktionsvorsitzende der Stadtteilliste, Thomas Mittring, wollte wissen, ob man den Bauherrn nachträglich fördern könne. Das verneinte Oberbürgermeister Hermann Faul: „So ist das Kind schon im Brunabsolut nen.“Spd-fraktionsvorsitzende Rita Ortler zeigte sich verwundert, dass Menschen, die in der Altstadt wohnen, die Altstadtsatzung nicht kennen würden. Die Abweichung von dieser Satzung im Bezug auf die Fenster lehnte der Ausschuss einstimmig ab.
Das bedeutet für Tiedemann: Entweder, er baut zwei Fenster wieder aus und schließt das Dach an dieser Stelle – oder er investiert in Gauben. „Wie soll das gehen? Ich drucke das Geld ja nicht“, schimpft er. Der Nördlinger verweist auf andere Häuser in der Innenstadt, die auch nicht entsprechend der Altstadtsatzung saniert worden seien. „Wieso geht das bei den anderen?“, will er wissen, fordert gleiches Recht für alle. Der Nördlinger verweist auf den angedachten Quader an der Grundschule Mitte: „Wie passt denn das Flachdach ins Stadtbild?“
Etwas an seinem neu sanierten Dach ändern will Tiedemann nicht. Vorher will er rechtliche Schritte einleiten.