Die „große Erzählung der Rechten“
Liane Bednarz referiert in Nördlingen über ihr Debattenbuch „Die Angstprediger“
Nördlingen Sie spricht von der „großen Erzählung der Rechten“, wenn sie über Religion und Politik spricht und beschreibt, welchen Einfluss rechte Christen in Deutschland haben. Es ist überraschend voll in den Räumen des Nördlinger Kunstvereins, ist doch der Termin Erntedank-sonntag, 11 Uhr, ein Wagnis, wie Christa Müller vom Diakonischen Werk Donau-ries, welches die Veranstaltung zusammen mit Bücher Lehmann ausgerichtet hat, in ihrer Begrüßung einräumt. Umso erfreulicher, dass sich sehr viele Interessierte eingefunden haben.
Das Thema scheint brisant und wohl angesichts der bevorstehenden Wahlen in Bayern hochaktuell. Die Referentin Liane Bednarz ist promovierte Juristin und preisgekrönte Publizistin mit dem Schwerpunkt Populismus und religiöse Bewegungen. Ihre Artikel erschienen unter anderem im Tagesspiegel, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, der Huffington Post und auf Spiegel Online.
Mit „großer Erzählung“meint sie die subtile Strategie, mit der Teile der evangelischen, evangelikalen und katholischen Christen seit Jahren mit rechtem Gedankengut unterwandert werden, wie sie es annehmen und verbreiten. Liane Bednarz nennt es Fundamentalismus, wenn das Vertrauen in die christliche Religion und ihre Kirchen ausgenutzt wird, um die bürgerliche Mitte mit rechten Ideen zu infiltrieren und einen regelrechten Kreuzzug gegen Pluralismus und Toleranz zu führen. Sie spannt in ihrer Argumentationskette den Bogen vom Konservativismus nach 1945 (Wie aus konservativer Frömmigkeit ein Denken in Feindbildern wurde) bis zum vermeintlichen Kampf im Heute gegen den Zeitgeist und die politische Korrektheit. Immer wieder unterbricht sie ihren Vortrag und zeigt anhand von Videos, wie die Protagonisten der „Bewegung“argumentieren. Und sie benennt die Feindbilder der Akteure: die Fixierung auf die Sexualität (gegen Ehe für alle und Homosexualität), die Verfallsrhetorik, die Verachtung der Moderne, Genderwahn und so weiter.
Rechte Christen kämpften gegen die angebliche Islamisierung, gegen Zuwanderung und Migration, gegen Gleichberechtigung und Abtreibung, ein zeitgemäßes Familienbild und die – ihrer Meinung nach – zu liberale Haltung in den großen Kirchen. Die Verbindungen zur rechten populistischen Szene seien zum Teil fließend, die Angstprediger zeigten bisweilen offene Sympathie für Pegida, die AFD und die vom Verfassungsschutz beobachtete Identitäre Bewegung. Sie beschreibt die Feindbilder, Überzeugungen und Aktionsformen, und sie nennt Namen, Mitstreiter und Netzwerke, die sich so gerne als „Retter des christlichen Abendlandes“verstanden wissen wollen. Ganz klar fällt deshalb ihre Warnung vor den gesellschaftlichen Konsequenzen dieser Instrumentalisierung von Religion aus. Klar sagt Liane Bednarz aber auch, wie jeder Einzelne damit umgehen, was man als liberale Gesellschaft dagegen tun kann: miteinander reden, die Menschen nicht ausgrenzen und so zu „Märtyrern“machen. Man sollte deren „großer rechten Erzählung“keinen Glauben schenken. Man sollte Haltung bewahren und in dringend notwendigen Gesprächen sich nicht auf dieselbe sprachliche Verrohung („Lügenpresse“etc.) einlassen. Und man muss Geduld aufbringen.
Liane Bednarz ist sicher, dass sich die Angstprediger in einer offenen Gesellschaft auf lange Sicht nicht durchsetzen können, wenn diese Gesellschaft ihre Haltung bewahrt und die demokratischen Errungenschaften unserer Zeit offensiv verteidigt. Ein kluger, wichtiger Vortrag zum richtigen Zeitpunkt. Bleibt zu wünschen, dass sie mit ihrer Sicherheit recht behält.