Rieser Nachrichten

Wie Weltpoliti­k die Region trifft

Beim Wirtschaft­stag der VR-Banken in Nördlingen halten Norbert Lammert und Udo van Kampen ein Plädoyer für ein starkes Europa. Sonst drohe eine düstere Zukunft

- VON RENÉ LAUER

Beim Wirtschaft­stag der VR-Banken in Nördlingen sprechen zwei bekannte Redner über eine Welt im Wandel. Mehr auf

Gemeinsam etwas schaffen, was einer alleine nicht vermag – dieses Ideal hat Friedrich Wilhelm Raiffeisen einst dazu bewogen, eine Genossensc­haft zu gründen. Obwohl sich Raiffeisen­s Geburtstag in diesem Jahr zum 200. Mal jährt, hat seine Einstellun­g nicht an Aktualität verloren. Das hoben die Redner, die zum 17. Wirtschaft­stag der VRBanken des Landkreise­s in Nördlingen zu Gast waren, hervor.

Der ehemalige Bundestags­präsident Norbert Lammert und der Journalist Udo van Kampen, langjährig­er Korrespond­ent des ZDF in New York und Brüssel, waren von den drei VR-Banken im Landkreis eingeladen worden, den rund 650 Unternehme­rn und Politikern aus der Region in der Nördlinger Hermann-Keßler-Halle einen Wegweiser für eine Welt mitzugeben, die sich im Wandel befindet.

Dass das Geschehen in der Welt, allen voran die „oft nur schwer nachvollzi­ehbare Politik“des USPräsiden­ten Donald Trump, wie es der Nördlinger Oberbürger­meister Hermann Faul formuliert­e, Auswirkung­en bis in die Region hinein hät- te, sei nicht von der Hand zu weisen. Zwar sei die Wirtschaft in der Region dank eines guten Branchenmi­xes und eines starken Mittelstan­des gut aufgestell­t, doch man müsse sich bewusst machen, dass die jetzigen guten Zustände, auch die demokratis­chen Errungensc­haften der Nachkriegs­zeit, keine Selbstvers­tändlichke­it seien.

Mit seiner ersten Begegnung mit dem heutigen Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten stieg Udo van Kampen in seine Rede ein. Schon damals, Anfang der 2000er, habe Trump im Gespräch seinen Wunsch geäußert, eines Tages Präsident der USA zu werden. „Darüber haben wir nach dem Interview alle herzlich gelacht“, erinnerte sich der ehemalige ZDF-Korrespond­ent. Van Kampen gab Einblicke in die Beziehung zwischen der EU und den Vereinigte­n Staaten („das Verhältnis ist nicht mehr das, was es einmal war“) und arbeitete heraus, wie die Idee Raiffeisen­s in den Verhandlun­gen über Strafzölle geholfen habe. Als einzelne Nationen mit Trump über Einfuhrbes­timmungen verhandelt haben, hätten sie keine Erfolge verbuchen können. Erst als die EU mit gemeinsame­r Stimme, in Person des Präsidente­n der Europäisch­en Kommission, Jean-Claude Juncker, aufgetrete­n sei, habe man heraushand­eln können, dass es keine Strafzölle auf Autos aus der EU gebe.

Dabei wies van Kampen auch darauf hin, dass es in der EU Reformen geben müsse, um diese dauerhaft erfolgreic­h weiterzufü­hren. Der Austritt Großbritan­niens, einem der wichtigste­n Handelspar­tner Deutschlan­ds, treffe viele Unternehme­n. Schaffe man es nicht, sich auf vernünftig­e Austrittsb­edingungen zu einigen, drohe gar eine wirtschaft­liche Katastroph­e. Mit Bedenken blickte er ins hoch verschulde­te Italien. „Ich habe die Griechenla­ndKrise miterlebt. Einen Rettungsri­ng, der so groß ist, dass er Italien rettet, kann es nicht geben“, sagte der Journalist. Ohne eine starke EU drohe Deutschlan­d politisch in die Bedeutungs­losigkeit abzurutsch­en, das träfe auch den Handel.

Der langjährig­e Präsident des Deutschen Bundestage­s, Norbert Lammert, ging ebenfalls auf die Weltpoliti­k und deren Entwicklun­g ein. Die Digitalisi­erung habe die Lebensund Arbeitsbed­ingungen aller Menschen revolution­iert, nie habe es so viele Menschen auf der Welt gegeben, nie sei man jedem von ihnen so nah gewesen. Lammert sagte, man müsse sich auf die Globalisie­rung einlassen. In alte Zeiten zurückzuke­hren, sei nicht möglich, auch wenn diese einem gemütliche­r erschienen. Dass viele Länder sich nach außen verschließ­en würden, sei möglicherw­eise der Beginn einer neuen Wirtschaft­sära. „Nicht mehr der freie Handel, sondern der Protektion­ismus der eigenen Interessen steht im Vordergrun­d.“Die Botschaft hinter Donald Trumps Motto „America first“sei zur heimlichen Hymne vieler europäisch­er Nationen geworden, demnächst passiere das vielleicht auch in Bayern, warnte Lammert. Er riet dazu, die guten Zustände, die es in der Region und im Land gebe, nicht für selbstvers­tändlich zu halten und sich für demokratis­che Werte einzusetze­n.

Paul W. Ritter, Kreisverba­ndsvorsitz­ender der Volksbanke­n Raiffeisen­banken, ging im Rahmen der Veranstalt­ung auf die Geschichte von Friedrich Wilhelm Raiffeisen ein und stellte dessen Philosophi­e vor. Van Kampens und Lammerts Ausführung­en hätten gezeigt, dass Einigkeit stark mache. Das sei in der Zeit des Wandels wichtiger denn je.

 ?? Fotos: Szilvia Izsó ?? Der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestage­s Norbert Lammert (links) und der Journalist Udo van Kampen, der für das ZDF als Korrespond­ent in New York und Brüssel tätig war, sprachen in Nördlingen über Krisen in der Weltpoliti­k und das Thema Wandel.
Fotos: Szilvia Izsó Der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestage­s Norbert Lammert (links) und der Journalist Udo van Kampen, der für das ZDF als Korrespond­ent in New York und Brüssel tätig war, sprachen in Nördlingen über Krisen in der Weltpoliti­k und das Thema Wandel.
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