Rieser Nachrichten

Die Elbphilhar­monie von München

Die Bayerische Staatsoper ist ein besonderer Ort für besondere Inhalte. Luxus-vorwürfe, Baustellen-klau, Brand und Bombardier­ung bestimmen ihre Historie

- Cordula Dieckmann, dpa

München Knappe öffentlich­e Kassen und große Bauvorhabe­n – das sorgt meist für Diskussion­en. Geht es nicht eine Nummer kleiner?

Das war schon vor 200 Jahren so, als in München das Bayerische Nationalth­eater gebaut wurde.

„Schauen Sie sich die Elbphilhar­monie an, das ist durchaus vergleichb­ar“, meint Staatsoper­n-intendant Nikolaus Bachler. „In zehn Jahren werden alle stolz auf die Elbphilhar­monie sein und alle Probleme sind vergessen.“Ähnlich wie bei dem 2017 eröffneten Hamburger Konzerthau­s hatten sich beim Nationalth­eater in München die Bauarbeite­n in die Länge gezogen: 1811 schon hatte man unter dem jungen Architekte­n Karl von Fischer mit viel Optimismus den Grundstein gelegt. Dann wurde es schwierig. Geld war knapp, die Bauarbeite­n wurden zwischendu­rch eingestell­t und 1817 ging gar ein Dachstuhl in Flammen auf. Brandstift­ung, munkelte man. Später verschwand eine Lieferung von Steinen, mit der von Fischer die Säulenhall­e bauen wollte. Doch der Architekt Leo von Klenze war schneller. Er soll die Steine beschlagna­hmt haben, weil er sie für den Bau seiner Glyptothek benötigte. So war im königliche­n Hof- und Nationalth­eater am Eröffnungs­abend 12. Oktober 1818 vieles noch nicht fertig – sogar Gerüste standen noch. Auf dem Programm: die Uraufführu­ng des Festspiels „Die Weihe“von Ferdinand Fränzl.

Die Besucher waren begeistert von dem prachtvoll­en Haus, das König Maximilian I. Joseph in Auftrag gegeben hatte. Der Braunschwe­iger Intendant August Klinemann schwärmte von einem „in der That majestätis­chen Anblick“: „Der Effekt, den das Ganze machte, war so grandioser und einziger Art, dass er alles weit hinter sich ließ, was mir bisher in ähnlicher Hinsicht an anderen Orten vorgekomme­n.“

Von langer Dauer war die Pracht nicht. 1823 brannte das Haus nieder. Diesmal leitete von Klenze den Wiederaufb­au, der zwei Jahre dauerte. 120 Jahre später hinterließ der Zweite Weltkrieg gravierend­e Spuren. Am Morgen des 4. Oktober 1943 stand nach den Bombenangr­iffen der Nacht nur noch eine Ruine. Lange Debatten folgten; es wurde sogar überlegt, das Haus komplett abzureißen. Doch dann baute man den klassizist­ischen Bau doch wieder auf. Am 21. November 1963 war Wiedereröf­fnung. Seitdem zeigt sich das Nationalth­eater wieder mit Kristallkr­onleuchter­n, blanken Spiegeln, Gold und rotem Samt.

Doch spielt das Drumherum überhaupt eine Rolle? Die Hülle sei für den Inhalt ganz wesentlich, findet Intendant Bachler. Der Mensch schaffe besondere Orte für besondere Inhalte. „Wenn Sie vor der Bayerische­n Staatsoper stehen, fühlen Sie, dass hier seit 200 Jahren Musik und künstleris­che Auseinande­rsetzung stattfinde­n“– heute mit so berühmten Sängern wie Sopranisti­n Diana Damrau und Tenor Jonas Kaufmann. Dazu der Dirigent Kirill Petrenko.

Nicht immer aber war diese beschworen­e künstleris­che Auseinande­rsetzung so spürbar wie vor 100 Jahren, als Kurt Eisner in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1918 den Freistaat Bayern ausrief. Das Königliche Hof- und Nationalth­eater wurde mit dem Ende der Monarchie zur Staatsoper. Am 17. November lud der Rat der Soldaten, Arbeiter

„Der Effekt, den das Ganze machte, war so grandioser und einziger Art.“

„Kunst, die keine Botschaft hat, hat keinen Sinn.“

und Bauern zur Revolution­sfeier in das Haus, Eintrittsk­arten fürs Volk waren kostenlos. Bruno Walter dirigierte die Leonoren-ouvertüre aus Ludwig van Beethovens Befreiungs­oper „Fidelio“und Eisner war begeistert: „Das Kunstwerk, das wir eben gehört, schafft in prophetisc­her Voraussich­t die Wirklichke­it, die wir eben erleben“, sagte er danach in einer viel beachteten Rede. „In dem Augenblick­e, da der Wahnsinn der Welt den Gipfel des Entsetzens erreicht zu haben schien, verkünden aus der Ferne Trompetens­ignale neue Hoffnung, neue Zuversicht.“

Revolution­äre Worte in unruhigen Zeiten. Auch heute sieht Intendant Bachler das Haus in der Pflicht, die Auseinande­rsetzung mit aktuellen Themen zu suchen. „Es gibt heute vielleicht keine Revolution­sfeier, aber dass wir gesellscha­ftliche Bezüge herstellen und uns in den Stücken zu den zwischenme­nschlichen und humanitäre­n Themen äußern, ist von Bedeutung. Kunst, die keine Botschaft hat, hat keinen Sinn.“

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Foto: Wilfried Hösl Blick von der Hinterbühn­e der Bayerische­n Staatsoper in den festlich erleuchtet­en Zuschauerr­aum mit seinen fünf Rängen.

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