Rieser Nachrichten

Er schreibt, was ich denke, und ich denke, was er schreibt: Mit diesem legendären Satz hat Franz Josef Strauß einst sein Verhältnis zu Wilfried Scharnagl, dem langjährig­en Chefredakt­eur des Bayernkuri­er, beschriebe­n.

-

zist eine Institutio­n in der CSU. Gesundheit­lich nach mehreren Knochenbrü­chen und einem Schlaganfa­ll schon schwer gezeichnet, nahm Scharnagl bis ins hohe Alter wie selbstvers­tändlich an den Sitzungen des Parteivors­tandes teil, zuletzt allerdings mit schwindend­em Vergnügen. Noch wenige Tage bevor er mit einer Lungenentz­ündung ins Krankenhau­s musste, klagte Scharnagl einem Reporter des „Die Entwicklun­g meiner Partei macht mich traurig.“Ein Ergebnis mit einer Drei am Anfang hielt er da noch für unvorstell­bar. Die Schuldige für den Niedergang seiner CSU hatte er aber bereits ausgemacht: „Die Frau Merkel ist ein Unglück. Sie ist ein Unglück für die Union.“

Geboren in Hinterkott­en im Sudetenlan­d hatte es Scharnagls Familie nach dem Krieg ins bayerische Schwaben verschlage­n, genauer: nach Oberndorf am Lech. In Donauwörth ging Sohn Wilfried von 1949 an auf das Gymnasium, machte dort auch Abitur und studierte anschließe­nd Geschichte und Germanisti­k in München und Frankfurt. Nach einem Gastspiel beim

trat er 1964 in die Redaktion des ein, dessen Chefredakt­eur er 1977 wurde. Aus seiner Bewunderun­g für das Faszinosum Strauß, wie er den 23 Jahre älteren Vorsitzend­en häufig nannte, war da schon eine christsozi­ale Männerfreu­ndschaft geworden. Und wenn über dem Leitartike­l im

einmal nicht der Name Scharnagl stand, sondern der von Strauß, hatte den natürlich nicht der Parteichef höchstselb­st geschriebe­n, sondern der Chefredakt­eur, der viel mehr war als „nur“Chefredakt­eur.

Scharnagl begleitete den Vorsitzend­en auf großen Reisen wie der zu Deng Xiaoping in Peking oder dem legendären Flug im Moskauer Schneegest­öber zu Michail Gorbatscho­w. Er fuhr mit ihm auch jedes Jahr für ein paar Tage in Urlaub und schrieb mehrere Bücher über Strauß, dessen Frau Marianne und die Defizite der Europäisch­en Union. Im Fernsehrat des versuchte er trickreich, allzu linksgewir­kte Chefredakt­eure zu verhindern, und teilte auch sonst gerne kräftig aus. Journalist­en, die aus seiner Sicht etwas zu kritisch mit seiner CSU umsprangen, stellte er spätestens beim nächsten Parteitag: „Also, was Sie da geschriebe­n haben …“

Wie eng und symbiotisc­h die Beziehung zwischen Strauß und ihm war, zeigte Scharnagl nach dem Tod des CSU-Vorsitzend­en noch einmal, indem er dessen Autobiogra­fie „Erinnerung­en“vollendete und dafür von ungewohnte­r Seite geadelt wurde. Absolut authentisc­h sei der Text geworden, lobte die Münchner Journalist­enlegende Herbert RiehlHeyse damals, ein Mann, der sich ein ganzes Berufslebe­n lang kritisch mit der CSU auseinande­rgesetzt hatte. Bei Scharnagl aber war er sich sicher: „So redet und schreibt nur Strauß.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany