Rieser Nachrichten

Ein Fladen-Pirat geht von Bord

RN-Interview Mit Christian „Schnippi“Friedrich zieht sich der Mitbegründ­er des Nördlinger Kultladens als Geschäftsf­ührer zurück. Sein Partner Marcel Kraft macht allein weiter und hat noch jede Menge Ideen

- VON ROBERT MILDE

Nördlingen Der Treffpunkt ist für ein intensives Gespräch gut gewählt, denn im Fladen-Laden in der Drehergass­e ist es ruhig wie selten in diesem Sommer und Herbst. Noch eine Woche macht der Szenetreff vor allem junger Nördlinger und Rieser Urlaub; zurückkomm­en wird nach der Verschnauf­pause nur noch einer der beiden Geschäftsf­ührer, denn Mitbegründ­er Christian Friedrich, den alle nur „Schnippi“nennen, zieht sich zurück. Sein Geschäftsp­artner Marcel Kraft macht allein weiter und hat noch jede Menge Ideen, wie in den nächsten 90 Minuten deutlich wird.

Herr Friedrich, Herr Kraft, als Sie vor etwa acht Jahren die Fladen-Piraten ins Leben gerufen haben, hätten Sie geglaubt, dass daraus mal eine Massenbewe­gung werden könnte, wie diesen Sommer mit vielen Dutzend Einzelvera­nstaltunge­n und ganztägige­m Betrieb am Donnerstag im eigenen Fladen-Laden?

Christian Friedrich: Der Plan war das definitiv nicht, auch wenn wir spaßeshalb­er früher schon mal gewitzelt haben, dass es schön wäre, eine eigene Bar zu haben.

Marcel Kraft: Die Anfänge waren ja auch ganz bescheiden. Früher haben wir den Backofen und die Zutaten in den Kombi gepackt und sind zu den Leuten gefahren, die uns zu ihrem Geburtstag oder irgendeine­m anderen Anlass gebucht haben.

Wer hatte die Idee?

Kraft: Wir hatten damals beschlosse­n, in eine WG zu ziehen, und ich hab in dieser Zeit auf dem Augsburger Weihnachts­markt am Zeughauspl­atz für einen Bekannten Fladen verkauft. Vor meiner Ausbildung zum Heilerzieh­ungspflege­r hatte ich ja eine Bäckerlehr­e gemacht, und von daher waren die Grundkennt­nisse vorhanden. Christian und ich haben uns dann überlegt, dass wir das im Ries doch auch versuchen könnten. Die erste Idee war, für Freunde und Bekannte Fladen zu backen, wenn sie eine Veranstalt­ung haben. Das notwendige Equipment haben wir uns am Anfang ausgeliehe­n.

Friedrich: Den Drang, Ideen in der Küche zu verwirklic­hen, hatten wir beide, und auch der Freundes- und Bekanntenk­reis kochte sehr gerne. Der erste große Kick kam dann beim Stadtmauer­fest 2010, als wir merkten, dass unsere Methode, ganz dünnen Teig mit schmackhaf­ten Zutaten zu belegen und dem Ganzen einen originelle­n Namen zu geben, bei den Leuten gut ankam.

Kult geworden sind ja nicht zuletzt die frechen Fladenname­n wie Rosettenfe­uer oder Schandflec­k. Wie sind die entstanden?

Kraft (lacht): Die sind uns in einer lockeren Bierrunde eingefalle­n. Wir wollten uns einfach von den üblichen Bezeichnun­gen unterschei­den.

Nach den ersten Jahren kam dann der große Wagen oder?

Friedrich: Das muss 2013 oder 2014 gewesen sein. Die ersten Jahre haben wir in einer Hütte gearbeitet, die mein Vater zusammenge­baut hat. Den Wagen haben wir dann in Hannover aufgetrieb­en, wo er für den Verkauf von Bio-Gemüse auf dem Markt verwendet wurde. Er war zwar nicht perfekt für unsere Zwecke, aber er war geräumig und das war eine der wichtigste­n Kriterien für uns. Das war dann schon eine kostspieli­ge, aber notwendige Investitio­n für uns.

Die Fladen-Piraten sind eine GbR mit zwei Geschäftsf­ührern. Demnächst aber nur noch mit einem ... Friedrich: Ja, ich scheide durchaus mit einem weinenden Auge aus. Hauptjob als Industriem­echaniker bei Valeo in Wemding, Nebenjob bei den FladenPira­ten, Familie – das geht irgendwann einmal an die Substanz. In der Gastronomi­e sind die Wochenende­n ja quasi Regelarbei­tstage, und da hat die Familie am meisten darunter gelitten. Außerdem hatte ich im vergangene­n Jahr und auch in diesem Frühjahr gesundheit­liche Probleme – es ist einfach zu viel geworden.

Wie viele Mitarbeite­r auf Geringverd­iener-Basis haben die Fladen-Piraten eigentlich?

Kraft: Das müssten aktuell 20 Leute sein. Wenn wir den Umfang an Veranstalt­ungen inklusive Nördlinger Mess’, diversen Musikfesti­vals, eigenen Konzerten und den Donnerstag­en im Fladen-Laden aufrecht erhalten wollen, ist das immer noch zu wenig.

Friedrich: Ich hab’ da mal zurück gedacht und bin in den letzten beiden Jahren auf circa zwei Veranstalt­ungstage pro Woche gekommen.

Herr Friedrich, Sie könnten sich nach Ihrem Ausscheide­n als Geschäftsf­ührer ja auf 450-Euro-Basis wieder anstellen lassen ... Friedrich: Das habe ich tatsächlic­h schon vorgeschla­gen. Mir ist ganz wichtig, dass wir im Guten auseinande­rgehen und es nicht so aussieht, also ob ich den Marcel jetzt mit der ganzen Arbeit allein lasse. Kraft: Ich hab nur ein Problem damit, dass es relativ spontan kam, dass der Christian ausscheide­n will. Gerade mal drei Monate Vorlauf sind da schon knackig. Allerdings habe ich schon eine Zeit lang gespürt, dass es dem Christian einfach zu viel wird ...

Friedrich: Ich habe das früher immer belächelt, wenn Leute von Burnout erzählt haben. Jetzt weiß ich selber, wovon sie gesprochen haben. Ich will nicht sagen, dass ich einen hatte, aber es ging durchaus in diese Richtung.

Kann der Marcel Kraft den Job allein stemmen, den bislang zwei Personen gemacht haben, Herr Friedrich? Friedrich: Ich sag mal Ja. Durch den doch relativ regen Personalwe­chsel hat der Marcel jetzt aktuell einen Trupp von fleißigen, hilfsberei­ten jungen Leuten beisammen, die auch mitschauen und mitdenken, dass der Laden läuft. Die können den Marcel richtig entlasten.

Der große Zuspruch ist schön für den Fladen-Laden, gefällt aber manchem Anlieger überhaupt nicht. Es gibt Klagen über die Lärm- und Verkehrsbe­lästigung ...

Friedrich: Ich habe den Eindruck, dass das Verkehrspr­oblem mitunter das größere ist. Manchmal gab es vor lauter Menschen fast kein Durchkomme­n mehr, sodass wir schon überlegt haben, ob man einen Teil der Drehergass­e am Donnerstag­abend nicht sperren könnte. Kraft: Ich hab’ schon mit dem Nördlinger Ordnungsam­t, mit dem wir übrigens in einem guten Kontakt stehen, darüber gesprochen und zumindest nicht gleich eine Abfuhr bekommen. Es hieß nur, dass man dazu die Meinung des Oberbürger­meisters und vielleicht auch des Stadtrats hören müsste.

Und der Lärm?

Kraft: Eine eventuelle Sperrung der Drehergass­e für einige Stunden würde keine Änderung unserer Öffnungsze­iten nach sich ziehen, die wir mit Anwohnern abgesproch­en haben. Um 23 Uhr ist bei uns Ende des Ausschanks; das ist mit Rücksicht auf die Anwohner deutlich früher als in vielen anderen Kneipen. Danach dauert es natürlich trotzdem noch einige Zeit, bis die Leute nach Hause gehen, aber mehr können wir fast nicht tun. Wenn man in der Stadt wohnt, muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass es da nicht immer nur leise ist.

Friedrich: Ein bisschen Verständni­s habe ich da allerdings schon. 20, 30 oder 40 Jahre war hier Ruhe, und da kommen plötzlich ein paar „Piraten“daher und machen einfach eine Kneipe auf ...

Herr Kraft, Sie gelten als einer, der in Nördlingen gerne noch etwas bewegen möchte. Was genau meinen Sie? Kraft: Wir haben bei unseren bisherigen Konzerten gemerkt, dass das Interesse an handgemach­ter Musik

Der Truck war ursprüngli­ch ein Wagen für Bio-Gemüse

Ein eigenes Musikfesti­val in Nördlingen

durchaus da ist. Was es in Nördlingen bisher nicht gab, ist ein eigenes Festival. Das ist auch der Grundgedan­ke unseres Streetfood-Festivals „Störenfrie­d“, das einmal zum Musikfesti­val werden könnte. Friedrich: Das Streetfood-Festival ist so eine Veranstalt­ung, bei der ich auch nach meinem Ausscheide­n gerne noch aktiv mithelfen möchte, weil es vor allem meine Idee war, es ins Leben zu rufen. Da hätte ich auf jeden Fall Lust, auch in Zukunft dabei zu sein.

 ?? Foto: Robert Milde ?? Christian Friedrich (links) und Marcel Kraft im Fladen-Laden in der Drehergass­e, den sie vor drei Jahren gepachtet haben, um dort jeden Donnerstag Fladen, Getränke, Musik und gute Stimmung anzubieten. Das gefällt nicht jedem.
Foto: Robert Milde Christian Friedrich (links) und Marcel Kraft im Fladen-Laden in der Drehergass­e, den sie vor drei Jahren gepachtet haben, um dort jeden Donnerstag Fladen, Getränke, Musik und gute Stimmung anzubieten. Das gefällt nicht jedem.

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