Ein Fladen-Pirat geht von Bord
RN-Interview Mit Christian „Schnippi“Friedrich zieht sich der Mitbegründer des Nördlinger Kultladens als Geschäftsführer zurück. Sein Partner Marcel Kraft macht allein weiter und hat noch jede Menge Ideen
Nördlingen Der Treffpunkt ist für ein intensives Gespräch gut gewählt, denn im Fladen-Laden in der Drehergasse ist es ruhig wie selten in diesem Sommer und Herbst. Noch eine Woche macht der Szenetreff vor allem junger Nördlinger und Rieser Urlaub; zurückkommen wird nach der Verschnaufpause nur noch einer der beiden Geschäftsführer, denn Mitbegründer Christian Friedrich, den alle nur „Schnippi“nennen, zieht sich zurück. Sein Geschäftspartner Marcel Kraft macht allein weiter und hat noch jede Menge Ideen, wie in den nächsten 90 Minuten deutlich wird.
Herr Friedrich, Herr Kraft, als Sie vor etwa acht Jahren die Fladen-Piraten ins Leben gerufen haben, hätten Sie geglaubt, dass daraus mal eine Massenbewegung werden könnte, wie diesen Sommer mit vielen Dutzend Einzelveranstaltungen und ganztägigem Betrieb am Donnerstag im eigenen Fladen-Laden?
Christian Friedrich: Der Plan war das definitiv nicht, auch wenn wir spaßeshalber früher schon mal gewitzelt haben, dass es schön wäre, eine eigene Bar zu haben.
Marcel Kraft: Die Anfänge waren ja auch ganz bescheiden. Früher haben wir den Backofen und die Zutaten in den Kombi gepackt und sind zu den Leuten gefahren, die uns zu ihrem Geburtstag oder irgendeinem anderen Anlass gebucht haben.
Wer hatte die Idee?
Kraft: Wir hatten damals beschlossen, in eine WG zu ziehen, und ich hab in dieser Zeit auf dem Augsburger Weihnachtsmarkt am Zeughausplatz für einen Bekannten Fladen verkauft. Vor meiner Ausbildung zum Heilerziehungspfleger hatte ich ja eine Bäckerlehre gemacht, und von daher waren die Grundkenntnisse vorhanden. Christian und ich haben uns dann überlegt, dass wir das im Ries doch auch versuchen könnten. Die erste Idee war, für Freunde und Bekannte Fladen zu backen, wenn sie eine Veranstaltung haben. Das notwendige Equipment haben wir uns am Anfang ausgeliehen.
Friedrich: Den Drang, Ideen in der Küche zu verwirklichen, hatten wir beide, und auch der Freundes- und Bekanntenkreis kochte sehr gerne. Der erste große Kick kam dann beim Stadtmauerfest 2010, als wir merkten, dass unsere Methode, ganz dünnen Teig mit schmackhaften Zutaten zu belegen und dem Ganzen einen originellen Namen zu geben, bei den Leuten gut ankam.
Kult geworden sind ja nicht zuletzt die frechen Fladennamen wie Rosettenfeuer oder Schandfleck. Wie sind die entstanden?
Kraft (lacht): Die sind uns in einer lockeren Bierrunde eingefallen. Wir wollten uns einfach von den üblichen Bezeichnungen unterscheiden.
Nach den ersten Jahren kam dann der große Wagen oder?
Friedrich: Das muss 2013 oder 2014 gewesen sein. Die ersten Jahre haben wir in einer Hütte gearbeitet, die mein Vater zusammengebaut hat. Den Wagen haben wir dann in Hannover aufgetrieben, wo er für den Verkauf von Bio-Gemüse auf dem Markt verwendet wurde. Er war zwar nicht perfekt für unsere Zwecke, aber er war geräumig und das war eine der wichtigsten Kriterien für uns. Das war dann schon eine kostspielige, aber notwendige Investition für uns.
Die Fladen-Piraten sind eine GbR mit zwei Geschäftsführern. Demnächst aber nur noch mit einem ... Friedrich: Ja, ich scheide durchaus mit einem weinenden Auge aus. Hauptjob als Industriemechaniker bei Valeo in Wemding, Nebenjob bei den FladenPiraten, Familie – das geht irgendwann einmal an die Substanz. In der Gastronomie sind die Wochenenden ja quasi Regelarbeitstage, und da hat die Familie am meisten darunter gelitten. Außerdem hatte ich im vergangenen Jahr und auch in diesem Frühjahr gesundheitliche Probleme – es ist einfach zu viel geworden.
Wie viele Mitarbeiter auf Geringverdiener-Basis haben die Fladen-Piraten eigentlich?
Kraft: Das müssten aktuell 20 Leute sein. Wenn wir den Umfang an Veranstaltungen inklusive Nördlinger Mess’, diversen Musikfestivals, eigenen Konzerten und den Donnerstagen im Fladen-Laden aufrecht erhalten wollen, ist das immer noch zu wenig.
Friedrich: Ich hab’ da mal zurück gedacht und bin in den letzten beiden Jahren auf circa zwei Veranstaltungstage pro Woche gekommen.
Herr Friedrich, Sie könnten sich nach Ihrem Ausscheiden als Geschäftsführer ja auf 450-Euro-Basis wieder anstellen lassen ... Friedrich: Das habe ich tatsächlich schon vorgeschlagen. Mir ist ganz wichtig, dass wir im Guten auseinandergehen und es nicht so aussieht, also ob ich den Marcel jetzt mit der ganzen Arbeit allein lasse. Kraft: Ich hab nur ein Problem damit, dass es relativ spontan kam, dass der Christian ausscheiden will. Gerade mal drei Monate Vorlauf sind da schon knackig. Allerdings habe ich schon eine Zeit lang gespürt, dass es dem Christian einfach zu viel wird ...
Friedrich: Ich habe das früher immer belächelt, wenn Leute von Burnout erzählt haben. Jetzt weiß ich selber, wovon sie gesprochen haben. Ich will nicht sagen, dass ich einen hatte, aber es ging durchaus in diese Richtung.
Kann der Marcel Kraft den Job allein stemmen, den bislang zwei Personen gemacht haben, Herr Friedrich? Friedrich: Ich sag mal Ja. Durch den doch relativ regen Personalwechsel hat der Marcel jetzt aktuell einen Trupp von fleißigen, hilfsbereiten jungen Leuten beisammen, die auch mitschauen und mitdenken, dass der Laden läuft. Die können den Marcel richtig entlasten.
Der große Zuspruch ist schön für den Fladen-Laden, gefällt aber manchem Anlieger überhaupt nicht. Es gibt Klagen über die Lärm- und Verkehrsbelästigung ...
Friedrich: Ich habe den Eindruck, dass das Verkehrsproblem mitunter das größere ist. Manchmal gab es vor lauter Menschen fast kein Durchkommen mehr, sodass wir schon überlegt haben, ob man einen Teil der Drehergasse am Donnerstagabend nicht sperren könnte. Kraft: Ich hab’ schon mit dem Nördlinger Ordnungsamt, mit dem wir übrigens in einem guten Kontakt stehen, darüber gesprochen und zumindest nicht gleich eine Abfuhr bekommen. Es hieß nur, dass man dazu die Meinung des Oberbürgermeisters und vielleicht auch des Stadtrats hören müsste.
Und der Lärm?
Kraft: Eine eventuelle Sperrung der Drehergasse für einige Stunden würde keine Änderung unserer Öffnungszeiten nach sich ziehen, die wir mit Anwohnern abgesprochen haben. Um 23 Uhr ist bei uns Ende des Ausschanks; das ist mit Rücksicht auf die Anwohner deutlich früher als in vielen anderen Kneipen. Danach dauert es natürlich trotzdem noch einige Zeit, bis die Leute nach Hause gehen, aber mehr können wir fast nicht tun. Wenn man in der Stadt wohnt, muss man sich auch darüber im Klaren sein, dass es da nicht immer nur leise ist.
Friedrich: Ein bisschen Verständnis habe ich da allerdings schon. 20, 30 oder 40 Jahre war hier Ruhe, und da kommen plötzlich ein paar „Piraten“daher und machen einfach eine Kneipe auf ...
Herr Kraft, Sie gelten als einer, der in Nördlingen gerne noch etwas bewegen möchte. Was genau meinen Sie? Kraft: Wir haben bei unseren bisherigen Konzerten gemerkt, dass das Interesse an handgemachter Musik
Der Truck war ursprünglich ein Wagen für Bio-Gemüse
Ein eigenes Musikfestival in Nördlingen
durchaus da ist. Was es in Nördlingen bisher nicht gab, ist ein eigenes Festival. Das ist auch der Grundgedanke unseres Streetfood-Festivals „Störenfried“, das einmal zum Musikfestival werden könnte. Friedrich: Das Streetfood-Festival ist so eine Veranstaltung, bei der ich auch nach meinem Ausscheiden gerne noch aktiv mithelfen möchte, weil es vor allem meine Idee war, es ins Leben zu rufen. Da hätte ich auf jeden Fall Lust, auch in Zukunft dabei zu sein.