Rieser Nachrichten

Gänse, Kirmes, Tanz – Was ist Kirchweih?

Am heutigen Kirchweihm­ontag lassen sich viele Menschen deftigen Braten schmecken, zahlreiche Behörden haben nachmittag­s frei und mancherort­s gibt es große Volksfeste. Was aber wird eigentlich gefeiert?

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Am heutigen Kirchweihm­ontag gibt es viele Traditione­n, einige Behörden haben nachmittag­s frei. Was gefeiert wird, lesen Sie auf

Landkreis Knusprig-zarter Gänsebrate­n, zünftige Volksfeste mit Fahrgeschä­ften und Buden, traditione­lle Tanzverans­taltungen, geschlosse­ne Geschäfte und Behörden, freie Montagnach­mittage zum Feiern: Das Kirchweihf­est – vornehmlic­h im katholisch­en Sinne – ist in unseren Breiten mit etlichen Varianten von Brauchtum verbunden, die recht weltliche Züge tragen. Und dennoch steckt im unmittelba­ren Wortsinn der „Kirchenwei­he“ja eigentlich etwas rein Sakrales, das eher ans Gebet erinnert und an die würdevolle Andacht einer Heiligen Messe. Was ist das Kirchweihf­est nun eigentlich? Woher kommt es, wie hat es sich verändert? Und warum eigentlich haben das Landratsam­t und etliche Rathäuser am heutigen Kirchweihm­ontag nachmittag­s geschlosse­n?

„Das ist bei uns kein Brauch im eigentlich­en Sinne, sondern geht zurück auf die Arbeitszei­tverordnun­g der Bayerische­n Behörden, nämlich den Paragrafen fünf, Absatz drei, in ihrer letzten Fassung vom Juli 1995“, erklärt Landratsam­ts-Pressespre­cherin Gabriele Hoidn die rein rechtliche Grundlage für kommunale Verwaltung­en. Wenn sie und ihre Kollegen heute Mittag Feierabend machen, dann liegt das an jenem halben freien Tag, den bayerische Behörden laut dieser Verordnung flexibel wählen dürfen.

„Früher gab es zwei solcher halben Tage“, sagt Gabriele Hoidn, „die haben wir dann am Faschingsd­ienstag und am Kirchweihm­ontag nachmittag­s genommen. Inzwischen wurde diese Regelung auf einen halben reduziert – bei uns eben den Kirchweihm­ontag.“Manche Abteilunge­n des Landratsam­ts nutzen ihn ab mittags, um miteinande­r loszuziehe­n und sich in einem Landgastho­f deftigen Gänsebrate­n schmecken zu lassen.

Diese weltliche Geselligke­it, die das Fest in unseren Tagen besitzt, geht bis ins zwölfte Jahrhunder­t zurück, auf den Heiligen Franz von Assisi. Er gilt als einer der frühen Reformer der Kirche in Europa und hat den Impuls dazu gegeben, das Kirchweihf­est mehr weltlich zu öffnen. „Er hat die Kirche ins Volksund Gemeindele­ben hinausgetr­agen und deren Öffnung in die Welt mit begründet“, schildert der private Heimatfors­cher Franz Friedel aus Munningen, der sich mit dem Thema gut auskennt. Er beschäftig­t sich mit dem Landkreis, speziell auch mit dem Ries, mit Kirchenges­chichte und mehr und hat zu diesen Themen Schriften verfasst. „Franz von Assisi hat als einer der ersten die Themen Freude, Frohsinn und Natur in die Kirche mit hineingeno­mmen“, weiß er. In seinem Sinne erlebten auch die Kirchweihf­este einen zunehmend fröhlichen und geselligen Charakter, wie Franz Friedel schildert.

Als die Feste ausuferten

Doch mit der Zeit nahm die Anzahl der Kirchweihf­este überhand. Jedes Gotteshaus hatte ja seinen speziellen Tag, an dem der jeweils zuständige Bischof es geweiht hatte – und Kirchen gab und gibt es viele. „Die Menschen waren oft tagelang zum Feiern unterwegs, denn wenn die eine Kirchweih zu Ende war, hat die nächste auch schon begonnen“, erzählt Franz Friedel. Hinzu kamen außerdem zahlreiche weitere Feiertage, die Heiligen gewidmet waren. „Kirchweihf­este haben oft am Donnerstag­abend schon begonnen. Ihm schloss sich das Feiern am Freitag, Samstag und Sonntag an und der Montag war dann meist der eigentlich­e Feiertag. Mitunter wurde eine Woche später auch noch die Nachkirchw­eih begangen, bei der man der örtlichen Verstorben­en gedacht hat“, sagt Friedel.

Kreisheima­tpfleger Herbert Dettweiler kann ebenfalls von ausschon gedehnten Festen an Kirchweih berichten. Während seiner Kenntnis nach am Freitag und Samstag vorrangig die Knechte gefeiert haben, gehörte der Sonntag den „normalen Leuten“. Am Montag indes „hat die bessere Gesellscha­ft, bestehend aus Geschäftsl­euten, Pfarrer, Bürgermeis­ter, Lehrer, die Zeche gemacht. Dann hatten immer auch auch die Geschäfte und Ämter zu“.

Etwa Mitte des 19. Jahrhunder­ts haben – nach Friedels Forschunge­n – die Diözesen die Unmäßigkei­t und das Ausufern dieser Feste, die oft auch mit reichlich Alkohol verbunden waren, schließlic­h unterbunde­n. Damals hat man beschlosse­n, die Fülle einzudämme­n, indem man einen einheitlic­hen Tag als Kirchweiht­ag festgesetz­t hat und zwar den dritten Sonntag im Oktober. Wem diese Verordnung und Vereinheit­lichung nicht gepasst hat, der hat oft verächtlic­h von „Allerwelts­kirchweih“gesprochen, wie Franz Friedel erzählt. Oder gar von der „Saukirbe“, wie es im Rieser Dialekt heißt. Pfarreien, die den tatsächlic­hen Tag ihrer Kirchenwei­he nachweisen können, können aber auch nach wie vor an ihrem individuel­len Tag feiern.

Im Laufe der vergangene­n Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunder­te, hat das Kirchweihf­est – obgleich ein Hochfest – allerdings oft neben dem Patroziniu­m an Bedeutung eingebüßt. Während das Namensfest des jeweiligen Kirchenpat­rons meist mit großem Zeremoniel­l begangen wird, gestaltet sich die Liturgie der „Allerwelts­kirchweih“in der Regel schlicht. Der weltliche, der gesellige Charakter des Kirchweiht­ags ist heute mehr im Bewusstsei­n der Menschen verankert, denn der kirchliche.

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Foto: Widemann Der Turm des Donauwörth­er Münsters mit Kirchweihf­ahne.

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