Rieser Nachrichten

Wenn die Gesellscha­ft bunter wird

Integratio­n In Kindergärt­en im Landkreis hat fast jedes fünfte Kind einen Migrations­hintergrun­d. Das erfordert Umdenken

- VON BERND SCHIED

Landkreis Nach monatelang­er Vorbereitu­ng hat der Landkreis DonauRies erstmals eine „Bildungs- und Integratio­nskonferen­z“in Zusammenar­beit mit der Volkshochs­chule Donauwörth veranstalt­et, die auf eine breite Resonanz stieß, was an einem voll besetzten Sitzungssa­al des Donauwörth­er Landratsam­tes abzulesen war.

Letztlich ging es bei der Veranstalt­ung aber weniger um Bildung als vielmehr um die Themen Migration und Integratio­n. Dazu trug in erster Linie der Referent des Nachmittag­s, der Berliner Migrations­experte Dr. Mark Terkessidi­s mit einem kurzweilig­en Vortrag bei. Er lud die Zuhörer zu einem „Perspektiv­wechsel“ein, um dadurch zu neuen, kreativen und zukunftsfä­higen Sichtweise­n für gesellscha­ftliche Veränderun­gsprozesse zu kommen. Statt um eine einheitlic­he Gesellscha­ft, wie es sie vor der Migrations­bewegung gegeben habe, gehe es mittlerwei­le um die Akzeptanz einer offenen Gesellscha­ft mit Menschen unterschie­dlicher kulturelle­r Prägung, auch in ländlichen Regionen wie Nordschwab­en.

In seinem Referat stellte Terkessidi­s einen „Vielheitsp­lan“vor, in dem die Vielheit als Bereicheru­ng für die kontinuier­lichen Prozesse der gesellscha­ftlichen Veränderun­gen gesehen wird. Dazu gehöre auch ein Umdenken in den staatliche­n Organisati­onen.

Wie vielfältig mittlerwei­le auch der Landkreis Donau-Ries ist, machte Landrat Stefan Rößle zuvor in seinem Eingangsst­atement deutlich. Für rund 12000 Menschen mit Zuwanderun­gshintergr­und sei er zur neuen Heimat geworden. Der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevö­lkerung liege derzeit bei neun Prozent. In den Kindertage­sstätten betrage er bei den Kindern zwischen drei und sechs Jahren sogar 19 Prozent.

Rößle sprach von einer „Zuwanderun­gsgesellsc­haft“, in der es gelte, einen gemeinsame­n Nenner zu finden. Alle Akteure müssten dabei Verantwort­ung übernehmen und nicht über Kompetenze­n streiten, was leider häufig der Fall sei.

Mark Terkessidi­s bedauerte, dass in Deutschlan­d immer noch zu viele veraltete Vorstellun­gen von Integratio­n vorherrsch­ten. Ein Beispiel hierfür biete der Bildungsbe­reich. Inzwischen seien in den alten Bundesländ­ern in manchen Bildungsei­nrichtunge­n Kinder aus Migrantenf­amilien durchweg in der Mehrheit. „Das Lehrerzimm­er ist dort oft eine Parallelge­sellschaft“. Müsse man daraus nicht endlich Konsequenz­en ziehen, und den Schulbetri­eb auf die aktuellen Gegebenhei­ten umstellen? Pädagogisc­he Herangehen­sweisen gebe es bereits, um die individuel­len Voraussetz­ungen bei den einzelnen Kindern beim Lernen zu berücksich­tigen. Man müsse sie nur anwenden. Bedauerlic­herweise gebe es in Deutschlan­d kaum Konzepte für den frühkindli­chen Spracherwe­rb, von dem Kinder mit ausländisc­hen Wurzeln profitiere­n würden.

Gleiches wie für den Bildungsbe­reich gelte für den Arbeitsmar­kt. Dieser biete gute Chancen, Migranten zu integriere­n. Viele Firmen verhielten sich auf diesem Gebiet bereits vorbildlic­h und böten Ausbildung­sund Arbeitsste­llen an.

Der Experte lobte auch die Integratio­nsbemühung­en der Polizeibeh­örden, die verstärkt auf Kollegen mit Migrations­hintergrun­d setzen würden.

Auch Vereine und Organisati­onen rief Mark Terkessidi­s auf, offen zu sein für die Mitgliedsc­haften von Geflüchtet­en, um damit einen Beitrag zu deren Integratio­n in die Gesellscha­ft zu leisten. „Dazu gehört, in den Vereinen eine Atmosphäre herzustell­en, damit sich die Leute auch willkommen fühlen.“

Eine Handlungse­mpfehlung des Experten lautete: In einer sich wandelnden Gesellscha­ft so viel Austausch wie möglich pflegen - mit Migranteno­rganisatio­nen, aber auch mit Menschen, die sich in diesem Bereich engagierte­n. Auch in den Behörden müsse ein entspreche­nder Perspektiv­wechsel eingeleite­t werden. Den Abschluss der Veranstalt­ung bildeten Workshops, die allein aus Zeitgründe­n nicht sehr effektiv sein konnten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany