Stubenmusik als Allzweckwaffe Musik-Kabarett
Die „Wellküren“begeistern die Besucher im Nördlinger Klösterle. Wie die drei Schwestern mit Hausmusik die Welt retten wollen
Nördlingen Zwölf Jahre ist es her, dass der frisch eingeweihte Nördlinger Schrannensaal beim Konzert der „Wellküren“aus allen Nähten platzte, sodass die drei Schwestern wenig später noch eine Zusatzvorstellung im Klösterle draufpackten. Und auch diesmal ist der Nördlinger Stadtsaal nahezu ausverkauft, als Burgi, Bärbi und Moni Well ihr aktuelles Programm „Abendlandler“präsentieren.
Gleich zu Beginn macht das Trio deutlich, wo seine musikalischen Wurzeln liegen, nämlich in der hausgemachten traditionellen Volksmusik – vulgo „Stub’nmusi’“. Deren Bedeutung könne man gar nicht hoch genug einschätzen, sei sie doch gerade für Frauen eine Allzweckwaffe im gesamten Lebenslauf: „von der Pubertät bis zu den Wechseljahren – und zur Empfängnisverhütung!“Auch politisch sei diese höchst relevant, man müsse sich nur mal Putin, Erdogan und Trump an Zither, Harfe und Hackbrett vorstellen. Und so wird an Ort und Stelle die Rettung der Welt eingeleitet und die Bewegung „StugIdA“gegründet – „Stub’nmusi’ gegen die Ideologisierung des Abendlandes“.
Auch das neue Programm der Well-Schwestern gehorcht der gewohnten Dramaturgie und besteht aus einer abwechslungsreichen Mixtur aus satirischen Texten und Liedern – frech, kritisch, witzig und bisweilen derb und hinterfotzig. Dabei spielt jede ihre individuellen Stärken aus: Wortführerin Moni mit ihrem waffenscheinpflichtigen Mundwerk wird von ihren zurückhaltenderen Mitstreiterinnen mit Globuli-Kügelchen und wohlge- setzten verbalen Nadelstichen gekonnt eingebremst. Etwa wenn sie sich mal wieder in Rage redet, wie bei der Kommentierung des bayerischen Wahlergebnisses, inklusive wortgewaltiger Generalabrechnung mit den CSU-Granden.
Vor allem bei aktuellen Themen setzen die drei bekennenden Bayerinnen Akzente: von den „Segnungen“des Online-Klamottenkaufs über die „bayerische Leitkultur“bis zu überkandidelten HelikopterMamis und nervigen Talkshows (treffliches Lied: „Endlich mei Ruah’“) wird der kabarettistische Bogen gespannt.
Als erfahrene Bühnenprofis beherrschen die „Wellküren“natürlich auch das gekonnte Wechselspiel mit dem Publikum. Diesmal erwischt es mit dem Helmut aus der ersten Reihe ausgerechnet einen der Nördlinger Honoratioren, dem mit dem Mikrofasertuch „Wisching Well“die schmutzige Brille geputzt wird.
Dass die drei Well-Schwestern auch hervorragende Sängerinnen und Instrumentalistinnen sind, darf bei der Abstammung aus einer 17-köpfigen musikbegeisterten Familie nicht verwundern. Federleicht und selbstverständlich werden die Instrumente gewechselt: nach Harfe, Gitarre und Hackbrett („Abendhin und Morgenlandler“) wird auf „schweres Blech“mit Posaune, Tuba und Saxophon („Damenkapelle Frohsinn“) geschwenkt, ehe den drei einsaitigen „Nonnentrompeten“ein krächzendes „La Paloma“entlockt wird.
Nach einer irrwitzigen Ahnenforschung – von Südtirol bis zum schottischen Hochadel („McWell“) – starten die Mädels im zweiten Teil nochmal richtig durch. Burgi hat im Lied „Ich bin ein guter Verlierer“in ihrem Leben von der Halskette bis zur Unschuld schon alles Mögliche verloren. Bärbi hadert mit ihren Schwächen („I kon nix“) und Moni schwört bei der Partnersuche für reifere Semester auf die MaratongaBar („Hier treffen Überlebende auf Hinterbliebene“). Und alle drei jammern über die Unzulänglichkeiten ihrer Ehemänner („penetrantes Schnarchen, ständiger Hunger und sexuelle Demenz“). Den Abgesang bildet ein abenteuerliches „Stub’n-Musical“zum Soundtrack von „Spiel mir das Lied vom Tod“, in dem es zwischen „Horst, dem Fruchtbaren“und dem fränkischen Emporkömmling, „Faschingsprinz Markus“, in der „bayerisch-fränkischen Transitzone Greding“zum großen Showdown kommt.
Mit „Abendlandler“haben die „Wellküren“einmal mehr ein höchst gelungenes Programm aufgelegt, in dem sie zeigen, warum sie in der bayerischen Kabarett-Szene auch nach ihren 32 Bühnenjahren eine unverzichtbare Größe sind. Das Nördlinger Publikum zeigt sich hellauf begeistert vom satirischen Dauerfeuer und der geballten Frauen-Power, bevor die kurzweilige Show nach zwei Zugaben und dauerhaftem Schlussapplaus zu Ende geht.