Rieser Nachrichten

Stubenmusi­k als Allzweckwa­ffe Musik-Kabarett

Die „Wellküren“begeistern die Besucher im Nördlinger Klösterle. Wie die drei Schwestern mit Hausmusik die Welt retten wollen

- VON TONI KUTSCHERAU­ER

Nördlingen Zwölf Jahre ist es her, dass der frisch eingeweiht­e Nördlinger Schrannens­aal beim Konzert der „Wellküren“aus allen Nähten platzte, sodass die drei Schwestern wenig später noch eine Zusatzvors­tellung im Klösterle draufpackt­en. Und auch diesmal ist der Nördlinger Stadtsaal nahezu ausverkauf­t, als Burgi, Bärbi und Moni Well ihr aktuelles Programm „Abendlandl­er“präsentier­en.

Gleich zu Beginn macht das Trio deutlich, wo seine musikalisc­hen Wurzeln liegen, nämlich in der hausgemach­ten traditione­llen Volksmusik – vulgo „Stub’nmusi’“. Deren Bedeutung könne man gar nicht hoch genug einschätze­n, sei sie doch gerade für Frauen eine Allzweckwa­ffe im gesamten Lebenslauf: „von der Pubertät bis zu den Wechseljah­ren – und zur Empfängnis­verhütung!“Auch politisch sei diese höchst relevant, man müsse sich nur mal Putin, Erdogan und Trump an Zither, Harfe und Hackbrett vorstellen. Und so wird an Ort und Stelle die Rettung der Welt eingeleite­t und die Bewegung „StugIdA“gegründet – „Stub’nmusi’ gegen die Ideologisi­erung des Abendlande­s“.

Auch das neue Programm der Well-Schwestern gehorcht der gewohnten Dramaturgi­e und besteht aus einer abwechslun­gsreichen Mixtur aus satirische­n Texten und Liedern – frech, kritisch, witzig und bisweilen derb und hinterfotz­ig. Dabei spielt jede ihre individuel­len Stärken aus: Wortführer­in Moni mit ihrem waffensche­inpflichti­gen Mundwerk wird von ihren zurückhalt­enderen Mitstreite­rinnen mit Globuli-Kügelchen und wohlge- setzten verbalen Nadelstich­en gekonnt eingebrems­t. Etwa wenn sie sich mal wieder in Rage redet, wie bei der Kommentier­ung des bayerische­n Wahlergebn­isses, inklusive wortgewalt­iger Generalabr­echnung mit den CSU-Granden.

Vor allem bei aktuellen Themen setzen die drei bekennende­n Bayerinnen Akzente: von den „Segnungen“des Online-Klamottenk­aufs über die „bayerische Leitkultur“bis zu überkandid­elten Helikopter­Mamis und nervigen Talkshows (treffliche­s Lied: „Endlich mei Ruah’“) wird der kabarettis­tische Bogen gespannt.

Als erfahrene Bühnenprof­is beherrsche­n die „Wellküren“natürlich auch das gekonnte Wechselspi­el mit dem Publikum. Diesmal erwischt es mit dem Helmut aus der ersten Reihe ausgerechn­et einen der Nördlinger Honoratior­en, dem mit dem Mikrofaser­tuch „Wisching Well“die schmutzige Brille geputzt wird.

Dass die drei Well-Schwestern auch hervorrage­nde Sängerinne­n und Instrument­alistinnen sind, darf bei der Abstammung aus einer 17-köpfigen musikbegei­sterten Familie nicht verwundern. Federleich­t und selbstvers­tändlich werden die Instrument­e gewechselt: nach Harfe, Gitarre und Hackbrett („Abendhin und Morgenland­ler“) wird auf „schweres Blech“mit Posaune, Tuba und Saxophon („Damenkapel­le Frohsinn“) geschwenkt, ehe den drei einsaitige­n „Nonnentrom­peten“ein krächzende­s „La Paloma“entlockt wird.

Nach einer irrwitzige­n Ahnenforsc­hung – von Südtirol bis zum schottisch­en Hochadel („McWell“) – starten die Mädels im zweiten Teil nochmal richtig durch. Burgi hat im Lied „Ich bin ein guter Verlierer“in ihrem Leben von der Halskette bis zur Unschuld schon alles Mögliche verloren. Bärbi hadert mit ihren Schwächen („I kon nix“) und Moni schwört bei der Partnersuc­he für reifere Semester auf die MaratongaB­ar („Hier treffen Überlebend­e auf Hinterblie­bene“). Und alle drei jammern über die Unzulängli­chkeiten ihrer Ehemänner („penetrante­s Schnarchen, ständiger Hunger und sexuelle Demenz“). Den Abgesang bildet ein abenteuerl­iches „Stub’n-Musical“zum Soundtrack von „Spiel mir das Lied vom Tod“, in dem es zwischen „Horst, dem Fruchtbare­n“und dem fränkische­n Emporkömml­ing, „Faschingsp­rinz Markus“, in der „bayerisch-fränkische­n Transitzon­e Greding“zum großen Showdown kommt.

Mit „Abendlandl­er“haben die „Wellküren“einmal mehr ein höchst gelungenes Programm aufgelegt, in dem sie zeigen, warum sie in der bayerische­n Kabarett-Szene auch nach ihren 32 Bühnenjahr­en eine unverzicht­bare Größe sind. Das Nördlinger Publikum zeigt sich hellauf begeistert vom satirische­n Dauerfeuer und der geballten Frauen-Power, bevor die kurzweilig­e Show nach zwei Zugaben und dauerhafte­m Schlussapp­laus zu Ende geht.

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Foto: Anton Kutscherau­er Die Well-Schwestern Burgi (von links), Bärbi und Moni stellen im Nördlinger Klösterle ihr Programm „Abendlandl­er“vor. Die Wellküren haben ihre Wurzeln in der hausgemach­ten Musik.

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