„Ich will alte Fronten niederreißen“
Der Wemdinger Anwalt Ulrich Singer sitzt für die AfD neu im Landtag. Wie er sich positioniert und welche Ziele er aus dem Landkreis nach München mitnimmt
Wemding Die Landtagswahlen sind vorbei. Und damit die Zeit des Werbens um die Gunst der Wähler. Der hat sich entschieden – diesmal für gleich drei Abgeordnete aus dem Landkreis Donau-Ries: Wolfgang Fackler (CSU), Ulrich Singer (AfD) und Eva Lettenbauer (Grüne). Unsere Zeitung bittet sie gleich zu Beginn der Legislaturperiode zum Gespräch, um zu erfahren, worauf es nach Meinung der Politiker in den kommenden fünf Jahren ankommen sollte im Landkreis Donau-Ries und in ganz Bayern.
Heute erklärt Ulrich Singer (42), Rechtsanwalt in Wemding, seine politischen Ziele für die kommenden Jahre. Er musste als schwäbischer Listenkandidat bis zuletzt zittern, ob es noch klappt mit dem Landtagsmandat.
Herr Singer, Sie sind sozusagen auf den letzten Drücker über die Schwaben-Liste und die Zweitstimmen-Auszählung in den Bayerischen Landtag gekommen. Hatten Sie noch damit gerechnet, kurz nach 18 Uhr am Wahlsonntag?
Singer: Überhaupt nicht. Wir als AfD hätten mehr Prozente erreichen wollen bei der Wahl. Ich hätte aber auch damit umgehen können, wenn ich nicht in den Landtag gekommen wäre. Ich habe meinen Beruf, meine Arbeit. Aber jetzt freut es mich natürlich umso mehr, dass es gereicht hat – das war mein Ziel. Es war allerdings bis zuletzt eine Zitterpartie.
Nun haben Sie den Sprung in den Landtag geschafft. Wie waren die ersten Tage im Maximilianeum? Singer: Schon nach kurzer Zeit ist die AfD ja als zerstrittener Haufen dargestellt worden. So etwas ist Unsinn. Die AfD-Abgeordneten sind nur keine Menschen, die Meinungsführern in einer Partei blind hinterherlaufen. Es gibt bei uns nicht nur die eine Meinung. Und so haben wir länger gebraucht, um unsere Vorderen zu wählen. Und so ist das auch bei der Geschäftsordnung – da wird jeder Punkt im Einzelnen durchgegangen. Das alles zu kritisieren, erscheint mir seltsam – und auch, dass wir einen externen Versammlungsleiter beauftragt haben, dient eher der Ordnung. Wir sind neu im Landtag. Wir müssen gewisse Abläufe erst noch einrichten. Von den Mitarbeitern im Landtag wurden wir sehr gut behandelt, alle waren uns gegenüber überaus freundlich. Niemand hat uns gegängelt oder ähnliches. Zu den Vertretern der anderen Parteien gab es bislang, vor den ersten Sitzungen, noch keinen großen Kontakt. Nachdem die notwendigen Formalien abgeschlossen sind, geht es nun in die inhaltliche Arbeit, in die Ausschüsse.
Sie hatten sich vor den Wahlen mehr erhofft – 15 Prozent für die AfD war die Zielmarke ...
Singer: Ich hatte auf ein stärkeres Ergebnis der AfD gehofft, das stimmt. Ich hatte die Freien Wähler im Vorfeld nicht so stark eingeschätzt. Sie liegen außerhalb des Bundestrends, sie sind ein bayerisches Phänomen. Die Grünen haben mit Sicherheit so viele Stimmen gewonnen, weil die SPD schlichtweg kein soziales Profil mehr zeigt. Die Sozialdemokraten haben KleinstKlientel-Politik betrieben, etwa wenn ich an die Gender-Politik denke. Sie hatten ihre Stammwähler nicht mehr im Auge. Wir wollen eine Bürgerpartei sein – grün dagegen muss man sich leisten können. Mit dem Porsche zum Bäcker fahren und für das Gewissen die Grünen zu wählen, das ist wahrscheinlich ein weit verbreitetes Phänomen. Aber die Grünen stellen mitunter die Dinge ziemlich falsch dar: Alles ließe sich von uns Deutschen in Deutschland lösen. Dagegen sage ich: Mit verhältnismäßig geringen finanziellen Mitteln ließe sich vieles in der Umwelt- und Entwicklungspolitik erreichen, im Verbund mit anderen Nationen. Mit Expertise vor Ort, zum Beispiel in den Gebieten, wo der meiste Plastikmüll erzeugt und nicht ordentlich entsorgt wird. Stattdessen werden die Bürger in Deutschland, die ihren Müll in der Regel trennen und brav in die Tonne werfen, mit Bürokratie und Verbotspolitik konfrontiert. Oder in Sachen Migrations-, beziehungsweise Entwicklungspolitik. Da ist doch die rechtzeitige, passende Hilfe vor Ort in den ärmeren Regionen die erste Option. Das wird von den Grünen verkannt. Aber die Grünen artikulieren ihre Themen laut, doch die Stimme der Vernunft ist eben meist die leisere.
Was werden die Inhalte sein, für die Sie sich in der Oppositionsarbeit stark machen wollen?
Singer: Es stellt sich zunächst die Frage, wer in welche Ausschüsse kommt. Dazu wird es bei uns in der Fraktion in nächster Zeit weitere Treffen geben. Dabei wird dann erörtert, wer über welche Kernkompetenzen verfügt. Ich möchte auf jeden Fall den Bereich „Soziales und Familien“behandeln. Ich habe als Anwalt stets Betreuungsaufgaben übernommen und ich will mich weiterhin in der Politik für die Belange der behinderten Menschen einsetzen. Auch der Bereich „Integration“interessiert mich. Wir als AfD müssen aufzeigen, was schief läuft, woran gearbeitet werden muss.
Hätten Sie sich lieber eine schwarzgrüne Koalition für Bayern gewünscht – inhaltlich könnten Sie sich dann stärker abgrenzen als Opposition ... Singer: Die Abgrenzung würde dann leichter fallen, das stimmt. Aber wir sind für Bayern angetreten und da ist die CSU-FW-Koalition die wesentlich bessere Variante. Die FW sind aber die „CSU light“– und eben diese Politik wird jetzt kommen. Trotzdem: Insgesamt geht das gesamte konservative Lager gestärkt aus der Bayernwahl hervor. Wir stehen jetzt innerhalb dieses Lagers in der Opposition – unsere Aufgabe ist es, wie gesagt, Dinge, die nicht laufen, anzusprechen. Zudem sind wir ein Gegengewicht zu linker Ideologie, die gerne mit einem Mehr an gesellschaftlicher Kontrolle arbeitet.
Welche regionalen Themen wollen Sie in ihre parlamentarische Arbeit mit einbauen?
Singer: Als AfD sind wir bislang praktisch den umgekehrten Weg gegangen wie die Freien Wähler. Wir kommen aus der Europa- und Bundespolitik und müssen uns jetzt und in Zukunft weitaus stärker um die regionalen Belange kümmern. Da müssen wir uns mehr als bisher reinfinden. Für Nordschwaben sehe ich die Frage der Flutpolder als wichtig an. Wir sind gegen jene Polder-Planungen. Der Hochwasserschutz ist natürlich wichtig, aber er muss sich nicht hier, an unserem Donau-Abschnitt konzentrieren. Ich werde auch gerne für die Behörden im Landkreis ein Ansprechpartner sein und mit allen konstruktiv zusammenarbeiten. Ich sehe von meiner Seite kein Gegeneinander.
Viele haben dennoch Berührungsängste mit der AfD. Wie wollen Sie diesem Zustand begegnen? Bis dato wird Ihnen seitens der politischen Mitbewerber die Kooperation verweigert ... Singer: Das wird nach und nach kommen. Vor allem, wenn wir klare Sachpolitik betreiben. Wir haben jetzt fünf Jahre Zeit, die Bevölkerung mit guter Arbeit zu überzeugen. Unsere Arbeit vor Ort geht weiter, unsere Stammtische und Vorträge etwa werden weiterhin stattfinden. Ich will möglichst viel Präsenz zeigen vor Ort und stehe jedem für Gespräche zur Verfügung. Unsere Kompetenz ist die Basisdemokratie – und dazu gehört zunächst einmal das Zuhören. Bei kontroversen Themen wollen wir auch Volksbegehren und Bürgerentscheide auf den Weg bringen.
Die Abgrenzung zu den Rändern, so wird bisweilen moniert, falle der AfD mitunter zu schwer. Warum ist das so? Singer: Wir sind gegen jeglichen Extremismus. Zu dem Thema gibt es eine interessante Begebenheit: Es gab ein Banner bei einem AfDStand in Nordrhein-Westfalen, auf dem stand: „Gegen Extremismus!“Dazu waren dort ein durchgestrichenes Hakenkreuz zu sehen, ebenso ein durchgestrichenes IS-Symbol und ein durchgestrichenes Zeichen der linksextremen Antifa. Dieser Stand gegen jeglichen Extremismus wurde nun von Linksradikalen angegriffen. Was ich damit sagen will: Von uns wird eine Abgrenzung gefordert, von anderen in die linke Richtung nicht. Wir schreiben die Meinungsfreiheit groß. Unschöne Äußerungen gibt es auch bei den anderen. Wenn aber auf einer Demonstration, die doch weitgehend öffentlich zugänglich ist, in der fünften oder sechsten Reihe irgendwelche Extremisten mitlaufen, die gar nicht zu uns gehören, dann ist das ein Riesenthema. Insgesamt muss ich sagen: Diese Links-RechtsSchiene passt mir nicht, diese alten Fronten würde ich gerne niederreißen. Meine Position ist: Wir wollen das Konservative modern machen und damit nach vorne gehen.
„Wir wollen das Konservative modern machen“
Für eine nachhaltige Etablierung einer jungen Partei ist die kommunale Präsenz wohl unabdingbar. Was ist hier zu machen?
Singer: Wir sind gerade dabei, Ortsverbände in Nordschwaben zu gründen. Den ersten haben wir nun in Dillingen/Lauingen. Der nächste in Wertingen soll bald folgen. Für 2019 ist die Gründung von Ortsverbänden in Donauwörth und Nördlingen vorgesehen. Wir brauchen neue Mitglieder und die bisherigen Zahlen stimmen mich optimistisch. Alleine gestern haben wir sechs Neumitglieder aufgenommen.