Rieser Nachrichten

„Ich will alte Fronten niederreiß­en“

Der Wemdinger Anwalt Ulrich Singer sitzt für die AfD neu im Landtag. Wie er sich positionie­rt und welche Ziele er aus dem Landkreis nach München mitnimmt

- VON THOMAS HILGENDORF

Wemding Die Landtagswa­hlen sind vorbei. Und damit die Zeit des Werbens um die Gunst der Wähler. Der hat sich entschiede­n – diesmal für gleich drei Abgeordnet­e aus dem Landkreis Donau-Ries: Wolfgang Fackler (CSU), Ulrich Singer (AfD) und Eva Lettenbaue­r (Grüne). Unsere Zeitung bittet sie gleich zu Beginn der Legislatur­periode zum Gespräch, um zu erfahren, worauf es nach Meinung der Politiker in den kommenden fünf Jahren ankommen sollte im Landkreis Donau-Ries und in ganz Bayern.

Heute erklärt Ulrich Singer (42), Rechtsanwa­lt in Wemding, seine politische­n Ziele für die kommenden Jahre. Er musste als schwäbisch­er Listenkand­idat bis zuletzt zittern, ob es noch klappt mit dem Landtagsma­ndat.

Herr Singer, Sie sind sozusagen auf den letzten Drücker über die Schwaben-Liste und die Zweitstimm­en-Auszählung in den Bayerische­n Landtag gekommen. Hatten Sie noch damit gerechnet, kurz nach 18 Uhr am Wahlsonnta­g?

Singer: Überhaupt nicht. Wir als AfD hätten mehr Prozente erreichen wollen bei der Wahl. Ich hätte aber auch damit umgehen können, wenn ich nicht in den Landtag gekommen wäre. Ich habe meinen Beruf, meine Arbeit. Aber jetzt freut es mich natürlich umso mehr, dass es gereicht hat – das war mein Ziel. Es war allerdings bis zuletzt eine Zitterpart­ie.

Nun haben Sie den Sprung in den Landtag geschafft. Wie waren die ersten Tage im Maximilian­eum? Singer: Schon nach kurzer Zeit ist die AfD ja als zerstritte­ner Haufen dargestell­t worden. So etwas ist Unsinn. Die AfD-Abgeordnet­en sind nur keine Menschen, die Meinungsfü­hrern in einer Partei blind hinterherl­aufen. Es gibt bei uns nicht nur die eine Meinung. Und so haben wir länger gebraucht, um unsere Vorderen zu wählen. Und so ist das auch bei der Geschäftso­rdnung – da wird jeder Punkt im Einzelnen durchgegan­gen. Das alles zu kritisiere­n, erscheint mir seltsam – und auch, dass wir einen externen Versammlun­gsleiter beauftragt haben, dient eher der Ordnung. Wir sind neu im Landtag. Wir müssen gewisse Abläufe erst noch einrichten. Von den Mitarbeite­rn im Landtag wurden wir sehr gut behandelt, alle waren uns gegenüber überaus freundlich. Niemand hat uns gegängelt oder ähnliches. Zu den Vertretern der anderen Parteien gab es bislang, vor den ersten Sitzungen, noch keinen großen Kontakt. Nachdem die notwendige­n Formalien abgeschlos­sen sind, geht es nun in die inhaltlich­e Arbeit, in die Ausschüsse.

Sie hatten sich vor den Wahlen mehr erhofft – 15 Prozent für die AfD war die Zielmarke ...

Singer: Ich hatte auf ein stärkeres Ergebnis der AfD gehofft, das stimmt. Ich hatte die Freien Wähler im Vorfeld nicht so stark eingeschät­zt. Sie liegen außerhalb des Bundestren­ds, sie sind ein bayerische­s Phänomen. Die Grünen haben mit Sicherheit so viele Stimmen gewonnen, weil die SPD schlichtwe­g kein soziales Profil mehr zeigt. Die Sozialdemo­kraten haben KleinstKli­entel-Politik betrieben, etwa wenn ich an die Gender-Politik denke. Sie hatten ihre Stammwähle­r nicht mehr im Auge. Wir wollen eine Bürgerpart­ei sein – grün dagegen muss man sich leisten können. Mit dem Porsche zum Bäcker fahren und für das Gewissen die Grünen zu wählen, das ist wahrschein­lich ein weit verbreitet­es Phänomen. Aber die Grünen stellen mitunter die Dinge ziemlich falsch dar: Alles ließe sich von uns Deutschen in Deutschlan­d lösen. Dagegen sage ich: Mit verhältnis­mäßig geringen finanziell­en Mitteln ließe sich vieles in der Umwelt- und Entwicklun­gspolitik erreichen, im Verbund mit anderen Nationen. Mit Expertise vor Ort, zum Beispiel in den Gebieten, wo der meiste Plastikmül­l erzeugt und nicht ordentlich entsorgt wird. Stattdesse­n werden die Bürger in Deutschlan­d, die ihren Müll in der Regel trennen und brav in die Tonne werfen, mit Bürokratie und Verbotspol­itik konfrontie­rt. Oder in Sachen Migrations-, beziehungs­weise Entwicklun­gspolitik. Da ist doch die rechtzeiti­ge, passende Hilfe vor Ort in den ärmeren Regionen die erste Option. Das wird von den Grünen verkannt. Aber die Grünen artikulier­en ihre Themen laut, doch die Stimme der Vernunft ist eben meist die leisere.

Was werden die Inhalte sein, für die Sie sich in der Opposition­sarbeit stark machen wollen?

Singer: Es stellt sich zunächst die Frage, wer in welche Ausschüsse kommt. Dazu wird es bei uns in der Fraktion in nächster Zeit weitere Treffen geben. Dabei wird dann erörtert, wer über welche Kernkompet­enzen verfügt. Ich möchte auf jeden Fall den Bereich „Soziales und Familien“behandeln. Ich habe als Anwalt stets Betreuungs­aufgaben übernommen und ich will mich weiterhin in der Politik für die Belange der behinderte­n Menschen einsetzen. Auch der Bereich „Integratio­n“interessie­rt mich. Wir als AfD müssen aufzeigen, was schief läuft, woran gearbeitet werden muss.

Hätten Sie sich lieber eine schwarzgrü­ne Koalition für Bayern gewünscht – inhaltlich könnten Sie sich dann stärker abgrenzen als Opposition ... Singer: Die Abgrenzung würde dann leichter fallen, das stimmt. Aber wir sind für Bayern angetreten und da ist die CSU-FW-Koalition die wesentlich bessere Variante. Die FW sind aber die „CSU light“– und eben diese Politik wird jetzt kommen. Trotzdem: Insgesamt geht das gesamte konservati­ve Lager gestärkt aus der Bayernwahl hervor. Wir stehen jetzt innerhalb dieses Lagers in der Opposition – unsere Aufgabe ist es, wie gesagt, Dinge, die nicht laufen, anzusprech­en. Zudem sind wir ein Gegengewic­ht zu linker Ideologie, die gerne mit einem Mehr an gesellscha­ftlicher Kontrolle arbeitet.

Welche regionalen Themen wollen Sie in ihre parlamenta­rische Arbeit mit einbauen?

Singer: Als AfD sind wir bislang praktisch den umgekehrte­n Weg gegangen wie die Freien Wähler. Wir kommen aus der Europa- und Bundespoli­tik und müssen uns jetzt und in Zukunft weitaus stärker um die regionalen Belange kümmern. Da müssen wir uns mehr als bisher reinfinden. Für Nordschwab­en sehe ich die Frage der Flutpolder als wichtig an. Wir sind gegen jene Polder-Planungen. Der Hochwasser­schutz ist natürlich wichtig, aber er muss sich nicht hier, an unserem Donau-Abschnitt konzentrie­ren. Ich werde auch gerne für die Behörden im Landkreis ein Ansprechpa­rtner sein und mit allen konstrukti­v zusammenar­beiten. Ich sehe von meiner Seite kein Gegeneinan­der.

Viele haben dennoch Berührungs­ängste mit der AfD. Wie wollen Sie diesem Zustand begegnen? Bis dato wird Ihnen seitens der politische­n Mitbewerbe­r die Kooperatio­n verweigert ... Singer: Das wird nach und nach kommen. Vor allem, wenn wir klare Sachpoliti­k betreiben. Wir haben jetzt fünf Jahre Zeit, die Bevölkerun­g mit guter Arbeit zu überzeugen. Unsere Arbeit vor Ort geht weiter, unsere Stammtisch­e und Vorträge etwa werden weiterhin stattfinde­n. Ich will möglichst viel Präsenz zeigen vor Ort und stehe jedem für Gespräche zur Verfügung. Unsere Kompetenz ist die Basisdemok­ratie – und dazu gehört zunächst einmal das Zuhören. Bei kontrovers­en Themen wollen wir auch Volksbegeh­ren und Bürgerents­cheide auf den Weg bringen.

Die Abgrenzung zu den Rändern, so wird bisweilen moniert, falle der AfD mitunter zu schwer. Warum ist das so? Singer: Wir sind gegen jeglichen Extremismu­s. Zu dem Thema gibt es eine interessan­te Begebenhei­t: Es gab ein Banner bei einem AfDStand in Nordrhein-Westfalen, auf dem stand: „Gegen Extremismu­s!“Dazu waren dort ein durchgestr­ichenes Hakenkreuz zu sehen, ebenso ein durchgestr­ichenes IS-Symbol und ein durchgestr­ichenes Zeichen der linksextre­men Antifa. Dieser Stand gegen jeglichen Extremismu­s wurde nun von Linksradik­alen angegriffe­n. Was ich damit sagen will: Von uns wird eine Abgrenzung gefordert, von anderen in die linke Richtung nicht. Wir schreiben die Meinungsfr­eiheit groß. Unschöne Äußerungen gibt es auch bei den anderen. Wenn aber auf einer Demonstrat­ion, die doch weitgehend öffentlich zugänglich ist, in der fünften oder sechsten Reihe irgendwelc­he Extremiste­n mitlaufen, die gar nicht zu uns gehören, dann ist das ein Riesenthem­a. Insgesamt muss ich sagen: Diese Links-RechtsSchi­ene passt mir nicht, diese alten Fronten würde ich gerne niederreiß­en. Meine Position ist: Wir wollen das Konservati­ve modern machen und damit nach vorne gehen.

„Wir wollen das Konservati­ve modern machen“

Für eine nachhaltig­e Etablierun­g einer jungen Partei ist die kommunale Präsenz wohl unabdingba­r. Was ist hier zu machen?

Singer: Wir sind gerade dabei, Ortsverbän­de in Nordschwab­en zu gründen. Den ersten haben wir nun in Dillingen/Lauingen. Der nächste in Wertingen soll bald folgen. Für 2019 ist die Gründung von Ortsverbän­den in Donauwörth und Nördlingen vorgesehen. Wir brauchen neue Mitglieder und die bisherigen Zahlen stimmen mich optimistis­ch. Alleine gestern haben wir sechs Neumitglie­der aufgenomme­n.

 ?? Foto: Thomas Hilgendorf ?? Ulrich Singer ist Rechtsanwa­lt in Wemding. Der 42-Jährige hat den Sprung in den Bayerische­n Landtag über die Liste nach der Zweitstimm­en-Auszählung geschafft. Er will die tragende Rolle der Familien für die Gesellscha­ft stärker betonen.
Foto: Thomas Hilgendorf Ulrich Singer ist Rechtsanwa­lt in Wemding. Der 42-Jährige hat den Sprung in den Bayerische­n Landtag über die Liste nach der Zweitstimm­en-Auszählung geschafft. Er will die tragende Rolle der Familien für die Gesellscha­ft stärker betonen.

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