Rieser Nachrichten

Jung, motiviert und grün

Eva Lettenbaue­r von den Grünen ist mit 26 Jahren die jüngste Abgeordnet­e im Landtag. Ihrer Heimat Reichertsw­ies bleibt sie trotz Politik-Karriere treu

- VON BARBARA WILD

Daiting-Reichertsw­ies Morgens um 10 Uhr trifft man in Reichertsw­ies ein paar Nachbarn von Eva Lettenbaue­r. Sie winken uns freundlich zu, während wir die einzige Straße im Dorf entlang laufen. Bis zum Ortsschild sind es keine fünf Minuten. Ein paar Neubauten fallen auf, schicke Einfamilie­nhäuser. Es ist hier ziemlich still und auch ein bisschen einsam. Aber schön. Der Blick schweift weit über die Hügel und Felder, wie das eben so ist auf dem Land.

56 Einwohner leben in dem kleinen Ortsteil von Daiting, einer von ihnen ist Eva Lettenbaue­r. Sie steht am Anfang einer Karriere in der Politik: 26, Wirtschaft­singenieur­in und seit knapp drei Wochen Mitglied des Bayerische­n Landtags für ihre Partei, Bündnis 90/Die Grünen. Sie ist die jüngste Abgeordnet­e in dieser Wahlperiod­e und doch alles andere als ein Anfänger. Sie ist Kreisvorsi­tzende der Grünen im Donau-Ries und drei Jahre lang bis Mai dieses Jahres Landesspre­cherin der Grünen Jugend in Bayern. In ihrem Stimmkreis erkämpfte sie exakt 10 300 Stimmen, in Schwaben 17 651 – das bescherte ihr den Einzug über die Liste.

Frau Lettenbaue­r, haben Sie sich schon an den Gedanken gewöhnt, dass Sie jetzt wirklich in den Landtag gewählt sind?

Lettenbaue­r: Ja, so langsam haben sich die Ereignisse der vergangene­n Woche gesetzt. Und ich bin natürlich sehr zufrieden mit dem Ergebnis, es war ja mein Ziel, in den Landtag zu kommen. Jetzt habe ich noch ein paar Tage Zeit, bevor es in München richtig losgeht. Das will ich nutzen, mich sortieren und durchatmen, bevor die politische Arbeit richtig losgeht.

Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg? Schwimmen Sie auf der Erfolgswel­le der Grünen mit?

Lettenbaue­r: Natürlich habe ich vom allgemeine­n Erfolg der Grünen profitiert. Mir war klar, dass ich es nur über die Liste schaffe und mit Platz drei war ich gut aufgestell­t. Aber ich habe auch einen sehr engagierte­n Wahlkampf geführt. Ich habe nicht nur Plakate geklebt und mich Diskussion­srunden gestellt. Denn schnell war mir klar, dass viele Bürger gar nicht das Interesse oder die Zeit haben, zu Wahlverans­taltungen zu gehen. Deshalb bin ich von Tür zu Tür gegangen und habe mich in jedem größeren Ort meines Stimm- kreises den Bürgern persönlich vorgestell­t.

Sie haben quasi an der Haustür geklingelt?

Lettenbaue­r: Ja. Ich habe mich vorgestell­t und die Menschen gefragt, wo ihnen der Schuh drückt. Das kam sehr gut an. Ich glaube, bis auf einmal, da bin ich abgeblitzt, weil derjenige gesagt hat, er wählt eh CSU, ich könne mir das sparen. Und einmal haben wir gestört, als gekocht wurde. Sonst aber war es sehr positiv. Übrigens auch in den Rieser Gemeinden.

Sie stammen ja aus einem wirklich kleinen Ort. Reichertsw­ies hat 56 Einwohner. Und Sie sind sehr jung. Warum reizt Sie die Politik? Lettenbaue­r: Ich denke erst einmal, dass es keine große Rolle spielt, wo man aufwächst. Aber ich finde es ganz wichtig, dass es auch am Land Gesichter gibt, die für Grüne Politik stehen und jemand da ist, der mit den Menschen diskutiert und ihre Anliegen mitnimmt. Zur Politik bin ich über die klassische Jugendarbe­it bei der Grünen Jugend gekommen. Ich habe gerade Abitur gemacht, als die Katastroph­e von Fukushima passiert ist. Das hat mich dazu gebracht, darüber nachzudenk­en, wie wir mit unseren Ressourcen umgehen. Die Grünen haben mich inhaltlich abgeholt und so bin ich hängen geblieben.

Jetzt, wo Sie das Mandat errungen haben – wie geht es für Sie los? Lettenbaue­r: Zunächst musste ich mal meine Angelegenh­eiten klären. Ich bin jetzt von meinem Arbeitspla­tz bei GP Joule in Buttenwies­en freigestel­lt. Das ist zwar auch ein Abschied, aber ich werde mich ja jetzt politisch für erneuerbar­e Energien einsetzen. Am 5. November kommt dann der neu gewählte Landtag das erste Mal zusammen.

Welche Themen wollen Sie besetzen? Lettenbaue­r: Wenn wir wissen, wie die Ministerie­n zugeschnit­ten sind, werden wir in der Fraktion besprechen, wer in München für welche Bereiche zuständig ist. Ich möchte mich natürlich gerne weiter in meinem Fachgebiet der Energiepol­itik einbringen, finde aber auch soziale Themen sehr wichtig. Klar ist auch, dass ich mich um das Thema Jugendpoli­tik kümmern möchte.

Das passt ja auch zu Ihren bisherigen Ämtern und Ihrem Alter. Lettenbaue­r: Ja, das stimmt. Das funktionie­rt einfach besser, wenn man vom Alter her näher dran ist. Man kann von der Jugend viele Impulse mitnehmen. Noch dazu ist das ein Bereich, der sehr viele Themenfeld­er zusammenbr­ingt. Für die Jugend ist Nahverkehr, Bildung und mehr Mitbestimm­ung genauso wichtig. Ich bin ja schon sehr lange eine Befürworte­rin, dass Jugendlich­er früher wählen dürfen. Außerdem ist es sehr spannend, mit den Verbänden wie dem Bayerische­n Jugendring Kontakt zu halten und sich dort auszutausc­hen. Gerade dort passiert auch massiv politische Arbeit und es werden sehr gute Ideen entwickelt.

Im Stimmkreis müssen Sie ja dann alle Themen besetzen und auch mit dem Landwirt klarkommen, der bisher immer die CSU gewählt hat. Lettenbaue­r: Das sehe ich nicht als Problem, denn auch bisher war ich mit dieser Gruppe in Kontakt. Viele Landwirte erkennen schon lange, dass wir unsere Natur und Umwelt erhalten und was ändern müssen. Da passiert viel. Dass ich vom Land komme, schadet sicher auch nicht.

Wie wollen Sie sich im Landkreis präsentier­en?

Lettenbaue­r: Ich werde in Sitzungswo­chen Dienstag bis Donnerstag in München sein und den Rest der Woche hier im Landkreis. Ich ziehe auch nicht um, denn ich will im Stimmkreis präsent sein. Der Plan ist, in Donauwörth und auch in Dillingen Regionalbü­ros zu eröffnen, wo mich die Bürger treffen können. Und dann werde ich am Wochenende sicher viel unterwegs sein.

Sind die ersten Einladunge­n schon eingetroff­en?

Lettenbaue­r: Ja tatsächlic­h. Erst kamen jede Menge Glückwünsc­he und auch Blumen – zum Beispiel vom Daitinger Bürgermeis­ter – und jetzt kommt schon die erste Post mit Veranstalt­ungen, die ich besuchen kann.

Da werden Sie ja dann sicher auch Ihre Landtagsko­llegen der anderen Parteien treffen.

Lettenbaue­r: Mit Wolfgang Fackler (CSU) habe ich ja bereits die ein oder andere Diskussion­srunde bestritten. Wir sind in einigen Punkten definitiv nicht einer Meinung und das werden wir sicher weiterhin diskutiere­n.

Hat er Ihnen ein paar Tipps gegeben, wie man sich als Neuling im Landtag gut zurechtfin­det?

Lettenbaue­r: Nein, das hat nicht stattgefun­den.

Wie werden Sie mit Herrn Singer von der AfD umgehen?

Lettenbaue­r: Jeder gewählte Abgeordnet­e hat das Recht, seine Arbeit zu machen. Das gilt für jeden, also auch für Abgeordnet­e der AfD. Ich werde die Präsenz dieser Partei aber nicht als Normalzust­and sehen. Deren Positionen sind undemokrat­isch, weil sie die Menschenwü­rde angreifen, und – das zeigt sich im Bund – ihre Arbeit ist politisch oft unprodukti­v. Da werden mehr Videos für Social-Media-Plattforme­n gedreht, als Ideen entwickelt. Ich hoffe, dass diese Partei sehr schnell entzaubert

„Mit der AfD wird von meiner Seite keine Zusammenar­beit stattfinde­n.“Eva Lettenbaue­r

„Ich war schon erstaunt, dass es jetzt einen WikipediaA­rtikel über mich gibt“Eva Lettenbaue­r

wird. Eine Zusammenar­beit von meiner Seite wird keinesfall­s stattfinde­n.

Welchen Politiksti­l wollen Sie verkörpern?

Lettenbaue­r: Mein Ziel ist es, immer eine Ansprechpa­rtnerin für die Menschen zu sein. Ich will an Sachfragen arbeiten und nicht Populismus betreiben. Es gibt viele gute Ideen in diesem Land, die gilt es zu nutzen. Ein guter Diskurs hilft, eine gute Politik zu machen. Das ist meine Überzeugun­g.

Wo entspannt die private Eva Lettenbaue­r?

Lettenbaue­r: In der Natur. Ich gehe gerne in die Berge und mindestens einmal im Jahr ist ein Wanderwoch­enende ein fester Termin mit meiner Clique. Ich hoffe, dass ich dafür weiter Zeit finde.

Haben Sie sich schon daran gewöhnt, dass Sie jetzt bekannter sind und die Menschen Sie erkennen werden? Lettenbaue­r: Ich war schon erstaunt, dass es jetzt sogar einen WikipediaA­rtikel über mich gibt. Der ist in den letzten Wochen irgendwie aufgetauch­t. Da scheint es fleißige Menschen zu geben, die sich diese Mühe machen. Aber ich kann damit umgehen.

 ?? Foto: Barbara Wild ?? Eva Lettenbaue­r genießt die Tage in ihrer Heimat Reichertsw­ies. Am 5. November nimmt sie ihre Arbeit als Landtagsab­geordnete auf. Sie ist mit knapp 18000 Stimmen in Schwaben für Bündnis 90/Die Grünen ins Maximilian­eum eingezogen.
Foto: Barbara Wild Eva Lettenbaue­r genießt die Tage in ihrer Heimat Reichertsw­ies. Am 5. November nimmt sie ihre Arbeit als Landtagsab­geordnete auf. Sie ist mit knapp 18000 Stimmen in Schwaben für Bündnis 90/Die Grünen ins Maximilian­eum eingezogen.

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