Rieser Nachrichten

Wird es jetzt einsam um Alice Weidel?

Die 39-Jährige ist eine Frau voller Widersprüc­he. Die Herzen der AFD sind ihr nie zugeflogen. Solange sie Erfolge garantiert­e, hat das niemanden gestört. Im Skandal um dubioses Geld aus der Schweiz könnte es zum Problem werden

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Wenn ihre Anhänger beweisen wollen, dass Alice Weidel eben keine engstirnig­e Nationalis­tin ist, sondern eine Frau von Welt, dann erzählen sie gerne, dass die 39-Jährige sogar Mandarin spricht. Das macht mächtig Eindruck – auf jene, die wissen, dass es sich dabei um eine komplizier­te chinesisch­e Sprache handelt. Und auf die anderen erst recht. Weidel ist ein Mensch voller Widersprüc­he. In Deutschlan­d gehört sie zu den schärfsten Stimmungsm­achern der AFD. In der Schweiz lebt sie ein Leben, das so gar nicht zum Familienbi­ld ihrer eigenen Partei passen will. Mit ihrer Partnerin, die aus Sri Lanka stammt und besser nicht in eine Pegida-demo geraten sollte, zieht sie dort zwei Söhne groß. Eine Regenbogen­familie aus dem Bilderbuch. Nur eben nicht aus dem Bilderbuch der AFD, die dringend davor warnt, den Begriff Familie auf irgendetwa­s anderes „auszudehne­n“als Vater, Mutter und Kind.

Wer glaubt, Weidels eigene Geschichte würde sie logischerw­eise zur Kämpferin für ein liberales Rollenbild machen, täuscht sich. Liberal ist die promoviert­e Ökonomin allenfalls, wenn es um Wirtschaft­sfragen geht. Um sie zu verstehen, genügt der erste Blick einfach nicht. Der erste Blick zeigt: Perlenkett­e, Hosenanzüg­e, weiße Blusen (manchmal auch hellblau), streng nach hinten gebundene Haare, spöttische­s Lächeln, Arme oft verschränk­t (wirkt entschloss­en). Sie inszeniert sich als Managerin, als Business-frau, die nicht auf eine politische Karriere angewiesen ist. Würde man eine Liste von den radikalen und den eher gemäßigten Kräften in der AFD anlegen, käme wohl niemand auf die Idee, Alice Weidel auf der Seite der Radikalen einzutrage­n. Doch wer sich ihre Auftritte und Beiträge in sozialen Netzwerken anschaut, fragt sich irgendwann: warum eigentlich nicht?

Weidel ist eine messerscha­rfe Rednerin. Eine, die sowohl die laute Konfrontat­ion beherrscht als auch die leiseren, vergiftete­n Töne. Gibt sie die Gemäßigte nur zum Schein? Ist das noch einer dieser Widersprüc­he? Dass die Fraktionsc­hefin in ihrer Haltung durchaus flexibel ist, zeigt ihr Umgang mit Björn Höcke. Weidel gehörte einmal zu den Afdleuten um Frauke Petry, die den Rechtsauße­n aus der Partei werfen wollten. Als das Ansinnen scheiterte, arrangiert­e sie sich – den eigenen Aufstieg im Blick – aber schnell mit dem immer stärker werdenden rechten Flügel.

In ihrer Partei fliegen ihr nicht gerade die Herzen zu. Sie redet zwar gerne vom „kleinen Mann“, um den sich angeblich keiner mehr kümmert. Aber sie ist keine Volkstribu­nin. Beim Parteitag in Augsburg im Sommer gehört sie nicht zu jenen Afd-spitzenleu­ten, die sich mal unter die Menge mischen und ein bisschen plaudern. Sie bleibt abgeschirm­t, telefonier­t in einer ruhigen Ecke, gibt ein, zwei Fernsehint­erviews und kehrt wieder auf die Bühne zurück. Solange jemand Erfolge garantiert, stört sich niemand an einer solchen Distanzier­theit. Doch nun, da Weidel wegen einer dubiosen Großspende aus dem Ausland unter Druck gerät, könnte es zum Problem für sie werden, dass sie außer Parteichef Alexander Gauland, mit dem sie sich den Fraktionsv­orsitz im Bundestag teilt, keine mächtigen Verbündete­n hat.

Insgesamt 130000 Euro sind vor der Bundestags­wahl 2017 aus der Schweiz auf ein Konto des Afdkreisve­rbandes Bodensee geflossen. Deklariert war die Summe als Wahlkampfh­ilfe für Weidel. Wer dahinter steckt, bleibt im Dunkeln. Eine Schweizer Firma soll das Geld im Auftrag eines unbekannte­n „Geschäftsf­reundes“weitergele­itet haben. Erst viel später wurde die offensicht­lich illegale Spende zurückgeza­hlt. Weidel gibt die Ahnungslos­e. Sie habe sich auf die Einschätzu­ng des Landesscha­tzmeisters verlassen. Sagt sie. Kann sie wirklich so naiv gewesen sein? Eine Ökonomin mit Doktortite­l? Eine Frau von Welt, die sogar Mandarin spricht?

Gibt sie die Gemäßigte nur zum Schein?

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Foto: Christian Ditsch, Imago Alice Weidel ist Fraktionsc­hefin der AFD im Bundestag.

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