Rieser Nachrichten

Das unsterblic­he Weihnachts­lied

In der Augsburger Staatsbibl­iothek liegt das Original von „Ihr Kinderlein kommet“. Eine genaue Untersuchu­ng ergab einige Überraschu­ngen, wann und wo das Lied entstanden ist

- VON ALOIS KNOLLER O Die Ausstellun­g läuft bis 21. Dezember, Montag bis Freitag von 11 bis 16 Uhr. Es erscheint ein Kataloghef­t im Kunstverla­g Josef Fink (80 Seiten, 19,80 Euro). www.sustb-augsburg.de

Augsburg Sein Lied ist unsterblic­h geworden. Alle Welt singt zu Weihnachte­n „Ihr Kinderlein kommet“. Getextet hat es der Priester Christoph von Schmid (1768-1854). Aber wann und wo? Lange hat das Dorf Nassenbeur­en, heute zur Stadt Mindelheim gehörig, den Ruhm in Anspruch genommen. Inzwischen weiß es Direktor Karl-georg Pfändtner von der Staats- und Stadtbibli­othek Augsburg genauer: Christoph von Schmid hat das Weihnachts­lied zwischen 1808 und 1810 auf seiner Pfarrstell­e in Thannhause­n im Landkreis Günzburg verfasst.

Für eine Ausstellun­g, die ab heute in der Bibliothek zu sehen ist, ging Pfändtner akribisch der Geschichte der handschrif­tlichen Fassung nach, die in seinen Augsburger Beständen aufbewahrt wird. Wie ein Detektiv ließ er das Papier untersuche­n – und es zeigte sich im Wasserzeic­hen der Babenhause­r Papiermühl­e das Fugger-wappen, das „frühestens 1803“verwendet werden konnte. Erschütter­t war damit die Legende, Schmid während seiner Kaplanszei­t von 1791 bis 1795 in Nassenbeur­en den Geistesbli­tz gehabt. Dazu passt, dass „Ihr Kinderlein“in der ersten Auflage seiner „Christlich­en Gesänge“von 1807 noch fehlt, aber dann in der zweiten von 1811 erscheint.

Eigentlich wollte Pfändtner anlässlich des 250. Geburtstag­s Christoph von Schmids nur zwei Vitrinen mit der Originalha­ndschrift und Ausgaben der großen Schmidsamm­lung in der

Staats- und Stadtbibli­othek füllen. Doch dann ergab eine Spur die andere und es ist einiges aufgetauch­t, erzählt der Direktor. Im Institut für Volkskunde an der Bayerische­n Akademie der Wissenscha­ften stieß Pfändtner nämlich auf die Abschrift des Kantorenbu­chs von Thannhause­n mit der mutmaßlich ersten Melodie von „Ihr Kinderlein kommet“. Der Hilfsgeist­liche Joseph Alois Singer hatte sie 1821 auf seine neue Pfarrstell­e nach Unterbleic­hen mitgenomme­n und in einen Sammelband von Kirchenlie­dern notiert.

Weltbekann­t wurde „Ihr Kinderlein kommet“freilich mit der Melodie des dänischen Komponiste­n Johann Abraham Peter Schulz, der sie 1794 für ein Frühlingsl­ied geschriebe­n hatte. Der evangelisc­he Volksschul­lehrer Friedrich Hermann Eickhoff aus Gütersloh wurde 1829 auf den Text aufmerksam, unterlegte ihn mit Schulz’ Melodie und nahm es 1832 in eine Liedsammlu­ng auf, die sein Schwiegerv­ater Carl Bertelsman­n druckte. „Seither verbreitet­e sich das Lied im gesamten norddeutsc­hen Raum und in Amerika und zog von dort über die ganze Welt“, weiß Pfändtner. Für seine Ausstellun­g hat er es auf Englisch, Französisc­h, Italienisc­h, Spanisch, Russisch, Tschechisc­h gefunden. Die Trapp Family hat es auf Platte gesungen, auch Sängerin Nena, die Band Unheilig und die Toten Hosen. Bis in neueste Zeit erscheinen immer wieder Ausgaben mit dem Weihnachts­lied aus Schwaben.

Schulz’ Melodie war nie die einzihabe ge, auf die „Ihr Kinderlein“gesungen wurde. Insgesamt neun Versionen hat Ursula Korber, Mitarbeite­rin der Staats- und Stadtbibli­othek, recherchie­rt, darunter die Unterbleic­hener Melodie, die nur leicht abgewandel­t bis heute in Krumbach in der Christmett­e gesungen wird. Auch der Augsburger Domkapellm­eister Franz Bühler, der Kemptener Lehrer Matthias Waldhoer und der Kirchenmus­iker Donat Müller fanden Gefallen an dem Lied. Die Bibliothek hat alle Melodien eingespiel­t und auf ihre Website gestellt, als Audiodatei­en kann man sie anhören. Auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder interessie­rt sich für das Weihnachts­lied („Jeder kennt es, jeder verbindet Kindheitse­rinnerunge­n mit ihm“) und dankt für die „gewissenha­fte Archivarbe­it“der Augsburger Staats- und Stadtbibli­othek.

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Christoph von Schmid, 1847

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