Warum es immer wieder Debatten um die exakte Zahl der Mauertoten gibt
Die Diskussion hat die Mauer letztlich lange überlebt: Wie viele Menschen sind tatsächlich an der Mauer, die Deutschland vom August 1961 bis zum November 1989 trennte, ums Leben gekommen? ● Forschungsstand Eigentlich schien die Zahl der Mauertoten festzustehen, doch nun sind erneut Zweifel an den Angaben laut geworden. Recherchen des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) zufolge, könnte die tatsächliche Opferzahl deutlich niedriger als bislang geglaubt liegen. 327 Todesopfer soll es an der innerdeutschen Grenze gegeben haben – das ist das Ergebnis einer Studie, die 2012 in Auftrag gegeben wurde. 2017 wurde diese Zahl in einem Handbuch des Forschungsverbunds SED-Staat der Freien Universität Berlin erneut bestätigt. Seitdem galt sie als „offizielle“Opferzahl des DDR-Grenzregimes. ● Neue Zahlen Nach RBB-Erkenntnissen müssen allerdings mindestens 50 Tote von dieser Liste wieder gestrichen werden. So zähle die Studie von 2012 fälschlicherweise unter anderem auch Offiziere der Grenztruppen mit, die Suizid begangen haben oder Volkspolizisten, die Opfer eines Amoklaufes wurden. ● Unsicherheiten Warum ist es aber so schwer, eine exakte Zahl zu nennen? Der Autor der Studie, der Historiker Jochen Staadt, hat die Probleme geschildert: „Es ist die Vertuschungsund auch die Zerstörungspraxis von Unterlagen, die das schwer machen, da die DDR-Verantwortlichen Tote haben verschwinden lassen, da sie die Fälle kaschiert haben, da sie andere Todesursachen angegeben haben, wenn sie konnten.“Klar ist: Die DDR schoss nicht nur auf Flüchtlinge, sie verfolgte auch diejenigen, die eine Flucht planten oder anderen bei der Flucht halfen. Oft reichte schon der pure Verdacht für eine Verfolgung. Nach Statistiken der Generalstaatsanwaltschaft der DDR wurden zwischen 1960 und 1988 mehr als 71 000 Strafen wegen „Republikflucht“verhängt. (AZ, dpa)