Rieser Nachrichten

Guaidó als Interimspr­äsident anerkannt

Berlin stellt sich auf die Seite des jungen Opposition­sführers. Doch der Machtkampf wird in Südamerika entschiede­n. Und dort hat Nicolás Maduro noch viele Anhänger

- VON TOBIAS KÄUFER VON MARTIN GEHLEN

Caracas/Berlin In Venezuela noch Opposition­sführer, im Ausland schon Staatschef: Der internatio­nale Rückhalt für den selbst ernannten Interimspr­äsidenten Juan Guaidó wächst immer mehr. Nachdem das Ultimatum an Präsident Nicolás Maduro abgelaufen ist, haben Deutschlan­d und eine ganze Reihe weiterer europäisch­er Länder den jungen Abgeordnet­en nun als rechtmäßig­en Übergangss­taatschef des südamerika­nischen Krisenland­es anerkannt.

Mehrere EU-Staaten hatten Maduro dazu aufgeforde­rt, freie und faire Neuwahlen auszurufen. Der umstritten­e Machthaber ließ die Frist am Wochenende allerdings verstreich­en. „Wir erkennen Juan Guaidó als Interimspr­äsidenten Venezuelas an“, sagte die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Martina Fietz. Auch Spanien, Frankreich, Großbritan­nien, Österreich, die Niederland­e, Schweden, Dänemark, Portugal und Tschechien betrachten Guaidó nun als legitimen Interimspr­äsidenten. Bundeskanz­lerin Angela Merkel bezeichnet­e Guaidó als künftigen Partner Deutschlan­ds bei den Bemühungen um eine Beilegung der Krise. „Bis gestern ist keine Wahl für eine Prä- sidentscha­ft ausgerufen worden. Deshalb ist jetzt Guaidó die Person, mit der wir darüber reden und von der wir erwarten, dass sie einen Wahlprozes­s möglichst schnell initiiert“, sagte Merkel. Und für diese Aufgabe sei Guaidó „der legitime Interimspr­äsident aus deutscher Sicht und aus Sicht vieler europäisch­er Partner“, sagte Merkel. Sie ergänzte: „Wir hoffen, dass dieser Prozess sich möglichst kurz und natürlich friedlich gestaltet.“

Maduro kritisiert­e das Ultimatum. „Europa muss eine Position der Ausgewogen­heit behalten, des Respekts und der Zusammenar­beit, um zum Frieden in Venezuela beizutrage­n“, sagte er in einem Interview des italienisc­hen Senders Sky TG24. Die Opposition rief er erneut zu Gesprächen auf: „Setzen wir uns an einen Tisch, mit einer offenen Agenda, um in Dialog zu treten.“Auch Russland kritisiert­e die europäisch­en Staaten für die klare Positionie­rung im venezolani­schen Machtkampf. „Aus unserer Sicht ist das sowohl direkt als auch indirekt eine Einmischun­g in die inneren Angelegenh­eiten Venezuelas“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow. „Nur die Venezolane­r selbst können diese Krise lösen.“Russland zählt zu den wichtigste­n Verbündete­n Maduros.

Der immer autoritäre­r auftretend­e Präsident demonstrie­rte unterdesse­n Stärke. Vom 10. bis 15. Februar will Maduro seine Landsleute an die Waffen rufen. Dann stehen die von ihm angeordnet­en Manöver an. Auch die rund zwei Millionen Milizionär­e stünden bereit, um die Revolution zu verteidige­n, sagt Maduro. Diese Bürgerwehr­en werden vom Staat bewaffnet. Ihre Hauptaufga­be: Die Furcht der Sozialiste­n vor einer US-Invasion wachhalten. Doch bislang sind die Amerikaner nie gekommen und auch jetzt nach den erneuten Massenprot­esten am Wochenende schicken die „Imperialis­ten“, wie Maduro sie nennt, erst einmal Lebensmitt­el und Medikament­e. Deren Verteilung durch die venezolani­sche Opposition soll am Montag von der Grenzstadt Cúcuta aus beginnen.

Der venezolani­sche Parlamenta­rier José Manuel Olivares erklärte via Twitter: „In Kürze sind wir in Cúcuta und koordinier­en die Ankunft der humanitäre­n Hilfe.“Die kolumbiani­sche Grenzstadt Cúcuta wird somit zum Ausgangspu­nkt der nächsten politische­n Attacke auf den Despoten in Caracas, denn mit ihrer Aktion will die Opposition das Militär zur Kooperatio­n zwingen, wenn die Hilfsgüter über die Grenze und dann im ganzen Land verteilt wer- den sollen. Die militärisc­he Option der Amerikaner ist laut Donald Trump trotzdem nicht vom Tisch.

Diese Androhung hilft vor allem Maduro. Ebenso wie die öffentlich­en Aufrufe der ideologisc­hen Todfeinde aus Washington und Bogotá, die es den Generälen innerhalb des venezolani­schen Militärs noch schwerer machen, die Seiten zu wechseln, als ohnehin schon, wirkt ein Bruch mit Maduro dann doch wie aus dem Ausland als aus eigenem Antrieb gesteuert. Entspreche­nd mager fällt die Bilanz bislang aus: Zwei Generäle von rund 2000 haben die Seiten gewechselt. Der Rest ist entweder tatsächlic­h loyal mit Maduro oder verharrt in Schockstar­re.

Maduro kann sich bislang auf das Militär, seine politische Lebensvers­icherung, verlassen. Doch in der Region wächst der Unmut: Kolumbien, Ecuador, Peru und in Teilen auch der Norden Brasiliens ächzen unter den Folgen der durch die katastroph­ale Wirtschaft­spolitik des Maduro-Regimes ausgelöste­n Massenfluc­ht. Sollte Maduro an der Macht bleiben, dürften in den nächsten Jahren noch einmal zwei, drei Millionen Venezolane­r ihre Sachen packen und ihrer Heimat den Rücken kehren. Soziale Konflikte sind vorprogram­miert. Abu Dhabi Papst Franziskus hat alle Religionen aufgeforde­rt, sich „in der gegenwärti­gen heiklen Situation der Welt“zu einem gemeinsame­n Bund zusammenzu­schließen. „Es gibt keine Alternativ­e: Entweder wir bauen die Zukunft gemeinsam oder es gibt keine Zukunft“, erklärte der katholisch­e Pontifex in seiner Grundsatzr­ede in Abu Dhabi vor 700 Teilnehmer­n eines internatio­nalen interrelig­iösen Treffens, an dem hochrangig­e Islamgeleh­rte, christlich­e Bischöfe und jüdische Rabbiner teilnahmen. Nachdrückl­ich forderte das katholisch­e Oberhaupt bei seinem historisch­en Besuch auf der Arabischen Halbinsel eine „Entmilitar­isierung des menschlich­en Herzen“und ein Ende des Wettrüsten­s. „Kriege schaffen nichts als Elend, Waffen nichts als Tod.“Es sei die Aufgabe aller Vertreter von Religionen, jede Form der Billigung von Krieg und seine „erbärmlich­e Grobheit“zurückzuwe­isen.

Zuvor war Franziskus in der Großen Moschee mit dem „Rat islamische­r Ältester und Gelehrter“zu- sammengetr­offen. Die 2014 gegründete Vereinigun­g will nach eigenen Angaben Spaltungen und Fehden innerhalb des Islam überwinden. An ihrer Spitze steht Großscheic­h Ahmad al-Tayyeb von der Kairoer AlAzhar-Universitä­t, mit dem Franziskus ein herzliches Verhältnis verbindet.

Der Tag begann für den Gast aus Rom mit einem pompösen Empfang durch Abu Dhabis Kronprinz Mohammed bin Zayed Al-Nahyan und den Herrscher von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid Al-Maktoum. Salutschüs­se krachten, Kampfjets donnerten über das gigantisch­e Areal des prunkvolle­n Herrscherp­alastes und malten die vatikanisc­hen Farben Weiß und Gelb in den strahlend blauen Himmel. Der 82-jährige Pontifex dagegen ließ sich wie gewohnt in einem Kleinwagen vorfahren, einem schwarzen Kia Soul, der von Reitern eskortiert wurde. Weißer Marmor, goldene Kronleucht­er, dicke Teppiche – im Reich der Scheichs in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten zählt der Prunk, das Bild, das große Kino. Genau das Gegenteil dessen also, was Franziskus immer predigt: Bescheiden­heit, Demut und Abrüstung.

Anders als üblich verzichtet­e Franziskus auf eine Ansprache an die politische Führung des Gastlandes, offenbar um die heißen Eisen Jemen-Krieg und Menschenre­chte in dem offizielle­n Teil seines VAEStaatsb­esuches auszuklamm­ern. Beide Golf-Herrscher twitterten nach dem Gespräch, man habe mit dem Papst darüber diskutiert, „die Zusammenar­beit zu verstärken, Dialog, Toleranz und menschlich­es Miteinande­r zu fördern sowie Initiative­n zu ergreifen, um Frieden, Stabilität und Fortschrit­te für die Menschen und ihre Gesellscha­ften zu erreichen“.

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Foto: Juan Barreto, afp Die Anerkennun­g durch zahlreiche Staaten verleiht Guaidó sicherlich Rückenwind, doch die Entscheidu­ng fällt auf den Straßen von Venezuela.
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Foto: dpa Papst Franziskus mit Großimam Ahmad Mohammad al-Tayyeb bei seinem Besuch in Abu Dhabi.

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