Rieser Nachrichten

NSU-Terroristi­n Zschäpe ist zurück in Sachsen

Die 44-Jährige sitzt in Chemnitz in Haft. Kritiker fürchten, es könnte dort Kontakte zu früheren Unterstütz­ern geben

- VON JENS EUMANN UND SIMON KAMINSKI

Chemnitz/Augsburg Beate Zschäpe hat am Montag die Justizvoll­zugsanstal­t München-Stadelheim in Richtung Chemnitz im Freistaat Sachsen verlassen. Damit sind die Spekulatio­nen vom Tisch, dass die wegen zehnfachen Mordes und Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g zu einer lebenslang­en Haftstrafe verurteilt­e 44-Jährige zunächst im Frauengefä­ngnis Aichach bei Augsburg untergebra­cht wird. Zschäpe bildete nach Überzeugun­g des Gerichts mit ihren Freunden Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die rechtsextr­eme Terrorgrup­pe NSU, der zehn Morde zugerechne­t werden.

Juristisch ist eine heimatnahe Unterbring­ung an der Tagesordnu­ng, dennoch gibt es Kritik in Sachsen aus den Landtagsfr­aktionen der Grünen und Linken. Die Sorge ist, dass der rechten Szene in Chemnitz gelingen könnte, zu der 44-Jährigen Kontakt aufzunehme­n. Die Verlegung in die JVA Chemnitz war im Hintergrun­d seit einiger Zeit vorbereite­t worden. Das bayerische Justizmini­sterium, das in die Gespräche mit den Kollegen in Sachsen involviert war, wollte sich zu dem Fall auf Anfrage unserer Zeitung nicht äußern. Bereits 2012, also im Jahr vor Beginn des Prozesses, der von 2013 bis 2018 geführt wurde, hatte die Thüringeri­n Zschäpe den Wunsch geäußert, in die Nähe ihrer Heimat verlegt zu werden. In das Frauengefä­ngnis Chemnitz wurde sie verlegt, weil Sachsen und Thüringen die dortige JVA als gemeinsame­n Unterbring­ungsort für weibliche Häftlinge bestimmt haben. Ein Blick auf die Strafvolls­treckungso­rdnung zeigt, dass das Aichacher Frauengefä­ngnis ohnehin wohl nur eine Zwischenst­ation gewesen wäre. Bei der Entscheidu­ng über den Standort der JVA, in der die Haft verbüßt wird, spielen der letzte Aufenthalt­sort sowie soziale Kontakte eine wichtige Rolle. Im Fall Zschäpe dürfte hinzukomme­n, dass sie bereits seit 2011 in Untersuchu­ngshaft sitzt. Das ist ungewöhnli­ch lange. Und so gehen Beobachter davon aus, dass die Justiz Zschäpe nicht zumuten wollte, weiter in München in U-Haft zu sitzen, bis das Urteil rechtskräf­tig ist. Das kann dauern, zumal das Urteil noch nicht schriftlic­h vorliegt und Zschäpes Verteidige­r Revision angekündig­t haben. Gängige Rechtsprax­is ist es, den Wunsch nach heimatnahe­r Unterbring­ung zu erfüllen, wenn das Urteil Rechtskraf­t erlangt hat.

Nachdem sie sich im November 2011 in Jena der Polizei gestellt hatte, war sie vor ihren Stationen in Köln und München einige Tage in Chemnitz in U-Haft. Positiv in Erinnerung geblieben war Zschäpe die dortige Haftanstal­t auch aus praktische­n Gründen. Zum einen habe sie in Chemnitz nicht so gefroren wie in der schlecht beheizten Zelle in Köln, auch habe sie in Chemnitz, anders als in Köln, über einen Warmwasser­anschluss verfügt, berichtete Zschäpe später.

Kritiker verweisen auf das Netz von potenziell­en Kontaktper­sonen in Chemnitz. Jahrelange Ermittlung­en der Bundesanwa­ltschaft ergaben, dass das Netzwerk der NSUKontakt­e und -Unterstütz­er in Chemnitz bundesweit am dichtesten war. Nach dem Abtauchen 1998 hatten sich Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in Chemnitz auf fast 30 inzwischen bekannte Kameraden verlassen können. Genau diese Konstellat­ion sorgte 2012 für eine Ablehnung von Zschäpes Antrag auf Verlegung nach Chemnitz. Es bestehe die Gefahr, dass über „praktisch nicht kontrollie­rbare Begegnunge­n mit Mithäftlin­gen auch Kontaktauf­nahmen mit bislang unbekannte­n Sympathisa­nten und Unterstütz­ern des NSU außerhalb der JVA ermöglicht werden könnten“, hatte die Bundesanwa­ltschaft argumentie­rt.

Inzwischen sind jedoch große Teile des NSU-Netzwerks bekannt. So wurde die Gefahr, dass Zschäpe ihre rechtsextr­emen Unterstütz­er aktivieren könnte, offensicht­lich aktuell als deutlich geringer bewertet als noch vor sechs Jahren.

 ?? Foto: Peter Endig, dpa ?? Das neue „Zuhause“der NSU-Terroristi­n Beate Zschäpe: Die Justizvoll­zugsanstal­t im sächsische­n Chemnitz.
Foto: Peter Endig, dpa Das neue „Zuhause“der NSU-Terroristi­n Beate Zschäpe: Die Justizvoll­zugsanstal­t im sächsische­n Chemnitz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany