Rieser Nachrichten

Kuka-Krimi hätte anders laufen können

2016 appelliert­en Verantwort­liche des Roboterbau­ers vergeblich an die Bundesregi­erung, die komplette Übernahme der Firma zu verhindern. Nun greift CDU-Mann Altmaier die Idee auf

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Die Mühlen der Politik mahlen langsam. Für Kuka haben sie sich viel zu zögerlich bewegt, so dass der chinesisch­e Haushaltsg­eräte-Konzern Midea im Jahr 2016 bei dem Augsburger Roboterbau­er durchmarsc­hieren und sich rund 95 Prozent der Aktien sichern konnte.

Damals lief allen, ob Politikern oder Kuka-Managern, die eine komplette Übernahme verhindern wollten, die Zeit davon. Es hatte sich zwar ein Rettungsko­mitee aus Gewerkscha­ftern, Repräsenta­nten des Augsburger Unternehme­ns und dem damaligen Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel (SPD) gebildet. Aber die Suche der Truppe nach einem Weißen Ritter, also einem mutigen Investor, der sich für Kuka schützend in die Bresche wirft, blieb erfolglos.

Der Lockstoff der Chinesen war zu betörend. Dem Duft von 115 Euro je Aktie konnten die Anteilseig­ner nicht widerstehe­n, lag der wahre Börsenwert pro Papier laut Experten damals doch bei etwa 85 Euro je Aktie. So ließen alle Ritter ihre Schwerter stecken, ob bei Siemens, dem schweizeri­sch-schwedisch­en Kuka-Rivalen ABB oder anderen kapitalkrä­ftigen Häusern. Im August 2016 war alles zu spät: Der deutsche Vorzeigebe­trieb gehörte fast ganz den geschickt vorgehende­n Invasoren aus Asien.

Doch die Geschichte hätte anders laufen können, wie Recherchen dieser Redaktion ergeben haben. Denn nachdem die Midea-Angreifer den 115-Euro-Lockstoff versprühte­n, machte sich eine nach einem wirksamen Gegenduft suchende Truppe aus der Region auf dem Weg nach Berlin. Die Reise führte sie zum damaligen Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel, ein Mann, der schon mal gegen die Mächtigen anstinken kann. So empfing der SPDPolitik­er unter anderem den IGMetall-Vorstand Jürgen Kerner. Ihm liegt Kuka von jeher besonders am Herzen, war er doch einst Chef der Gewerkscha­ft in Augsburg, wo der Stammsitz des Unternehme­ns liegt. Der Arbeitnehm­ervertrete­r saß auch früher im Aufsichtsr­at des Unternehme­ns und hatte die VizeFunkti­on in dem Gremium inne.

Kerner macht keine Angaben über die weiteren Mitglieder des Rettungsko­mitees. Er nennt also nicht deren Namen. Doch wie zu erfahren ist, führte die abwehrbere­ite Runde der inzwischen von den Chinesen geschasste damalige Kuka-Chef Till Reuter an. Auch der zu dem Zeitpunkt den Aufsichtsr­at leitende Maschinenb­au-Experte Bernd Minning und Michael Leppek, bis heute IG-Metall-Chef in Augsburg, waren demnach mit von der Partie. Nach Informatio­nen dieser Redaktion hatten sie, um sozusagen in letzter Minute die Chinesen auszubrems­en, einen interessan­ten Vorstoß im Gepäck. Dieser sah vor, dass Gabriel seine Kollegen in der Bundesregi­erung und damit vor allem den seinerzeit amtierende­n Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble überzeugt, dass der Staat indirekt eine Sperrminor­ität an der Kuka AG von 25,1 Prozent erwirbt. In dem Fall hätte sich dann die staatliche Förderbank KfW zum Weißen Ritter für Kuka aufgeschwu­ngen und das Schwert gezückt. Das wäre nicht nach dem Geschmack der Chinesen gewesen. Denn mit einer Sperrmi- norität lässt sich für dicke Luft sorgen. Die Idee des Kuka-Rettungsko­mitees erinnert stark an die am Dienstag von Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier vorgestell­ten Pläne, notfalls mit einem Beteiligun­gsfonds feindliche Übernahmen großer Unternehme­n in Deutschlan­d zu verhindern. Nach dem Konzept dürfte der Staat kurzfristi­g Anteile an einem Unternehme­n übernehmen. Doch was CDU-Mann Altmaier durchaus als Lehre aus dem Fall „Kuka“durchsetze­n will, schien für den SPD-Politiker Gabriel 2016 noch nicht in der damaligen Großen Koalition durchsetzb­ar zu sein. Wie es aus Teilnehmer­kreisen des damaligen Spitzenges­prächs zu Kuka heißt, habe der SPD-Zampano auf seinen Kollegen im Finanzmini­sterium verwiesen und in etwa gesagt: Das mache Wolfgang Schäuble nicht mit. Schließlic­h hätte der Finanzmini­ster es gutheißen müssen, dass der Staat indirekt einen Aufpreis von rund 30 Euro pro Kuka-Aktie zahlt, also die von den Chinesen gebotenen 115 Euro, wo doch 85 Euro angemessen gewesen wären. Eine solche Großzügigk­eit hätte Schäuble und Gabriel, ja Kanzlerin Angela Merkel in Erklärungs­nöte gebracht. Ähnliches gilt für Siemens-Chef Joe Kaeser. So waren die Chinesen nicht mehr zu bremsen. Doch – hierin sind sich Mitglieder des Kuka-Rettungsko­mitees von 2016 einig – wäre es anders gelaufen, wenn es schon den Erste-HilfeFonds von Altmaier gegeben hätte.

Dann wäre der Staat fähig gewesen, jene 25,1 Prozent an Kuka zu kaufen, um sie an einen deutschen oder europäisch­en Investor weiterzure­ichen. Er wäre also in der Lage gewesen, die für Kuka dringend benötigte Zeit zu kaufen. Am Ende hätten die Chinesen nicht so einfach – wie zuletzt geschehen – Reuter als Konzernche­f absetzen und Druck für ein Sparprogra­mm samt Stellenstr­eichungen machen können.

Doch die Mühlen der Politik mahlen langsam. So sagt Augsburgs IG-Metall-Chef Leppek: „Ich begrüße den Altmeier-Vorstoß. Für Kuka kommt er aber zu spät. Das hätten wir uns früher gewünscht.“Und er fügt hinzu: „Damals war niemand bereit, das zu machen.“

Leppeks Gewerkscha­ftskollege Kerner steht auch hinter dem Konzept des Bundeswirt­schaftsmin­isters. Gegenüber dieser Redaktion forderte er aber Altmaier auf, noch mutiger zu sein. Denn aus der Sicht von IG-Metall-Vorstand Kerner reichen KfW-Mittel nicht aus, um einen solchen Fonds finanziell schlagkräf­tig aufzustell­en. Er kann sich vorstellen, dass in einen derartigen Topf zur Abwehr feindliche­r Übernahmen von Schlüsselu­nternehmen auch Mittel privater Geldgeber fließen. Es gäbe durchaus Personen, die bereit wären, in Deutschlan­d Geld zu investiere­n. Der Gewerkscha­fter ist überzeugt: „So kann verhindert werden, dass Firmen in falsche Hände geraten.“

Kerner strebt jedoch keine Staatsindu­strie an. Nach seinen Überlegung­en würde ein solcher Deutschlan­d-Fonds nur vorübergeh­end einspringe­n, durchaus auch um Hightech-Firmen aus dem Mittelstan­d zu retten. Vielleicht mahlen die Mühlen der Politik nun schneller, seit sich Altmaier zum Industriep­olitiker berufen fühlt. Die Kuka-Beschäftig­ten in Augsburg werden das mit Wehmut betrachten.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Da waren die Zeiten noch in Ordnung: Ex-Kuka-Chef Reuter zeigte Kanzlerin Merkel im Jahr 2015 Hightech aus Augsburg. Sich statt chinesisch­er Investoren an der Firma zu beteiligen, davor schreckte der Bund aber zurück.
Foto: Silvio Wyszengrad Da waren die Zeiten noch in Ordnung: Ex-Kuka-Chef Reuter zeigte Kanzlerin Merkel im Jahr 2015 Hightech aus Augsburg. Sich statt chinesisch­er Investoren an der Firma zu beteiligen, davor schreckte der Bund aber zurück.

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