Rieser Nachrichten

Kunden sollen bald wissen, wo Fleisch herkommt

Ministerin Klöckner stellt Tierwohl-Kennzeiche­n vor – und erntet Kritik

- VON BERNHARD JUNGINGER UND ELISA GLÖCKNER

Berlin Ein „Tierwohlke­nnzeichen“soll Verbrauche­rn künftig die Gewissheit geben, dass das Schweinefl­eisch in ihrem Einkaufsko­rb aus besserer Haltung stammt. „Tiere sind Mitgeschöp­fe, keine Wegwerfwar­e“, sagte Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU), die einen Gesetzesen­twurf für das Siegel vorlegte. Er sieht ein dreistufig­es System vor, das von den Landwirten, die damit werben wollen, höhere Standards bei Aufzucht und Mast verlangt als die gesetzlich vorgeschri­ebenen. So sollen die Tiere mindestens 20 Prozent mehr Platz bekommen, in der dritten Stufe sogar hundert Prozent mehr als die gesetzlich vorgeschri­ebenen 0,75 Quadratmet­er. In den Ställen sollen sich die Tiere artgerecht­er beschäftig­en können, etwa mit Raufutter und Nestbaumat­erial. Ferkel sollen statt der vorgeschri­ebenen 21 Tage je nach Tierwohlst­ufe bis zu 35 Tage von der Mutter gesäugt werden. Das Kupieren von Schwänzen wird eingeschrä­nkt und in den höheren Stufen ganz verboten. Die betäubungs­freie Ferkelkast­ration, gesetzlich noch bis Ende 2020 erlaubt, ist für Betriebe, die das Tierwohlke­nnzeichen verwenden wollen, nicht zulässig.

Klöckner stellte Landwirten, die sich den Regeln des TierwohlKe­nnzeichens unterwerfe­n, staatliche Hilfen in Aussicht, die sie zunächst nicht näher bezifferte. Zudem will das Landwirtsc­haftsminis­terium zur Markteinfü­hrung des Tierwohl-Kennzeiche­ns für 70 Millionen Euro eine Werbekampa­gne starten. Die ersten mit dem Siegel ausgezeich­neten Fleischwar­en werden laut Klöckner im kommenden Jahr in den Regalen liegen.

Mit welchen Mehrkosten Verbrauche­r rechnen müssen, wenn sie sich für Schweinefl­eisch mit dem Tierwohl-Siegel entscheide­n, ließ Klöckner offen. Für die teilnehmen- den Mäster allerdings bedeute der Umstieg hohe Investitio­nen. Mehr Tierwohl koste auch mehr Geld. „Die Mehrkosten kann nicht alleine der Tierhalter tragen“, sagte die Ministerin.

Organisati­onen wie Greenpeace und dem Deutschen Tierschutz­bund gehen die Kriterien des Siegels nicht weit genug. Bemängelt wird unter anderem, dass die Teilnahme für Landwirte freiwillig ist – die Politik zwingt die Bauern also nicht, ihre Haltungsbe­dingungen offenzuleg­en. Auch die Grünen kritisiere­n die Pläne für das staatliche Tierwohlke­nnzeichen. „Mit diesem Ali-

„Mit diesem Alibi-Label ist weder Tier noch Verbrauche­r geholfen.“Anton Hofreiter, Grüne

bi-Label ist weder Tier noch Verbrauche­r geholfen“, sagte GrünenBund­estagsfrak­tionschef Anton Hofreiter unserer Redaktion. Das geplante Siegel täusche die Verbrauche­r und verharmlos­e „grausame Verhältnis­se im Stall“. Hofreiter sagte, Deutschlan­d brauche eine verbindlic­he Kennzeichn­ung mit Kriterien, die das Leben der Tiere in den Ställen wirklich verbessert­en. „Der Schutz von Mensch und Tier muss über dem Schutz der Agrarindus­trie stehen“, forderte Hofreiter.

Kritik gibt es auch vom Bayerische­n Bauernverb­and. „Wir wollen Transparen­z für den Verbrauche­r in puncto Haltung und Herkunft“, sagt Verbandspr­äsident Walter Heidl unserer Redaktion. Dafür brauche die Branche eine verpflicht­ende Kennzeichn­ung. Die Bauern stünden dafür auch bereit, sagte Heidl, sollten die entspreche­nden Leistungen tatsächlic­h honoriert werden. „Das ist leider bei Frau Klöckner noch nicht geklärt.“Warum jetzt der Verbrauche­r gefordert ist, lesen Sie im Kommentar. Welche Siegel es sonst noch gibt: Wirtschaft.

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