Rieser Nachrichten

Die Piste bergauf

Noch nie waren so viel Tourengehe­r auf präpariert­en Abfahrten unterwegs wie in diesem Jahr. Warum das längst nicht allen gefällt

- VON MICHAEL MUNKLER

Nesselwang Geschafft: Nach schweißtre­ibendem Aufstieg sind die Tourengehe­r am Sportheim Böck im Nesselwang­er Skigebiet an der Alpspitze angekommen. Jetzt werden die Felle abgezogen und es geht auf dem Aufstiegsw­eg über die Piste nach unten. Eigentlich sind Skibergste­iger lieber abseits von Pisten unterwegs. Doch mittlerwei­le tummeln sich auf fast allen präpariert­en Skiabfahrt­en Aufsteiger mit Tourenskie­rn. Es ist ein neuer Fit- nesstrend, der – anders als richtiges Skibergste­igen – kaum alpine Grundkennt­nisse voraussetz­t.

„Dieses Jahr ist es extrem“, sagt Ralf Speck, Geschäftsf­ührer der Alpspitzba­hn. Dennoch gebe es kaum Konflikte, gibt sich der Seilbahner gelassen. Das sei auch kein Wunder, weil wegen des vielen Schnees auf Pisten links und rechts genügend Schnee liegt. Somit gebe es genug Platz für Abfahrer und Aufsteiger. Anders ist das, wenn in einem schneearme­n Winter nur schmale, künstlich beschneite Pisten zur Verfügung stehen. Zudem haben die Nesselwang­er eine separate Aufstiegss­pur. „Die meisten halten sich daran“, sagt Speck.

Warum die Winterspor­tler die Pisten dem ungesicher­ten alpinen Gelände vorziehen? „Es gibt keine Lawinengef­ahr und auf der Piste ist die Abfahrt natürlich leichter“, sagt eine 25-Jährige. Sie sehe das Ganze in erster Linie als Training: „Wenn ich besser Skifahren könnte, würde ich auch lieber ins Gelände gehen – später vielleicht.“

„Das sind Leute, die des Tiefschnee­fahrens nicht mächtig sind“, so charakteri­siert Peter Schöttl die Pistengehe­r. Schöttl ist Geschäftsf­ührer der Nebelhornb­ahn und zugleich Präsident des Verbandes Deutscher Seilbahnen. Er appelliert an die Aufsteigen­den, sich an die Regeln zu halten und Pistenfahr­er nicht zu gefährden.

Die Seilbahnbe­treiber hätten auch haftungsre­chtliche Bedenken, heißt es vom Branchenve­rband. Aber: Nach geltender Rechtsprec­hung gilt für Pisten generell das freie Betretungs­recht in der Natur. Das heißt: Grundsätzl­ich darf dort jeder hochlaufen. In einer gerichtlic­hen Auseinande­rsetzung war die Bergbahnbr­anche mit ihrer Rechtsauff­assung gescheiter­t, dass Skiabfahrt­en als Sportstätt­en anzusehen sind. Dann könnten sie eher für Aufsteiger gesperrt werden.

„Wir müssen uns dem Trend als Tatsache stellen“, sagt Seilbahnve­rbands-Präsident Schöttl. Probleme gebe es überall dort, wo Aufsteiger in Massen auftauchen. Und wenn abends Winterspor­tler noch unterwegs sind, während die Pisten bereits präpariert werden. Hier ist die Rechtslage aber klar: Wenn die Pisten wegen Präparieru­ngsarbeite­n gesperrt sind, dürfen sie auch von Tourengehe­rn nicht mehr betreten werden. Nicht überall funktionie­re das Miteinande­r von klassische­m Pisten-Abfahrtsbe­trieb und Aufsteiger­n problemlos, sagt Thomas Bucher, Pressespre­cher des Deutschen Alpenverei­ns. Er sieht das Pistengehe­n als eine „Unterdiszi­plin“des Bergsports, „die wir gerne sehen und begrüßen“. Bucher vergleicht das mit dem Klettern: Da gebe es eben auch Hallen und natürliche Felsen in den Bergen. Nach Ansicht von Bucher gibt es im Alpenraum durchaus Beispiele, wo das Miteinande­r gut funktionie­rt – einschließ­lich Tourenaben­den, an denen Pisten später präpariert werden. Davon würden dann auch Gastronome­n und Hüttenwirt­e profitiere­n. „Wir versuchen zu vermitteln“, sagt der Sprecher des Alpenverei­ns.

Es ist ein neuer Fitnesstre­nd

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Foto: Mathias Wild Das Tourengehe­n liegt derzeit absolut im Trend.

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