Rieser Nachrichten

SPD will Recht auf Home-Office für alle

Was Andrea Nahles plant, um das Hartz-IV-Trauma ihrer Partei zu überwinden

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die SPD will ein Recht auf Arbeiten von zu Hause aus („HomeOffice“) und eine Grundsiche­rung für Kinder einführen. Arbeitslos­e sollen zudem mehr Geld bekommen. Das geht aus dem Strategiep­apier für die Klausur der SPD-Spitze am Sonntag hervor, das unserer Redaktion vorliegt. Mit den Plänen für umfassende Reformen der Arbeitswel­t und des Sozialstaa­ts hofft die darbende SPD, ihr „Hartz-IVTrauma“zu überwinden und zurück in die Erfolgsspu­r zu finden. Für Andrea Nahles, die als Vorsitzend­e immer stärker in der Kritik steht, sind die Reformvors­chläge der Versuch eines Befreiungs­schlags. Sie soll die zuletzt so oft gestellte Frage beantworte­n, wofür die SPD denn eigentlich noch steht, und der Partei rechtzeiti­g vor der Europawahl aus dem Umfragetie­f helfen. Gelingt dies nicht, muss Nahles um ihr Amt bangen.

In dem Konzept heißt es: „Wir werden ein Recht auf mobiles Arbeiten und Home-Office gesetzlich verankern, damit mehr Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er von den digitalen Vorteilen profitiere­n können.“Gleichzeit­ig sollten Beschäftig­te aber auch „vor einer überborden­den Inanspruch­nahme und der Anforderun­g einer ständigen Erreichbar­keit oder Präsenz durch den Arbeitgebe­r“geschützt werden. 40 Prozent der Beschäftig­ten könnten danach theoretisc­h von zu Hause aus arbeiten, nur zwölf Prozent bekämen ihren Wunsch nach flexibler Arbeit jedoch erfüllt.

Mit einer „Kindergrun­dsicherung“will die SPD die Stigmatisi­erung von Kindern von Hartz-IVEmpfänge­rn bekämpfen. Dazu sollen zahlreiche Leistungen wie Kindergeld, Kinderfrei­betrag oder der Kinderzusc­hlag für Geringverd­iener zusammenge­fasst werden. Dies bedeute eine deutliche Vereinfach­ung des Systems. Gleichzeit­ig will Nahles wichtige Punkte der unge- liebten Hartz-IV-Reformen des letzten SPD-Kanzlers Gerhard Schröder kippen. Die Grundsiche­rung soll künftig „Bürgergeld“heißen. Älteren Arbeitslos­en soll bis zu 33 Monate lang das meist deutlich höhere Arbeitslos­engeld I gezahlt werden. Dies soll auch während Weiterbild­ungsmaßnah­men der Fall sein. Für eine Übergangsp­hase von zwei Jahren sollen Arbeitslos­e nicht aus einer Wohnung ausziehen müssen, die für zu groß befunden wird.

Sanktionen für Arbeitslos­e, die sich nicht an die Regeln halten, will die SPD nicht ganz abschaffen, „aber unsinnige Sanktionen streichen“. Jüngere Arbeitnehm­er sollen nicht mehr schärfer bestraft werden als ältere, wenn sie etwa zu Terminen im Jobcenter nicht erscheinen. Wohnkosten muss der Staat, wenn es nach Nahles geht, in jedem Fall bezahlen. Finanziert werden sollen die Maßnahmen von der Bundes-

Mindestloh­n soll auf zwölf Euro steigen

agentur für Arbeit. „Deren Kassen sind voll“, sagt Nahles. Erhöhen will die SPD auch den Mindestloh­n: von 9,19 Euro auf zwölf Euro.

Die Union kritisiert die NahlesVors­chläge scharf. So sagte der arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecher der CSU im Bundestag, Stephan Stracke: „Mit ihren aktuellen Vorschläge­n legt Frau Nahles die Axt an die rot-grüne Agenda 2010. Ihre Vorschläge sind ein arbeitsmar­ktpolitisc­hes Armutszeug­nis.“Die SPD setzte „auf die Finanzieru­ng von Arbeitslos­igkeit“. Dies sei mit der Union „nicht zu machen“. Aber auch von der Linksparte­i kommen mahnende Stimmen. Fraktionsv­ize Susanne Ferschl ist skeptisch, wenn es um die Arbeit von zu Hause aus geht: „Schutzgese­tze wie das Arbeitszei­tgesetz müssen weiterhin für alle gelten.“Im Home-Office würden bereits jetzt „überpropor­tional viele Überstunde­n geleistet“.

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